Als der Brite John Cryan vor zweieinhalb Jahren an die Spitze der Deutschen Bank rückte, hielten das viele für eine richtig gute Wahl. Er wirkte als wohltuender Gegensatz zu seinen Vorgängern, die viel versprochen, aber wenig gehalten hatten.
Mittlerweile steht Cryan selbst stark unter Druck. Investoren verlangen, dass es mit der Bank sichtbar aufwärtsgeht. Sie stellen Cryans Position zumindest mittelfristig in Frage. Viele Angestellte sind von Sparrunden und Rückschlägen erschöpft. Im Dezember legte die Bank ein Abfindungsprogramm für Beschäftigte im Privatkundengeschäft auf. Die 1000 vorgesehenen Stellen waren innerhalb kurzer Zeit überbucht. „Die Leute haben einfach keine Lust mehr“, heißt es in der Bank. Das könne man auch verstehen.
Dabei bezweifelt niemand, dass Cryan bei den Altlasten konsequent aufgeräumt hat. Aber nun scheint das Institut auf halber Strecke stecken geblieben. Während andere Banken wieder solide Gewinne machen, geht es bei der Deutschen Bank nicht voran.
Irgendwie, so die Idee, muss jetzt ein Ruck durch die Bank gehen. Für den soll der Chef sorgen. Das ist an sich eine putzige Vorstellung. Die Dinge sind halt so, wie sie sind. Es reicht nicht, wenn Cryan weniger grantig dreinschaut, plötzlich einen auf Jürgen Klopp macht oder ein paar Mal „Tschakka, wir schaffen es“ ruft. Trotzdem muss der Brite nun Optimismus und Zuversicht verbreiten.
Bei der Bilanz-Pressekonferenz am Freitag hatte er es damit nicht einfach. Dass die Zahlen mies ausfallen würden, hatte die Bank zwar schon angekündigt. Tatsächlich sind sie noch schlechter als gedacht. Der Aktienkurs brach in der Folge um rund sechs Prozent ein. „Wir haben aufgeräumt. Und wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Cryan am Anfang seiner Rede fast trotzig. Das allein aber reicht nicht mehr. Erzählt hat er das ohnehin schon vorher.
Das muss die Deutsche Bank 2018 alles meistern
Der Wertpapierhandel und das Geschäft mit Börsengängen, Fusionen und Übernahmen war einst die Vorzeigesparte der Deutschen Bank. Nach der Finanzkrise und erst recht nach dem Abgang des ehemaligen Star-Investmentbankers Anshu Jain sanken jedoch die Erträge und das Institut läuft den großen US-Häusern hinterher. Die neue Doppelspitze aus Marcus Schenck und Garth Ritchie steht unter Druck, schnell Kunden zurückzugewinnen. Unlängst bat das neue Duo die Investoren öffentlich um Geduld; der Umbau der Investmentbank werde noch zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen.
Helmut Hipper, Fondsmanager bei Union Investment, einem der größeren Aktionäre der Bank, geht hart ins Gericht: "Die Deutsche Bank hat bei den Investoren zu hohe Erwartungen geweckt." Sie habe sich schlechter geschlagen als die Konkurrenz und müsse nun schnellstens aufholen. "Sonst muss man sich schon fragen: Funktioniert der Business-Plan?"
Wahrscheinlich komplexester Teil der von Cryan im Frühjahr ausgegebenen Strategie ist die Integration der Postbank. Nachdem der Verkauf des Bonner Instituts nicht gelungen war, soll sie nun mit der Privatkundensparte der Deutschen Bank verschmolzen werden. Damit entsteht mit rund 20 Millionen Kunden und einem Kundenvermögen von 325 Milliarden Euro ein neuer Riese auf dem deutschen Markt.
Mitte 2018 ist die rechtliche Zusammenführung geplant. Der Fusion werden in den kommenden Jahren Tausende Stellen zum Opfer fallen, vor allem bei der Postbank - wie viele ist noch unklar. Aber die Deutsche Bank hat kurz vor Weihnachten ein Freiwilligenprogramm aus der Taufe gehoben und will zunächst bis zu 1000 Mitarbeiter über Altersteilzeit und Abfindungen loswerden. Kündigungen sind bis 2021 ausgeschlossen.
Ein weiterer wichtiger Baustein in Cryans Strategie ist der Teil-Börsengang der Vermögensverwaltung, der im ersten Halbjahr 2018 über die Bühne gehen dürfte. Schätzungen von Analysten zufolge könnte der Verkauf von einem Viertel der Aktien der Deutschen Asset Management (DAM) zwei Milliarden Euro bringen.
Das erste Feedback potenzieller Investoren war verhalten, weil sich die Bank über das rechtliche Konstrukt der Kommanditgesellschaft auf Aktien Einfluss auch für den Fall gesichert hat, dass ihr Anteil sinkt. Das Team um DAM-Chef Nicolas Moreau wird einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit der Börsengang ein Erfolg wird.
Auf Cryans persönliche To-do-Liste dürfte Aufsichtsratschef Paul Achleitner für 2018 Treffen mit den Großaktionären geschrieben haben. Das Emirat Katar, der hierzulande misstrauisch beäugte chinesische Mischkonzern HNA, der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock und der US-Investor Cerberus wollen umgarnt werden. Nachdem Cryan unlängst schon Ärger mit Achleitner bekam, weil er es terminlich nicht schaffte, zum Antrittsbesuch bei den Chinesen vorbeizuschauen, sollte ihm ein solcher Fauxpas nicht nochmal passieren. Zu deutlich wurde seitens der großen Geldgeber schon Kritik an Cryan laut als das Achleitner diese überhören könnte.
Aus dem Umfeld eines der größeren Anteilseigner sind deshalb warnende Töne zu hören - wenn auch hinter vorgehaltener Hand: "Achleitner hat einen Pakt mit den Großinvestoren geschlossen und wenn die ihm sagen, er soll Cryan fallenlassen, dann wird er das auch tun."
Es reicht ebenfalls nicht, dass er berichtet, wo die Bank überall erfolgreich war. Vor allem intern dürfte es die Stimmung zudem nicht wirklich heben, dass Cryan als erste Erfolge Stellenabbau und Filialschließungen im Privatkundengeschäft nennt.
Da auch die sonstigen Fortschritte nicht genügen, um die Mitarbeiter rein intrinsisch zu motivieren, kam Cryan um das heikle Thema Boni kaum herum. Dass die Bank die trotz eines Verlustes erhöht, sorgt gerade für mächtig Ärger in der Politik. Die Boni seien eine Belohnung für „ungewöhnliche Arbeit“ in den vergangenen Jahren und eine „einmalige Investition, um der neuen Führung der Investmentbank die Chance zu geben, die Marktposition zu sichern und auszubauen“, sagte Cryan. Eine klare Ansage an seinen Vorstandskollegen Marcus Schenck.
Tatsächlich hat nämlich vor allem das Ergebnis der Investmentbank einmal mehr enttäuscht. Minutenlang pries Schenck in seiner Rede deshalb die Vorzüge der von ihm geführten Sparte. Einige Bereiche hätten „spitzenmäßig performt“ und ein „spektakuläres Jahr“ gehabt, sagte er. Überhaupt sei ein Bonus ja kein Geschenk, sondern das Ergebnis einer Zielvereinbarung. Seine Leute hätten „wenig Verständnis“, wenn sie wieder leer ausgegangen wären.
Dass sich Schenck so ins Zeug legt, ist nicht verwunderlich. Er hat schließlich auch vor allem für die Boni gekämpft und sich, so berichten es zumindest Insider, deshalb heftig mit seinen Kollegen gestritten. Auch Cryan soll nicht wirklich begeistert von der Idee gewesen sein. Dass er Schenck anders als dessen für die Privatkunden zuständigen Kollegen Christian Sewing bei dem Termin nicht „my friend“ nennt, ist vermutlich Zufall. Gespannt ist das Verhältnis aber dennoch.
Cryan jedenfalls schaut Schenck bei dessen Vortrag betont ungerührt an. Sewing dagegen nickt kaum merklich mit dem Kopf. Dann fällt ihm offenbar ein, dass er seinen Kollegen nicht allein lassen will. Boni, so sagt Sewing, seien ja auch für seine Leute wichtig. Im Geschäft mit den reichen Kunden etwa tobe der Wettbewerb besonders wild. Da ginge es nicht ohne.
Noch wichtiger als die Boni ist für die Motivation der Mitarbeiter ein motivierter Chef. Da geht Cryan mit gutem Beispiel voran. Er fange an, den Job wirklich zu genießen, sagt er. Das sei nicht immer so gewesen, aber nun seien vor allem die Gespräche mit den Kunden eine wahre Freude. Und natürlich wolle er seinen Vertrag erfüllen. Er sei „fully committed“, lässt er wissen. Für seine Verhältnisse ist das schon fast euphorisch.
Sewing nickt da wieder zustimmend, Schenck dagegen schaut angestrengt auf ein paar Papiere, die vor ihm liegen. Vielleicht ist ihm so viel Optimismus bei seinem Chef nicht so ganz geheuer? Für seine eigenen Motivation jedenfalls kann der Vorstand in diesem Jahr wohl ebenfalls auf das in der Branche bewährte Mittel hoffen. Zwar macht Cryan klar, dass für den Bonus der Führungsmannschaft der Aufsichtsrat das entscheidende Gremium sei. Einen freiwilligen Verzicht kündigt er aber auch nicht an.
Ob die Zahlung dann auch eine Investition in die Zukunft ist, wird sich zeigen. Wenn es in diesem Jahr nicht besser läuft, dürfte sie für den Deutsche-Bank-Chef selbst jedenfalls einmalig gewesen sein.