Werner knallhart
Quelle: imago images

Apropos Rechtsstaat: Verlangen wir künftig Kassenbons!

Der Rechtsstaat soll nun also stärker an der deutschen Grenze verteidigt werden. Aber wie wäre es, wenn wir uns auch in unserem schönen Land stärker für geltendes Recht engagieren - schon im Kleinen: etwa beim Bezahlen in der Bar oder beim Kassieren im Café.

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„Ich helfe dir. Du hilfst mir.“ Mit diesem Spruch beginnt Korruption. Eine Hand wäscht die andere. Und Opfer ist die Gemeinschaft.

Ein Kollege erzählte mir einst, wie das in Ländern wie Sambia läuft: Sein Visum war am Vortag abgelaufen, wovon er nichts wusste, wahrscheinlich hatte er sich schlicht um 24 Stunden vertan, und als er das Land verlassen wollte, sprach der Zollbeamte am Flughafen ihn bei der Passkontrolle darauf an: „Das Visum müssen Sie aber erst verlängern lassen. Wann geht Ihr Flug?“

„In zwei Stunden.“

„Oh, das wird knapp“, sagte der Beamte mit unheilvoller Miene, „ sowas dauert hier in unserem Land.“

„Ich muss aber unbedingt meinen Flug nach Frankfurt kriegen.“

Der Mann lächelte milde: „Wir könnten das natürlich aber auch hier erledigen.“

„Ach, Gott sei dank.“

„Das kostet aber hundert Dollar.“

„Hundert? So viel habe ich gerade gar nicht dabei.“

„Wie viel haben Sie denn?“

Mein Kollege zählte nach: „Knapp vierzig Dollar.“

Der Blick des Zöllners haftete fest auf den Banknoten: „Na gut, dann schieben Sie eben alles zu mir durch, was Sie da haben.“

„Oh, ich verstehe.“

„Ja, ihr Europäer braucht gar nicht immer so entsetzt zu gucken. Vergessen Sie nicht: Sie helfen mir, ich helfe Ihnen.“

Das war in Sambia. Ich kenne das aber ganz ähnlich aus Berlin. Aufgefallen war es mir zum ersten Mal in einem italienischen Restaurant in Schöneberg. Als ich am Ende um eine Quittung bat, legte mir der Kellner eine hin: „Hier, prego, Ihre Quittung wäre ja eigentlich nur über 75 Euro gewesen, aber ich habe hier eine über 120 Euro. Da können Sie mehr absetzen. Ciao.“

Ich musste ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben beim Blick auf diese Quittung, denn meine Begleitung raunte mir über den kleinen Tisch mit rot-weiß kartierter Tischdecke hinweg zu: „Dir ist schon klar, was das sollte, oder?“
„Wie?“
„Die haben unser Essen gar nicht in der Kasse registriert. Steuerhinterziehung. Und mit der Quittung eines anderen Tisches mit dem höheren Betrag wollen die uns anstiften mitzumachen.“

Ich helfe dir, du hilfst mir. Das gibt es auch in Deutschland. Nicht nur beim Italiener. Falsch genutzte Kassen in Supermärkten, Gaststätten und Tankstellen kosten uns alle jedes Jahr mehrere Milliarden Euro. Flöten gegangene Steuergelder. Weniger renovierte Schulen und weniger Highspeed-Internet und mehr Schlaglöcher.

Der Witz ist: Oft helfen wir beim Steuerschmu, ohne es zu wissen und ohne auch nur einen Hauch selber davon zu profitieren (was es anders herum allerdings nicht ehrenhafter machen würde). Denn: Was gar nicht erst in der Kasse registriert wird, braucht auch nicht in der Kasse manipuliert zu werden. Selbst die sicherste zertifizierte Kasse, die Ende des Jahrzehnts Pflicht wird, kann nicht erahnen, was ihr vorenthalten wird. Und wir als Kunden bemerken es oft auch nicht.

Mittlerweile können die Behörden zwar auch spontan vorbeikommen und einen Kassensturz verlangen, um zu sehen, ob mehr Bargeld in der Kasse liegt, als registriert wurde. Aber das sind eben Stichproben.

Das bedeutet nicht, dass jeder Geschäftsmann und jede Geschäftsfrau diese Chance nutzt, am Finanzamt vorbei und damit an der Gemeinschaft vorbei zu wirtschaften. Im Gegenteil. Ich sage ausdrücklich: Ich unterstelle es nicht jedem! Aber Betuppen wäre eben möglich.

Quittung verlangen sollte gute Handelstradition werden

Das geht etwa immer dort, wo Waren und Dienstleistungen nicht nachzählbar registriert sind. Die Kugel Eis am Fenster, der Kaffee aus der Kanne, die Pommes an der Würstchenbude, der Haarschnitt. Achten Sie mal drauf, wie oft keine elektronische Registrierkasse im Spiel ist, selbst dann, wenn dort eine steht. Und fragen Sie sich mal, warum so unangenehm oft keine Kartenzahlung möglich ist. Manchmal liegt es tatsächlich daran, dass die dann resistierte Bezahlung Steuerbetrug gefährlich macht (oft allerdings auch daran, dass die Dienstleister die Buchungskosten sparen wollen. In beiden Fällen schlechter Kundenservice).

Ich habe das jüngst bei einem Selbstbedienungscafé erlebt: Die aufwändigen Bestellungen der Gäste vor mir in der Schlange mit Sandwiches und Kuchen wurden fein säuberlich in die Kasse getippt. Dann kam ich mit meinem schnöden Café creme. Der Kassierer öffnete die Kassenlade per Knopfdruck, sagte „3 Euro“ und warf die Münzen hinein. Zack zu. Von diesem Café creme würde kein Finanzamt der Welt je Wind bekommen, es sei denn, es käme zu einem Kassensturz vorbei. Ich muss Ihnen sagen: Sowas ärgert mich. Ich sagte: „Kann ich bitte eine Quittung haben?“

„Na klar.“ Der freundliche Mann tippte meinen Kaffee ein und die Quittung surrte oben raus. Uns allen zuliebe.

Ein Taxifahrer moserte mir vor einiger Zeit vor: „Mann, die Strecke ist sowat von kurz, da sagen wa aber pauschal zehn Euro. Da mach ick den Taxameter jar nicht erst an.“

Ich sach: „Ich zahle das, was am Ende auf dem Zähler steht. Und ich möchte eine Quittung.“ Ich habe ja Verständnis für die Nöte der Taxifahrer. Aber wenn Steuerhinterziehung schon mit einer solchen Selbstsicherheit im Bunde mit dem Kunden eingefädelt werden soll, dann kriege ich Angst.

Aber während in Griechenland die Behörden etwa die Gäste von Restaurants auffordern: „Verlangen Sie eine Quittung“ (was mitunter zu langen Diskussionen beim Bezahlen führt), habe ich solch einen Aufruf in Deutschland noch nie gehört. Im Gegenteil: Wer hier für mehr Klarheit und Fairness ist, gilt als Spießer, der nach dem Polizeistaat ruft.

Quittung verlangen. Das sollte gute Handelstradition werden. Seien wir nette Kunden aber verbünden wir uns mit dem Staat. Denn der Staat sind dank Demokratie ja wir. Und das Recht auf eine Quittung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch verbrieft (§368 BGB). Quittung dann mitnehmen und einfach entsorgen.

Auf meinem Lieblingswochenmarkt hat meine Marktfrau mit Kopftuch und rustikalen Fingernägeln trotz ihrer Bodenständigkeit immer einen Hochglanzkassenbon parat. Für alle Kunden. Nachfragen unnötig. Viele Händler registrieren sogar unbemerkt und drucken einfach nur deshalb keinen Bon aus, weil ihn eh keiner mitnehmen will. Alles gut.

Aber: Noch gibt es eine Menge Möglichkeiten für schwarze Schafe, Kassen zu manipulieren oder so zu nutzen, dass etwa ein Teil der Buchungen wieder storniert werden kann oder als „Übungsbuchungen für den Azubi“ rausfallen. Das soll alles immer besser werden. Dank neuer Vorschriften zu sicheren Kassen. Aber wir als Kunden können jetzt schon unseren Beitrag leisten. Quittung verlangen und mitnehmen. Und damit klarmachen: Ich bin auf der Seite des Rechtsstaats. Auch im Kleinen. Denn das läppert sich.

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