Vorbild Südkorea? Wo Menschen nur noch beim Roboter einkaufen

Den Kaffee bereitet in Südkorea der Roboter. Unbemannte Geschäfte gehören inzwischen zum Alltag. Manche Kunden vermissen die persönliche Bedienung. Für junge Menschen gehören Roboter inzwischen dazu. Quelle: AP

Im Jeans-Laden, an der Supermarkt-Kasse oder im Café – wer in Südkorea einkauft, wird inzwischen oft von Automaten bedient. Nicht alle sind begeistert, denn Jobs sind in Gefahr. Manche vermissen den persönlichen Kontakt.

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An der Theke wird eine Bestellung nach der anderen abgefertigt. Die Filiale von Dal.komm Coffee in Seoul ist gut besucht. Doch Mitarbeiter sind weit und breit nicht zu sehen. In dem technikaffinen asiatischen Land ist das inzwischen kein seltener Anblick mehr - nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Roboter pro Einwohner. Vor allem für junge Südkoreaner ist der Umgang mit Service-Maschinen längst Teil des Lebensstils.

In dem Kaffee-Laden können Kunden ihre Wünsche entweder mobil per App oder an einer unbemannten Kasse eingeben. Weniger als eine Minute später steht das fertige Getränk in einem Ausgabefach bereit. Ein bei der Bestellung generierter vierstelliger Code öffnet die Klappe. Wird ein Becher innerhalb von zehn Minuten nicht abgeholt, entsorgt der Automat das Getränk. Im Zweifel wird aber ohne Aufpreis ein neues gebraut.

„Es ist wirklich lustig und praktisch“, sagt die 30-jährige Choi Eun Jin. „Die Gegend ist zur Mittagszeit voll von Büro-Angestellten und Anwohnern. Da ist es gut, einen Roboter wie diesen zu haben.“ Tatsächlich müssen die Kunden bei Dal.komm Coffee auch zu Stoßzeiten selten warten. Der Automat kann bis zu 14 Bestellungen gleichzeitig verarbeiten. Pro Stunde schafft er insgesamt etwa 90 Getränke.

Der Trend zur Automatisierung zieht sich in Südkorea durch etliche Branchen. In Geschäften und Restaurants wird dadurch ebenso wie in der Industriefertigung und in Banken Personal eingespart. Allerdings nicht ohne Proteste. Denn gerade für die jungen Bewohner des Landes wird es immer schwieriger, einen Job zu finden.

Am Dienstag streikten die Kranführer von etwa 2500 Turmkränen - wegen des zunehmenden Einsatzes von unbemannten Geräten auf Baustellen. Der Ärger der Gewerkschaften richtete sich zuletzt auch gegen unbemannte Kassen in Filialen der größten südkoreanischen Supermarkt-Kette Emart. Die Behörden revidierten nach heftiger Kritik ihre Pläne, sämtliche Mautstellen zu automatisieren, was 6700 Arbeitskräfte überflüssig gemacht hätte. Das System soll jetzt nur in Teilen umgestellt und das gesamte Personal auch weiterhin beschäftigt werden.

Der Mindestlohn in Südkorea sei im Laufe der zurückliegenden zwei Jahre um 27,3 Prozent gestiegen, betont Suh Yong Gu, Leiter der Wirtschaftsfakultät an der Sookmyung Women's University in Seoul. Für viele Unternehmen habe dies den Anreiz erhöht, auf Automatisierung zu setzen, um Einsparungen bei den Lohnkosten zu ermöglichen.

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Die Kaffee-Haus-Kette Dal.komm hat nach eigenen Angaben landesweit 45 Filialen mit Robotern ausgestattet - in Shoppingmalls, Firmenkantinen, Hochschulen und einem Flughafen. Die Betreiber sind im Durchschnitt nur einmal pro Tag vor Ort, um die Geräte zu inspizieren und zu reinigen. Darüber hinaus wird mithilfe von Sensoren und Überwachungskameras laufend geprüft, ob alles funktioniert wie es soll.

Während das Konzept bei einigen Kunden gut ankommt, sind andere eher skeptisch. „Ich persönlich bevorzuge es, wenn ich am Tresen von einem Menschen bedient werde, denn der Roboter kann die Getränke nicht in derselben Weise individuell anpassen“, sagt der 30-jährige Büro-Angestellte Lee Sang Jin, der gelegentlich in der Dal.komm-Filiale einkauft. „Ich mag schwachen Kaffee, aber der Roboter kann die Stärke des Kaffees nichts so gut regulieren.“ Außerdem gebe es durchaus auch mal Verzögerungen, wenn das System viele Bestellungen auf einmal erhalte.

Der Hersteller des Kaffee-Roboters will in diesem Jahr ein noch schnelleres und intelligenteres Nachfolgemodell auf den Markt bringen. Dieses soll etwa in der Lage sein, Stimmen und Bewegungsmuster von Kunden zu erkennen. Mit den gesammelten Informationen könnten dann auch personalisierte Angebote und Empfehlungen erstellt werden.

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von Nora Schareika

Laut Zahlen der International Federation of Robotics, einem Dachverband der Branche, kamen in Südkorea im Jahr 2017 auf 10 000 Angestellte im verarbeitenden Gewerbe 710 Roboter. Damit lag das Land weltweit an der Spitze. Der globale Durchschnitt liegt der Organisation zufolge bei etwa 85 Robotern pro 10 000 Einwohner.

Trotz der Kritik angesichts der drohenden Arbeitsplatzverluste setzt sich die Technik in Südkorea gerade im Einzelhandel immer mehr durch. Die Fast-Food-Kette Lotteria hat in mehr als 800 ihrer 1350 Filialen inzwischen unbemannte Kassen. Kentucky Fried Chicken hat sogar sämtliche Filialen mit entsprechenden Automaten ausgerüstet.

Mit einem Volumen von 5,5 Billionen Won (4,1 Milliarden Euro) zählte die südkoreanische Robotik-Branche 2017 zu den Top Five weltweit - gemeinsam mit denen in China, Japan, USA und Deutschland. In den fünf Ländern werden insgesamt mehr als 70 Prozent der globalen Umsätze mit Robotern generiert. Die Regierung in Seoul strebt an, das Volumen des nationalen Marktes bis 2023 auf 15 Billionen Won zu vergrößern.

Ein weiteres Beispiel für den Trend ist ein neu eröffneter Jeans-Laden in dem lebhaften Seouler Viertel Hongdae. Das „LAB101“ genannte Geschäft kann zu jeder Tages- und Nachtzeit betreten werden. Die Eingangstür lässt sich per Kreditkarte öffnen. Bezahlt wird am Ende über ein digitales Selbstbedienungssystem. Der 29-jährige Kim Kun Woo fühlt sich damit wohl - und scheint das Personal nicht zu vermissen. „Ich kann mich ganz in Ruhe umsehen und Jeans-Hosen anprobieren, so viel ich will, ohne gestört zu werden“, sagt er.

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