Werbesprech
Quelle: imago images

Werbung wirkt. Manchmal. Aber wann und warum?

In diesen Tagen werden die „Effie“-Awards für die effizientesten Werbekampagnen des Jahres verliehen. Lehren uns die Preisträger das Geheimnis erfolgreicher Werbung? Ein Blick hinter die Kulissen.

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Wenn es nach der hinlänglich bekannten Pareto-Regel geht, dürften nicht mehr als 20 Prozent aller Werbekampagnen 80 Prozent der möglichen Wirkung auf sich ziehen. Fragt man Marketingverantwortliche und Agenturen nach dem Erfolg ihrer Kampagnen, behaupten sie, alle seien von Erfolg gekrönt, was somit nichts weiter als eine Selbstlüge ist. Wenigstens aber müsste es Ziel des Marketings sein, zur 20%-igen Minderheit der tatsächlich effektiven Kampagnen zu zählen. Das aber ist bei allgemein sinkender Werbewirkung eine größere Herausforderung als je zuvor.

Geht es nach der britischen Kreativ-Legende Dave Trott, werden sogar nur 4 Prozent aller Werbekampagnen überhaupt positiv von den Konsumenten erinnert. Das kommt der Wahrheit schon näher, angesichts von 10.000 Werbebotschaften, mit denen sich die Verbraucher tagtäglich konfrontiert sehen. Damit erscheint die Herausforderung für Marketingchefs und Werber in einem ganz anderen, noch trüberen Licht.

Der 4-Prozent-Club

Um diese vier Prozent der herausragenden Werbekampagnen geht es alljährlich bei der Verleihung der „Effie-Awards“ durch den GWA Gesamtverband Kommunikationsagenturen. Begehrt ist der Preis schon deshalb, weil es im Gegensatz zu anderen Kreativ-Awards ausschließlich um effiziente Markenkommunikation geht, bei der die Einreicherinnen den Erfolg ihrer Kampagne nachweisen und somit den „Wertbeitrag der Werbung für den Unternehmenserfolg“ zeigen müssen.

Die Preisverleihung der Effie-Awards 2021 findet diesen Donnerstag statt. Da die Preisträger bereits veröffentlicht sind, lohnt schon jetzt ein Blick auf die Bronze-, Silber- und Gold-Gewinner-Liste. Sie soll die Frage beantworten, ob es ein Muster für Werbeerfolg gibt, ein oder mehrere verbindende Elemente für besonders erfolgreiche Werbekampagnen – und was man daraus für die eigene Marketingarbeit lernen kann.

Auch wenn sich die Pareto-Regel nicht aushebeln lässt, könnte man immerhin nachweisen, dass die eigene Kampagne erfolgreich war und man womöglich einen konkurrierenden Aspiranten aus dem Kreis des elitären 4-Prozent-Clubs verdrängen konnte.

Insgesamt wurden in diesem Jahr 27 Bronze-, 18 Silber- und 4 Gold-Awards vergeben und somit 49 Kampagnen prämiert. Einige davon sind spektakulär und verdienen unsere Beachtung und Würdigung.

Bronze für Innovation

Unter den Bronze-Gewinnern findet sich McDonald’s gleich zweifach. Einer davon ist die Kampagne „Yes, we’re open“, die sich Bronze in der Kategorie Media-Innovation verdiente und bereits den Deutschen Mediapreis gewann. Werben & Verkaufen schrieb dazu: „Indem Smartphones und Smart-TVs im selben WLAN identifiziert wurden, konnten McDonald’s-Bestandskunden auf ihren TV-Screens angesprochen werden. Auf diese Weise haben die Stammkunden auch mitten im Covid-19-Lockdown gewusst: Der McDrive ist geöffnet und der McDrive ist sicher.“

Ebenfalls Bronze ging an Mercedes/smart für die #AllElectricNow-Kampagne. Der Film „zeigt ein Tanzbattle über den Dächern Berlins. Der Case kann mit mehr als 200.000 User generierten Videos und einem Brand Lift von 8,5 Prozent wahrlich beeindruckende Zahlen vorweisen.“

Silber für Engagement

Auch bei den Effies in Silber gibt es einen Doppelsieger: Hornbach für „Es scheint unmöglich. Bis Du es machst“ und „Artenvielfalt beginnt in Deinem Garten“, über die Horizont schrieb: „Spaß im Garten, das inszeniert die Frühjahrskampagne von Hornbach besonders lustvoll. Der Auftritt ‚Artenvielfalt beginnt in Deinem Garten‘ kommt direkt zum Punkt und zeigt mit kopulierenden Insekten, wie diese Artenvielfalt konkret entsteht. Die Botschaft hinter der von Heimat kreierten Kampagne ist dennoch eine ernsthafte. Die Hornbach-Kunden sollen dazu inspiriert werden, dass man einen Garten erschaffen kann, in dem sich auch Insekten wohlfühlen und vergnügen. Hornbach hat sich das Ziel gesetzt, mit umweltfreundlichen Produkten Alternativen für naturnahes Gärtnern anzubieten und zu zeigen, was heute schon möglich ist.“

Ebenfalls Silber geht an Rewe für die erneut durchgeführte Aktion „Scheine für Vereine“, bei der die Rewe-Kunden für ein Rekordergebnis sorgten. Presseportal lobt die Aktion: „Es ist willkommene Unterstützung in schwierigen Zeiten: Die zweite Auflage der Rewe-Aktion ‚Scheine für Vereine‘ ist mit einem Rekordergebnis zu Ende gegangen. Über 20.000 Amateur-Sportvereine haben sich aktiv beteiligt. Sie lösten über 60 Millionen Vereinsscheine für über 93.000 Prämien ein, die sie bei Arbeit und Training in den Vereinen unterstützen. Alle Prämien zusammen haben ein Wert von über 18 Millionen Euro.“

Gold für spektakuläre Erfolge

Von den nur vier Gold-Prämierten schauen wir uns ebenfalls zwei genauer an. Zunächst die von Grabarz & Partner entwickelte „Indeed, nicht Ingrid“- Kampagne für das Jobportal Indeed. Die Agentur schreibt auf ihrer LinkedIn-Seite stolz: „Sie hat Liebeserklärungen, Autogrammwünsche und diverse Internet-Memes bekommen. Jobs an zig Suchende vermittelt. Eine Fußballmannschaft unterstützt und am Ende mit außerordentlichen Zahlen in den Kategorien Awareness, Consideration und Brand of Choice die Jury des Effie überzeugt.“ Die Indeed-Kampagne hat etwas äußerst Seltenes erreicht. Sie steigerte nicht nur den Bekanntheitsgrad und Erfolg des Portals binnen kürzester Zeit, sondern auch die Freude an ihr: Jeder Werbeblock, zugemüllt mit bisweilen unzumutbaren Werbespots, gewinnt, sobald Ingrid darin auftritt. Die TV-Sender müssten sich um dieses kreative Werk förmlich bewerben müssen.

Nicht minder exzellent ist die Arbeit von Leagas Delaney für Gustavo Gusto. Um diese Kampagne kam die Effie-Jury nicht herum, da sie den Newcomer im Pizza-Tiefkühlregal von Null zum Marktführer unter den Premium-Pizzamarken machte und dabei den Branchenprimus Dr. Oetker galant vom Thron stieß.

Die Marke glänzte mit spektakulären Aktionen. Während des Lockdowns forderte sie ihre Käufer auf: „Esst weniger Tiefkühlpizza!“ und bat sie, auch die Lieblingspizzeria zu unterstützen. Sie beantwortete damit gleichzeitig die Frage, ob eine Tiefkühlpizza Haltung an den Tag legen kann. Mit Erfolg: Gustavo Gusto („Der charmante Herausforderer“) ist zweimal von Financial Times zur wachstumsstärksten Food-Marke Europas gekürt worden.

Für das nächste Jahr gibt es bereits Anwärter auf den begehrten Effie. Zum Beispiel Lidl, die aktuell einen legendären Coca-Cola-Spot mit Manuel Neuer imitieren und darin Ralf Moeller für vegane Burger werben lassen. Aber warten wir ab. Die Konkurrenz wird auch im nächsten Jahr hoffentlich groß sein.

Fazit: Das Geheimnis erfolgreicher Werbung

Das Fazit ist erfreulich. Es gibt sie: Werbekampagnen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind und sogar dem Publikum Freude bereiten. Aber eben nicht sogar. Sie sind erfolgreich, weil sie erfreuen. Um den Thron erfolgreicher Werbung zu besteigen, braucht es auf Seiten der Kampagnenmacher und Werbungtreibenden, die außergewöhnliche Kampagnen erkennen und zulassen, neben Mut eine gehörige Portion Empathie gegenüber Verbrauchern und Kunden.

Wer Werbung nicht liebt und nicht ganzes Engagement für die Marke und sein Handwerk einbringt, kann solche Kampagnen nicht erschaffen. Und es braucht natürlich Kreativität. „Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.“

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Was alle prämierten Kampagnen auszeichnet, ist Empathie, eine außergewöhnliche Kreativität und eine „Nützlichkeit“, die sie einzigartig werden lässt. Werbekampagnen, die keinen einzigartigen Nutzen stiften, haben es nicht verdient, das Licht der Welt zu erblicken. Sie werden stets zur Mehrzahl aller Kampagnen gehören, die nicht wahrgenommen werden. Danke Effie, für die Erinnerung daran.

Mehr zum Thema: Mediaberater Thomas Koch widmet sich in seiner Kolumne Werbesprech dem Werbe- und Kommunikationsmarkt. Lesen Sie hier die vergangenen Kolumnen.

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