Entschädigung für Pauschalreisende Bundesregierung springt bei Thomas Cook in die Bresche

Die deutsche Thomas Cook war in den Sog der Pleite der britischen Mutter geraten und hatte am 25. September Insolvenzantrag gestellt. Quelle: dpa

Das Aus des deutschen Reisekonzerns Thomas Cook bedeutete für hunderttausende deutsche Kunden die Absage ihres Urlaubs – ohne Aussicht auf Entschädigung. Nun will die Bundesregierung dafür aufkommen.

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Mit der Pleite der deutschen Thomas Cook mussten viele Verbraucher in der Bundesrepublik ihre Urlaubspäne über Bord werfen. Nachdem die deutsche Reisekonzern-Tochter der britischen Thomas Cook am 25. September 2019 Insolvenzantrag gestellt hatte, wurden am 9. Oktober zunächst alle Reisen bis Jahresende 2019 abgesagt, im November folgte dann die Absage aller Reisen für 2020. Auf die Hiobsbotschaft von der abgesagten Reise folgte sodann zügig die Meldung: Geld wird es für viele wohl nicht zurückgeben.

Experten rechneten schon im Oktober einen Schaden von 300 bis 500 Millionen Euro durch die abgesagte Reisen vor. Aktuell ist in Deutschland jedoch eine Begrenzung der Haftungssumme auf 110 Millionen Euro möglich, während die EU von ihren Mitgliedsstaaten einen Vollschutz der Pauschalreisenden fordert. Thomas Cook Deutschland sicherte seine Pauschalreisen nur mit eben diesen 110 Millionen Euro ab. Mehr Schaden muss und wird Versicherer Zurich also nicht begleichen (müssen).

Und dabei hatten sich im November laut Versicherer Zurich bereits Betroffene gemeldet, deren Schaden sich auf 250 Millionen Euro belief. Zu diesem Zeitpunkt waren die Reisen für 2020 gerade erst abgesagt. Infolgedessen würden sich die Forderungen weiter erhöhen, erklärte der Schadenvorstand der Versicherers Zurich Gruppe Deutschland, Horst Nussbaumer, damals im Touristik-Fachmagazin fvw. Genauere Zahlen zum Gesamtschaden wollte Zurich zu einem späteren Zeitpunkt nennen. Nussbaumer machte aber bereits vor zwei Wochen klar: Die Cook-Geschädigten würden in jedem Fall nur einen Bruchteil ihrer Auslagen für gebuchte, vom Veranstalter aber nach seiner Insolvenz nicht mehr erbrachte Pauschalreisen zurückerhalten.

Nun will die Bundesregierung bei der Entschädigung der Thomas-Cook-Pauschalurlauber einspringen. Da der zuständige Versicherer Zurich Insurance nicht für den gesamten Schaden aufkommen werde, wolle der Bund den Betrag übernehmen, der deutschen Kunden nicht ersetzt werde, teilte die Regierung mit. „Dies geschieht ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Vermeidung unzähliger Rechtsstreitigkeiten.“ Die Betroffenen sollen ihre Ansprüche an den Bund abtreten. Wegen der komplizierten Rechtslage könne nur so eine „erhebliche Prozesslawine“ verhindert werden. Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht wollte noch im Laufe des Tages Details dazu verkünden.

Mit diesem Schritt will die Bundesregierung möglicherweise auch Klagen entgehen. Wie die ARD berichtet, ergab zuletzt ein Rechtsgutachten, das Versicherer Zurich in Auftrag gegeben hatte, dass eine Staatshaftung Deutschlands wegen der unzureichend umgesetzten EU-Richtlinie möglich sei. In der Pauschalreiserichtlinie der Europäischen Union ist vorgeschrieben, dass die Absicherung „wirksam“ sein müsse – dies schließt nach Meinung vieler Experten zwar eine Höchstlinie nicht aus, lasse aber keinen pauschalen Höchstbetrag, wie Deutschland ihn mit 110 Millionen Euro hat, zu. Davon sei weder in den Gesetzesmaterialien noch in der Pauschalreiserichtlinie die Rede, bemängelte etwa der Reiserechtsexperte Ernst Führich, ehemaliger Professor der Rechtswissenschaften unter anderem für Reiserecht an der Hochschule Kempten, bereits im Oktober gegenüber der WirtschaftsWoche. Für die Absicherung eines ganzen Tourismus-Konzerns sei diese Konstruktion „schlicht ungeeignet“.

Zurich-Schadenvorstand Nussbaumer hatte bereits im November die Bundesregierung dazu aufgefordert „umgehend Rechtssicherheit zu schaffen“. Es gehe darum, das für Reiseveranstalter gewünschte Absicherungsniveau verbindlich festzulegen und zu klären, wie große Veranstalter abgesichert werden könnten. „Es besteht akuter Handlungsbedarf. Wenn wir im ersten Quartal 2020 keine Rechtssicherheit erhalten, wird es schwierig werden für manchen Versicherer und Veranstalter“, so Nussbaumer.

Wie Nussbaumer forderten viele Verbraucherschützer in den vergangenen Wochen neue Regelungen. Der Reiseverband DRV, der die Interessen der Pauschalanbieter vertritt, warnte erst diese Woche, dass neue Modelle für den Insolvenzschutz „versicherbar bleiben“ müssten und die Finanzkraft der Firmen nicht überfordern dürften. „Was die Branche nicht braucht, ist eine Sozialisierung der Risiken“, betonte DRV-Präsident Norbert Fiebig und sprach sich gegen eine Fonds-Lösung aus. Sogar von Klagen gegen die Bundesregierung war die Rede.

Diesbezüglich ist die Bundesregierung mittlerweile im Gespräch mit der Reisebranche und Versicherern, um das System des Insolvenzschutzes im Reiserecht zu überarbeiten. Eine Beraterfirma soll noch bis Jahresende Alternativen bis hin zu Handlungsempfehlungen vorlegen, die Anfang 2020 in einen Gesetzentwurf münden sollen. Jüngst hatten die Länderjustizminister das Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium aufgefordert zu prüfen, wie man die Deckelung von 110 Millionen Euro erhöhen sollte.

Die deutsche Thomas Cook war in den Sog der Pleite der britischen Mutter geraten und hatte am 25. September Insolvenzantrag gestellt. Nach der Pleite strandeten zunächst 140.000 deutsche Kunden des Reiseriesen im Urlaub. Weitere hunderttausende konnten nicht mehr in den Urlaub starten. Ihre Urlaube wurden spätestens Ende November abgesagt als das Amtsgericht Bad Homburg das förmliche Insolvenzverfahren für das Reiseunternehmen Thomas Cook eröffnete. Durch die Insolvenz verloren etwas weniger als die Hälfte der insgesamt etwa 2100 Beschäftigten der deutschen Thomas Cook ihren Job. Durch Verkäufe von Unternehmensteilen sollen die Arbeitsplätze von mehr als 1000 Menschen gesichert sein.

Mit Material von dpa und Reuters

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