Weniger glatt lief es offenbar, als das Kartell Extrazahlungen auch noch für den gestiegenen Sicherheitsaufwand nach den Attentaten vom 11. September 2001 vereinbaren wollte. Zwar einigten sich laut der Klage der Deutschen Bahn in New York die Vertreter von 33 Frachtfliegern schon 15 Tage später in Hongkong auf einen Zuschlag von 15 Dollar-Cent pro Kilogramm Fracht. Doch eine Woche danach, beim Kartellkränzchen am 2. Oktober in den Büros von South African Airways am Flughafen Johannesburg, hätten alle über „die negative Reaktion der Kunden“ geklagt, heißt es in E-Mails zwischen Lufthansa-Managern. Trotzdem wollten fast alle Anwesenden die Sache durchziehen. Als sich die nächste Runde am 4. Oktober in Kenias Hauptstadt Nairobi traf, war dies offenbar geglückt.
Seinen Zenit erreichte das Kartell allem Anschein nach, als die Flugmanager vereinbarten, auf die abgesprochenen Zuschläge nicht die sonst üblichen Großkundenrabatte von bis zu fünf Prozent zu gewähren. „Das hätte doch unsere Umsätze geschmälert und stabile Einnahmen erschwert“, zitiert das Urteil der koreanischen Wettbewerbsbehörden einen Mitarbeiter von Korean Air.
Mit dieser Unverfrorenheit steht der Manager aus Ostasien nicht allein. Selbst nachdem am 14. Februar 2006 die Kartellwächter weltweit Büros der beteiligten Fluglinien nach Belegen für illegale Absprachen durchsucht hatten und die Lufthansa in den Kronzeugenstand eingetreten war, machten viele Kartellmitglieder weiter. So trafen sich Manager zweier Airlines noch am 1. Mai 2006 in Las Vegas in den USA, um Preise abzusprechen, heißt es in der Klage der Deutschen Post.
Auch heute ist bei vielen Beteiligten wenig Reue erkennbar. So hielt die Frachtfluggesellschaft Cargolux in Luxemburg laut Presseberichten einen Posten für ihren damaligen Marketingchef frei, bis der 2013 in den USA seine 13-monatige Haft abgesessen hatte. Auch die Karriere seines Ex-Chefs litt nicht unter der Zeit hinter Gittern. Er leitet heute das Frachtgeschäft beim ehemaligen Cargolux-Großaktionär Qatar Airways.
Etwas subtiler agiert die Lufthansa. Obwohl sie in Urteilen in mehreren Ländern als Kartellbeteiligte genannt wurde und in Nordamerika freiwillig rund 90 Millionen Euro Schadensersatz zahlte, beharrt sie darauf, dass die abgesprochenen Zuschläge ihren Kunden keine finanziellen Nachteile bescherten.
Ein Lkw voller Dokumente
Dazu bestreitet die Fluglinie, dass die Bahn überhaupt einen Schadensersatzanspruch gegen sie habe. Zwar hat die EU-Kommission beim Abschluss ihres Kartellverfahrens bereits vor gut vier Jahren die Mittäterschaft der Lufthansa und ihrer Tochter Swiss festgestellt und das Kranich-Unternehmen für die Übernahme der Kronzeugenrolle gelobt. Trotzdem kämpft die Linie mit allen Mitteln gegen die Veröffentlichung des Kommissionsurteils. Insider des Verfahrens berichten, die Lufthansa erkläre fast das ganze EU-Urteil als vertraulich – bis hin zur Nennung ihres Namens.
Auch hierzu wie zu den genannten E-Mails wollte sich die Lufthansa nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele.
Die bisherige Haltung der Lufthansa hat die Bahn zwar verärgert, aber nicht abgeschreckt, auf ihrer Schadensersatzforderung zu bestehen. Deshalb fährt am Montag ein Lkw beim Landgericht Köln auf der Luxemburger Straße vor, vollgepackt mit Klageschriften und Unmengen von Dokumenten, die jeweils einen großen Aktenschrank füllen.
„Richtig gemacht“, sagt Christopher Rother, oberster Kartelljäger der Bahn,„sind Schadensersatzprozesse richtige Ertragsbringer.“