Intensiver Wettbewerb Freie Tankstellen kämpfen ums Überleben

Freie Tankstellen kämpfen in Deutschland ums Überleben Quelle: imago images

In Deutschland gibt es immer weniger Tankstellen. Große Marken wie Aral oder Shell wehren sich mit Zusatzleistungen gegen den Schwund. Freien Tankstellen fehlen dazu die Möglichkeiten. Sie helfen sich anders.

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Wer zum ersten Mal an einer Tankstelle von Nico Zieglmeier tankt, der wird etwas vermissen. Spätestens dann, wenn er die Tankfüllung bezahlen soll. An den elf blau-gelben Tankstellen, die Zieglmeier in Oberbayern betreibt, gibt es nämlich kein Kassenhäuschen und auch keine Mitarbeiter. Bezahlt wird am Automaten. Die Kunden können bei Zieglmeier nicht in einem Tankstellen-Shop einkaufen, wenn die Geschäfte in der Umgebung geschlossen sind. Er beschränkt sich auf das ursprüngliche Geschäft – den Verkauf von Kraftstoff.

Damit ist Zieglmeier ein Exot unter den Tankstellenbetreibern. Die meisten seiner Konkurrenten setzen auf Tankstellen-Shops, Waschanlagen und Werkstätten. Gerade Tankstellen, die von großen Mineralölkonzernen wie BP, ExxonMobil oder Royal Dutch Shell betrieben werden, bieten diverse Zusatzleistungen an. In rund 300 Aral-Tankstellen hierzulande können die Kunden in integrierten Rewe-to-go-Supermärkten einkaufen. Shell kooperiert mit riesigen Tech-Unternehmen. Kunden von Amazon können ihre Pakete an 78 Shell-Tankstellen aus Paketstationen abholen. Gemeinsam mit Paypal hat Shell einen eigenen Bezahldienst eingeführt, sodass die Tankfüllung bequem per App bezahlt werden kann. Die Großen rüsten massiv auf.

Eine Möglichkeit, die Zieglmeier und tausend andere Betreiber von freien Tankstellen nicht haben. Kooperationen mit Unternehmen wie Amazon, Paypal oder Rewe sind für sie nicht drin. Trotzdem halten sich die freien Tankstellen wacker. Und das, obwohl es in Deutschland immer weniger Tankstellen gibt. Der Markt wird kleiner, der Wettbewerb intensiver. Wie können die freien Tankstellen ihre Marktanteile trotzdem gegen die Riesen verteidigen?

Die Zusatzleistungen sind bei den Kunden beliebt, doch im Mittelpunkt beim Tankstellenbesuch steht nach wie vor das Tanken – und der Spritpreis. Die Tankstellen locken die Kunden mit möglichst günstigen Preisen an die eigenen Zapfsäulen. Argumente neben dem Preis gibt es kaum. „Sprit ist ein sehr homogenes Gut. Die verschiedenen Tankstellen können sich dabei nicht stark voneinander abheben“, sagt Manuel Frondel, Ökonom am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. 
Wie intensiv der Wettbewerb um den günstigsten Literpreis ist, zeigen diverse Apps und Webseiten, die Spritpreise von Tankstellen in der Nähe des Nutzers vergleichen und diesen per GPS zu der günstigsten Tankstelle lotsen. Bei solchen Preisvergleichen stehen oft freie Tankstellen, wie die von Zieglmeier, ganz oben.

Eine freie Tankstelle ist um zwei bis drei Cent pro Liter günstiger, als die Marken-Tankstellen von Shell oder Aral – so lautet eine Faustregel, die man immer wieder in Ratgebern zum günstigen Tanken liest. Ganz so groß ist der Preisunterschied aber nicht. „Die freien Tankstellen sind in der Regel pro Liter einen Cent günstiger als die der großen Mineralölkonzerne“, sagt Thomas Grebe, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Freier Tankstellen.

Warum können die freien Tankstellen den Sprit günstiger anbieten? Immerhin erhalten Aral und Shell den Kraftstoff von den Mutterkonzernen BP und Royal Dutch Shell, die Erdöl in riesigen Mengen und damit vergünstigt einkaufen können oder es gleich selbst fördern. Allerdings sparen die freien Tankstellen dank geringeren Kosten für Verwaltung, Marketing und Personal. Oftmals sind die freien Tankstellen Familienbetriebe und können bei den Personalkosten deshalb sparen. Außerdem betreiben sie in der Regel eine kleinere Tankstelle ohne großen Shop und mit wenigen Zapfsäulen. So wirtschaften sie oft deutlich günstiger als eine hochmoderne, riesige Tankstelle mit dutzenden Zapfsäulen und einem Geschäft mit der Ladenfläche eines Supermarkts.  

Kundennähe hält die freien Tankstellen am Leben

Für Thomas Grebe vom Bundesverband sind die freien Tankstellen nicht nur wegen des günstigeren Preises überlebensfähig. „Wir sind der Auffassung, dass vor allem die Mitarbeiter die Attraktivität einer Tankstelle ausmachen“, sagt Grebe. Gerade bei den freien Tankstellen könnten die Kunden nach dem Tanken auch mal mit den Mitarbeitern über regionale Themen sprechen. 

Ob das vertraute Gespräch an der Kasse beim Tanken aber wirklich ein Alleinstellungsmerkmal der freien Tankstellen ist? Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung ist da skeptisch. Für ihn ist das „Sozialromantik“. Die schätzen zwar viele Stammkunden der freien Tankstellen. Letztendlich halte die Sozialromantik die freien Tankstellen am Leben, sagt Frondel. Der Ökonom ist sich allerdings sicher, dass es genug kleine Ketten wie Jet oder Agip gibt, die für ausreichend Wettbewerb und somit für günstige Preise sorgten, falls es keine freien Tankstellen mehr gäbe. „Für die Verbraucher wäre das wohl kein Verlust“, sagt Frondel.

Bedroht sind die freien Tankstellen allemal. Das weiß auch Vorstandsvorsitzender Grebe vom Bundesverband: „Die freien Tankstellen stehen stets unter großem Wettbewerbsdruck und müssen aufpassen, nicht unter die Räder zu geraten.“ Momentan haben sie gemessen an der Anzahl der Tankstellen zusammen einen Marktanteil von rund 16 Prozent. In etwas so viel, wie der Marktführer Aral alleine auf sich vereint.

Um diesen Marktanteil zu verteidigen, reagieren immer mehr freie Tankstellen auf Trends. Zum Beispiel darauf, dass Tankstellen-Shops den Kunden offenbar immer wichtiger werden. Vor zwanzig Jahren lag der durchschnittliche Shop-Umsatz pro Tankstelle noch bei rund 600.000 Euro pro Jahr. Heutzutage sind es bereits mehr als 900.000 Euro. Das kommt aber vor allem den großen Mineralölkonzernen zugute. „Sie können die Waren als Einkaufsbündnis wesentlich günstiger einkaufen, als die mittelständischen Tankstellen das je könnten – ein Grund für die starke Marktposition von Aral oder Shell“, sagt Ökonom Frondel.

Tankstellenbetreiber Nico Zieglmeier verzichtet bei seinen Tankstellen deshalb ganz bewusst auf solche Shops. „Service-Leistungen wie Shops mögen zwar immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind für Mittelständler aber auch mit hohen Kosten verbunden“, sagt Zielmeier. „Hier muss man als freier Tankstellenbetreiber abwägen, ob sich ein Shop rentiert.“ Zieglmeier setzt anstelle eines Shops lieber auf spezielle Dieselkraftstoffe. „Mit solchen Nischenprodukten stechen wir aus der Masse hervor.“ An seinen Tankstellen können die Kunden statt den herkömmlichen Kraftstoffen zum Beispiel Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen tanken, der vor allem für Boote, Wohnmobile oder die Landwirtschaft geeignet ist und besonders witterungsbeständig sein soll. Die speziellen Kraftstoffe sind Zieglmeiers Mittel, um sich auf dem immer intensiveren Markt gegen die großen Mineralölkonzerne zu behaupten – auch ohne eine große Kette im Rücken. Ob ihm das gelingen wird, zeigt sich in den nächsten Jahren.

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