Geht es nach Dörte Spengler-Ahrens, Geschäftsführerin Kreation und Partnerin von Jung von Matt/SAGA, sie würde ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am liebsten sofort wieder in den Büroräumen der Werbeagentur in der Hamburger Glashüttenstraße versammeln: „Jedes Kaffeetrinken auf dem Flur in fünf Minuten ist wertvoller als eine Stunde mit 18 Briefmarken-großen Bildern auf einem Computermonitor.“
Allein, es soll nicht sein. Corona wütet, und das hat auch massive Folgen für das Geschäft vieler der laut Creditreform rund 24000 Werbeagenturen und Kommunikationsdienstleister in Deutschland: „Alle Dienstleister hat es eiskalt erwischt“, sagt die vielfach ausgezeichnete Kreative im Podcast „Chefgspräch“ mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli. „Wir hängen ja immer an der Wirtschaft“, sagt Spengler-Ahrens, „wenn dort das Licht ausgeht, geht es auch bei uns aus.“
Unternehmen drücken die Stopptaste
Viele Unternehmen, berichtet die Präsidentin der Kreativen-Vereinigung Art Director‘s Club (ADC), hätten angesichts der Pandemie und der weitgehenden Schließung des öffentlichen Lebens, von Geschäften und Schulen, auch bei ihren Werbeausgaben „die Stopptaste gedrückt“. Kommunikation, sagt Spengler-Ahrens, sei „in der Verteilung ihrer Prioritäten nicht mehr so wichtig“ gewesen.
eutlich ablesen lässt sich der Sparkurs an den gesunkenen Ausgaben für Werbung im vergangenen Jahr. Nach Erkenntnissen des Marktforschungsunternehmens Nielsen sanken 2020 in Deutschland die Werbeinvestitionen der Unternehmen um 4,4 Prozent auf 34,2 Milliarden Euro brutto, also vor Abzug von Rabatten. Zwar herrscht in der Branche weitgehend Einigkeit darüber, dass der Rückgang glimpflicher ausgefallen ist als ursprünglich befürchtet; Konsumklima und Konjunktur zeigten sich robuster als zunächst angenommen. Vor allem die vergleichsweise normalen Sommermonate hatten daran großen Anteil.
Big Spender Procter
Richtung Jahresende steigerten viele Unternehmen ihre Ausgaben für Werbung wieder. Der Chef des Verbands der Mediaagenturen OMG, Klaus-Peter Schulz, hatte noch vor dem Schlussquartal gesagt, die Einbuchungssituation sei „lange nicht so schlecht wie im Frühjahr“, die Agenturen hätten berichtet, für das vierte Quartal sehe es „recht gut aus“. Tatsächlich stiegen den Nielsen-Zahlen zufolge im Dezember die Bruttoausgaben der Unternehmen für Werbung um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, obwohl die Läden im Lockdown schließen mussten.
Einige Unternehmen gaben 2020 insgesamt sogar deutlich mehr Geld aus als im Vorjahr. Allen voran der Konsumgüterriese Procter & Gamble, der in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres 1,2 Milliarden Euro in Werbemaßnahmen pumpte – fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein im November gab der Hersteller von „Charmin“-Toilettenpapier, Lenor und Meister Proper 171 Millionen Euro für Reklame aus.
Allerdings gilt das nicht flächendeckend – zu spüren bekamen das auch die Werbeagenturen, auch der Sparkurs vieler Firmen brachte viele in Existenznot. Laut Fachmedien meldete etwa die Nürnberger Agenturgruppe Vertikom, die in einem Ranking des Magazins „w&v“ 2018 noch auf Platz vier der inhabergeführten Agenturen rangierte, Insolvenz an. Auch die Agentur Quint aus Freiburg musste im Sommer 2020 Insolvenz anmelden.
Übernahmen und Fusionen
Einer Umfrage des Gesamtverbands der Kommunikationsagenturen GWA zufolge rechnen mehr als 90 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen damit, dass die Coronakrise zu Insolvenzen in der Agenturbranche führt. Mehr als 80 Prozent gehen davon aus, dass es infolge der Pandemie zu mehr Übernahmen und Fusionen im Agenturmarkt kommen wird. Allerdings hatten an der Umfrage weniger als die Hälfte der mehr als 120 GWA-Mitglieder teilgenommen.
Von diesen melden 60 Prozent Umsatzrückgänge. Im April allerdings hatten viele die Lage noch schwärzer gesehen – da hatten noch 80 Prozent sinkende Erträge befürchtet. Ein Drittel der befragten Agenturen ging laut GWA inzwischen wieder von einem Umsatzwachstum aus – im April waren nur sieben Prozent so optimistisch.
Mit Blick auf das neue Jahr rechnet immerhin die Hälfte der befragten GWA-Agenturen wieder mit Wachstum. Und auch Werbemanagerin Spengler-Ahrens hofft auf die neue Normalität – und die Rückkehr der Kreativen in die Büros: „Die kulturellen Bestandteile, die eine Agentur ausmachen – das Chaos, die Betriebsamkeit, dieser Bienenstock, all das, was den Charme dieser Arbeit ausmacht“ fehle ihr. Hinzu komme, dass das Gemeinschaftsgefühl „brösele“.
Und auch wenn Zoom, Teams und Co. mittlerweile inzwischen in gefühlt jeder zweiten deutschen Küche laufen: „Einer redet immer“, sagt die Kreative, „und der Rest, der vielleicht einen wertvollen Beitrag gehabt hätte, liest seine Mails oder geht den Hamster füttern – das ist nicht gut.“
Mehr zum Thema: Bei den Werbern herrscht das „Machobusiness“, sagt Dörte Spengler-Ahrens. Die Präsidentin des Art Directors Club erzählt im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgegespräch“, wie Agenturen durch die Krise kommen und was ihre schlimmste Erfahrung mit einem Mann im Job war.