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Wo bleibt der Wumms des Konjunkturpakets? Quelle: imago images

Werber, wo bleibt euer Wumms?

Die Regierung hat ein Konjunkturprogramm aufgesetzt, das Seinesgleichen sucht. Darin enthalten ist eine spürbare Senkung der Mehrwertsteuer. Doch die Werbebranche spielt nicht mit.

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Die Konjunktur liegt, nachdem die Bundesländer erste Lockerungen nach der Hochphase der Coronakrise verkünden, nach wie vor am Boden. Die Bundesregierung setzt nun ein Programm auf, das die Wirtschaft nachhaltig wiederbeleben soll. Insbesondere die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer ab dem 1. Juli soll die Verbraucher wieder an die Kassen des Einzelhandels führen.
Geht es darum, den Verkauf von Gütern jeder Art anzukurbeln, fällt einem spontan ein Instrument ein, das sich seit zweihundert Jahren bestens bewährt: die Werbung.

Doch die Werbebranche ist wie erstarrt. 60 Prozent der Werbungtreibenden haben ihre Werbung seit Ausbruch des Coronavirus im März ganz oder teilweise eingestellt. Erste Prognosen großer Medienhäuser wie ProSiebenSat.1 rechnen auch im Sommer noch nicht mit einer Wiederaufnahme der Kampagnen.

Wie schlecht es um die Werbebranche steht, ist dem jüngsten Bericht des ZAW (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft) zu entnehmen. Die Experten rechnen, aufs gesamte Jahr betrachtet, mit einem Rückgang der Werbeinvestitionen von zehn bis 20 Prozent. Das hat die Branche, selbst während der Finanzkrise 2008, noch nicht erlebt.

Besorgniserregender Stillstand

Im Bericht des ZAW heißt es: „Die Viruspandemie hat weltweit und auch in Deutschland eine nie da gewesene Situation geschaffen. Die Werbewirtschaft ist von den schlechten Konjunkturdaten und den Maßnahmen gegen Covid19 in besonderer Weise betroffen: Von den Werbeträgern, die der ZAW jährlich erfasst und ausweist, mussten zunächst zwei einen Komplettstillstand vermelden – Kino und Sponsoring. Die anderen Werbeträger sind bislang unterschiedlich stark, durchweg aber besorgniserregend von der Covid19-Krise beeinträchtigt.

Für den Monat März gab es nach ZAW-Informationen bereits Werbereduktionen zwischen 30 bis 80 Prozent je nach Werbeträger und Segment, im April war ein Rückgang der Werbung von mindestens rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu verzeichnen.“ Aus manchen Medienhäusern hört man hinter vorgehaltener Hand gar von Umsatzrückgängen von bis zu 50 Prozent für das gesamte Jahr.

Wer nach den Ankündigungen der Regierung nun mit einem Werbe-Feuerwerk zur Ankurbelung der Umsätze rechnete, sieht sich bitter enttäuscht. Lidl verkündete Anfang Juni immerhin bei Twitter: „#Lidl gibt die #Mehrwertsteuersenkung im #Konjunkturpaket an seine Kunden weiter und begrüßt die Entscheidung der Koalition, die #Verbraucher auch beim täglichen Lebensmitteleinkauf zu entlasten. #Wumms“. Nach Berichten der „Lebensmittel Zeitung“ kommen Aldi, Kaufland, Netto und Rossmann ihren Kunden ebenfalls entgegen.

Doch was genau bedeutet das für den Verbraucher beim Einkauf im Lebensmitteleinzelhandel? Wer dort für 100 Euro einkauft, spart 2,50 Euro. Bei einer durchschnittlichen Bonhöhe von unter 15 Euro liegt die Ersparnis also bei 35 Cent. Da dürfte wohl jedes der alltäglichen Sonderangebote die Verbraucher zu mehr Umsatz bewegen.

Ein neues Smartphone oder Möbelstück für 499 Euro führt zu einer Ersparnis von 12,50 Euro, ein Fernseher für 1099 Euro wäre 27 Euro günstiger. Wirklich lohnen wird sich die Mehrwertsteuersenkung erst beim Preis für einen Neuwagen in der Größenordnung ab 50.000 Euro. Ohnehin neigen viele Verbraucher derzeit dazu, ihre geschmälerte Kaufkraft in von Kurzarbeit und wirtschaftlicher Unsicherheit geprägten Zeiten beisammenzuhalten.

Mehr als zwei Drittel der Verbraucher planen nicht, durch das Konjunkturpaket in nächster Zeit wieder mehr Geld in die Hand zu nehmen. Wahre Kauffreude wird die Senkung also kaum auslösen können. Gabor Steingart nennt das Konjunkturpaket daher „Die große Verpuffung„.

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