
Die zehn umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland spielen im Internet meist nicht die erste Geige: In der Online-Welt sind nur drei von ihnen unter den Top-Ten. Der Überraschungssieger ist Flick Gocke Schaumburg mit 102,3 Indexpunkten – eine Kanzlei, die beim Umsatzranking der Top-50 nicht ganz oben, sondern erst auf Platz 13 steht. Ihr folgen Ebner Stolz mit 86 Indexpunkten – im Umsatzranking auf Platz 27 – und Heuking Kühn mit 84 Indexpunkten – im Umsatzranking der Kommunikationsagentur Faktenkontor auf Platz 11. Alle drei zählen nicht zu den umsatzstärksten Kanzleien, spielen aber im Internet die größten Rollen.
Der Trend: Bei der Internetkommunikation sind nicht die Größten auch diejenigen mit den meisten Treffern und der besten Sichtbarkeit, sondern auch kleinere Kanzleien beherrschen die Klaviatur und landen unerwartet weit oben. Viele Top-Kanzleien sind ausgerechnet auf dem Nachrichtenkanal Twitter kaum präsent oder nicht mal angemeldet.
Schon die Frage, ob man sich auf einer Facebook-Seite wenigstens mit der Adresse und einem Kanzleifoto präsentiert, bereitet gestandenen Anwälten heute noch Kopfzerbrechen und sorgt für Streit in Kanzleien. Nur wenige verstehen es, dort regelmäßig zu posten und damit sichtbar zu werden für den juristischen Nachwuchs. Zu den wenigen gehört der Top-Arbeitsrechtler Michael Kliemt, der dann schon mal die Bilder postet, die beim Foto-Shooting seiner Kanzlei entstehen. Das ist einerseits unverfänglich, hat aber andererseits Unterhaltungswert und wird gerne gelesen.
Das spiegelt auch das Online-Kanzlei-Ranking wider, das die Kommunikationsagentur Faktenkontor exklusiv für WiWo.de erstellt hat. Erfasst wurde der Zeitraum zwischen dem 15. Juli 2015 und dem 15. November 2015, dann analysiert und das Ergebnis gewichtet. Als Social-Media-Kanäle wurden beim Webmonitoring Twitter, Facebook, Foren, Blogs Youtube und News – inklusive der Fachredaktion "Juve" und sämtlichen Online-Redaktionsseiten wie auch wiwo.de, faz.net oder handelsblatt.com - untersucht. Insgesamt tauchten die 50 Kanzleinamen in zehntausenden Online-Nachrichten und über eine Million Social-Media-Quellen auf.
Wie sich Mandanten über Advokaten schlau machen
Für Anwaltskanzleien ist als Dienstleister Visibilität ihrer Köpfe besonders wichtig. Googeln doch Mandanten auf Anwaltssuche oder Chefjuristen in Unternehmen ihre künftigen Dienstleister zuerst einmal im Internet und checken gründlich, welche Figur sie da abgeben. Je mehr sie über die Juristen oder Beiträge aus ihrer Feder dort sehen, umso sicherer werden sie bei ihrer Auswahl. Kaum einer macht sich die Mühe, in juristischen Archiven zu suchen oder Datenbanken – womöglich kostenpflichtige – zu durchwühlen.
Andererseits: Visibilität im Netz ist ein Asset, das nicht so einfach gekauft werden kann und auch nur begrenzt delegierbar ist. Je mehr sich Anwälte persönlich engagieren, umso höher der Erfolg. Stehen wichtige, aufsehenerregende Urteile bevor, weisen professionell aufgestellte Kanzleien schon im Vorfeld die Journalisten und Online-Redaktionen darauf hin, bieten Gastkommentare oder Expertengespräche zur Einordnung und Erklärung an.
Sie haben erkannt, dass die Logik der Internet-Leser so geht: wer unauffindbar ist, kann auch nicht relevant sein. Ein Indiz sind ausgerechnet Mailadressen und Mobilnummern, die manch einer sorgsam geheim hält und nur den eigenen Mandanten gibt: Je internationaler und erfolgreicher eine Kanzlei ist und je renommierter der einzelne Anwalt, um so eher ist er mit auch mit Mailadesse und Mobiltelefonnummer auf seiner Kanzlei-Homepage aufgeführt.





Die höchstmögliche Punktzahl des Online-Kanzleien-Rankings liegt bei 400 Indexpunkten. Zum Vergleich: Der US-Gigant Apple erreicht immerhin 380 Indexpunkte.
Wie der Index funktioniert? Er richtet sich nach dem sogenannten Leipziger Modell mit diesen vier Dimensionen – Aufmerksamkeit, Ansehen, Akzeptanz und Präferenz. Der ist der Maßstab der PR-Branche, je Dimension sind – jedenfalls theoretisch – jeweils 100 Punkte erreichbar.
Die Untersuchung im Detail: Womit Flick Gocke Schaumburg besonders auffiel: "Der Bonner Sozietät ist es gelungen, viele positive Veröffentlichungen durch den Aufbau eines neuen Geschäftsbereichs – Corporate Litigation und Gesellschaftsrecht – zu erzielen und ist zudem stark in Foren präsent", sagt Jörg Forthmann, Studienverantwortlicher und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Faktenkontor.
Doch die Zahl der Nennungen ist nur eins von vier Kriterien. Freshfields beispielsweise ist zwar die Kanzlei mit den meisten Nennungen, aber sie schneidet bei der Tonalität weniger gut ab als andere Sozietäten. "Das Fifa-Mandat und die Nähe eines Freshfields-Partners zum Fußballverband brachte der Sozietät einige Kritik ein", so Forthmann.