Werbesprech

Das große Marken-Versagen

Die Aufgabe von Marketing und Werbung ist es, Marken Bedeutung zu geben und den Absatz zu fördern. Wenn jedoch immer mehr Verbrauchern die Marken gleichgültig werden, hat die Branche versagt. Sie muss neue Wege gehen. Oder einfach die alten.

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Das sind Deutschlands wertvollste Marken
Alkoholfreie GetränkeGerolsteiner belegt im Markenranking des Meinungsforschungsinstituts YouGov Deutschland in der Kategorie „alkoholfreie Getränke“ den ersten Rang. Platz 2: Erdinger alkoholfrei, Platz 3: Selters, Platz 4: Apollinaris und Platz 5: Schweppes. Quelle: imago images
Die Badische Staatsbrauerei Rothaus stellt das legendäre Bier „Tannenzäpfle“ her. Quelle: dpa
Tchibo Quelle: dpa
Dr.-Oetker Quelle: dpa
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Ritter Sport Quelle: dpa
Nordsee Quelle: dpa

Drei Viertel aller Marken sind den Endverbrauchern völlig gleichgültig. Sie sind schlichtweg überflüssig. In einer weltweit von der Agenturgruppe Havas durchgeführten Studie gaben die Befragten an, dass es ihnen egal wäre, wenn 74 Prozent aller Marken vom Markt verschwinden würden. Da dürften den Marketingentscheidern und Agenturen in aller Welt ihre Werbekampagnen im Hals stecken bleiben.

„Marken“, schreibt das Werbefachblatt Horizont, „geben Orientierung. Sie übernehmen Verantwortung. Sie liefern wichtigen Content. Die Aussagen, die auf vielen Branchenveranstaltungen gebetsmühlenartig wiederholt werden, ließen sich mühelos fortsetzen. Marken, so die Botschaft, sind für Konsumenten wichtig. Die Kunden sehen das allerdings etwas anders.“ Dieses alarmierende Zeugnis ist eine schallende Ohrfeige für jeden, der in Marketing und Werbung arbeitet.

Alle zwei Jahre führt Havas die Studie namens „Meaningful Brands“ durch. Befragt werden 300.000 Konsumenten in 33 Ländern zur Bedeutung von 1500 Marken. In der soeben vorgelegten Studie für 2017 geben die Verbraucher zu Protokoll, dass sie drei Viertel aller Marken nicht vermissen würden. 2011 lag der Wert noch bei 70 Prozent, 2013 schon bei 73 Prozent. Das heißt, dass die Markenignoranz nicht nur hoch ist, sondern sogar steigt.

Welchen Marken die Deutschen am meisten vertrauen

Angeführt wird das weltweite Ranking von Google, gefolgt von PayPal und WhatsApp. Während es Kontrahent Facebook nicht unter die ersten zehn Plätze schafft, finden sich dort immerhin mit Mercedes-Benz und Nivea zwei deutsche Marken, die auf ihren Rangplatz stolz sein dürfen. In Deutschland sind die fünf sinnstiftendsten Marken DM, Mercedes-Benz, Audi, Lufthansa und BMW. WhatsApp platzieren die deutschen Verbraucher auf einen starken neunten Rang, während sich Nivea hierzulande mit dem 13. Platz begnügen muss. Insgesamt bleibt das Ergebnis jedoch mehr als frustrierend.

Marken nichts weiter als notwendiges Übel

Zu dem Schluss, dass den Endverbrauchern die meisten Marken gleichgültig sind, kommt auch der australische Professor Byron Sharp in seinem vielbeachteten Buch „How Brands Grow“. Er beschreibt darin, dass die überwiegende Mehrheit der Konsumenten äußerst seltene Käufer einzelner Marken sind und sich die angebliche Markenloyalität als Marketing-Mär erweist. Marken, schreibt er, sind für die meisten Endverbraucher nichts weiter als ein „notwendiges Übel“.

Wie sei es auch anders zu erklären, dass wir im Supermarkt innerhalb von Minuten unseren Einkaufswagen bis zum Rand füllen, ohne dabei vor jedem Regal stehenzubleiben und unsere Einkaufsentscheidung Marke für Marke zu überprüfen. Tatsache ist, die meisten Marken unterscheiden sich in den Augen der Verbraucher in keinster Weise - und Werbekampagnen, die uns die Unterschiede der Marken vermitteln, sucht man wie die berühmte Nadel im Heuhaufen.

Das Marketing hat offenbar gänzlich verlernt, Marken zu positionieren und zu differenzieren. Für die Endverbraucher sind die zahlreichen Marken in jeder Kategorie ein einziger Brei und - wie uns nun erneut vorgeführt wird - überflüssig. Da nimmt es nicht Wunder, dass sich die Kunden einfach am Preis orientieren.

Lautstark beklagt Unilever den Preiskampf als „Brandrodung im Supermarkt“. Ulli Gritzuhn, für Deutschland, Österreich und die Schweiz verantwortlich, kritisiert, dass die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel weiter zunehme und der Preis zum einzigen Differenzierungsmerkmal geworden sei: „Dadurch wird ein enormer Wert verbrannt“. Damit hat er gewiss recht, dennoch beleuchtet Unilever damit nur eine Seite der Medaille. Die andere ist dem Kunden zu erläutern, warum er für hochwertige Marken mehr bezahlen soll. Das ist die Aufgabe von Marketing und Werbung.

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