In mehr als 100 deutschen Städten werden E-Scooter inzwischen angeboten. Einerseits freuten sich im vergangenen Jahr rund zehn Millionen Menschen über die Möglichkeit, die elektrischen Tretroller fahren zu können. Andererseits sorgen E-Scooter immer wieder für Probleme – und für juristischen Streit.
Nach der Legalisierung des Verleihs im Sommer 2019 boomte das Geschäft zunächst – unreguliert. Inzwischen reagieren immer mehr Städte mit Sondernutzungsgebühren und begrenzen die Anzahl der Scooter oder Anbieter im Stadtgebiet.
Eine WiWo-Umfrage unter zehn großen deutschen Städten zeigt aber: Es gibt deutliche regionale Unterschiede im Umgang mit E-Scootern. Alle wichtigen Fragen und Antworten im Überblick: Das denken die Verkehrsplaner in Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart, Dresden, Leipzig und Nürnberg über die aktuelle E-Scooter-Lage.
Welche E-Scooter-Bilanz ziehen die Städte nach dreieinhalb Jahren?
Das Zwischenfazit der Städte fällt gemischt aus. Grundsätzlich begrüßen viele Verkehrsplaner, dass die E-Scooter bei der Mobilität „für die erste und die letzte Meile“ unterstützten. Die Stadt Leipzig schreibt: „Die Erfahrungen der Stadt sind dabei grundsätzlich positiv.“ München verweist auf die Einführung von Abstellflächen für E-Scooter, das Fazit dazu sei „durchweg positiv“.
Viele Städte verweisen aber auf die rechtlichen Unklarheiten und aufkommenden Probleme. Das Frankfurter Dezernat für Mobilität und Gesundheit schreibt, es gebe „noch deutlichen Regelungsbedarf auf Bundesebene“. In der Tat gibt es bislang kein einschlägiges Bundesgesetz. Viele rechtliche Fragen wie zu der Möglichkeit, kommunale Gebühren für E-Scooter-Verleiher einzuführen, wurden bislang nur von Gerichten geklärt.
Die Stadt Dresden teilt mit, sie sei „noch nicht zufrieden mit den E-Scooter-Verleihsystemen“. E-Scooter seien mit dem Ziel gestartet, einen Beitrag zu Klimaschutz und Mobilitätswende zu leisten. Jedoch „konnte dieses Ziel bisher nicht erreicht werden“. Die Anbieter konzentrierten sich auf die Innenstadt, „wo bereits ein gutes ÖPNV-Angebot vorherrscht und viele Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad bewältigt werden“. Auch Hamburgs Verkehrsbehörde schreibt, die E-Scooter „müssen ihren Platz in einer nachhaltigen Mobilitätskette erst noch finden“.
Von der zuständigen Senatsverwaltung in Berlin heißt es, „für eine valide Bilanz“ sei es noch zu früh. Die Erfahrungen seien „teils positiv, teils deutlich verbesserungsfähig“. „Der erste eigentliche Stresstest wird die kommende Saison.“
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Welche Probleme sehen die Städte aktuell beim E-Scooter-Verleih?
Alle Städte berichten auf Anfrage von Problemen mit unzulässig abgestellten E-Scootern. Die Berliner Senatsverwaltung schreibt dazu: „Dadurch werden andere Verkehrsteilnehmende häufig behindert, zum Teil auch gefährdet.“ Die Städte Köln und Stuttgart bemängeln wortgleich das „rücksichtslose Abstellen“. Dies belaste insbesondere „Rollstuhlfahrer, ältere und mobilitätseingeschränkte Personen und Kinderwagen“, heißt es aus Dresden.
Berlin hat dagegen im September eine verpflichtende Sondernutzungserlaubnis für die Verleiher eingeführt. Die Situation habe sich dadurch aber nicht ausreichend verbessert, denn „die Behinderungen und Gefährdungen sind nach wie vor massiv“. Deutlich positiver klingt die Bestandsaufnahme aus München: „Im Einzelfall stellen Nutzer*innen E-Tretroller oder auch Fahrräder leider ungünstig ab.“
Zudem kritisieren mehrere Stadtverwaltungen das rechtswidrige Fahren auf Gehwegen, in Fußgängerzonen, auf Straßen entgegen der vorgegebenen Fahrtrichtung oder von mehreren Personen auf einem E-Scooter.
Welche konkreten Ziele haben die Städte beim Ausbau der Infrastruktur für E-Scooter?
Alle Städte schreiben sich den Ausbau der Rad-Infrastruktur auf die Fahne. Davon profitieren auch Scooter-Anbieter, deren Roller auf Fahrradwegen gefahren werden dürfen. Zusätzlich weisen immer mehr Städte Park-Verbotszonen aus und errichten dedizierte Stellplätze für E-Scooter in den Innenstädten.
Berlin etwa will in diesem Jahr allein im Bezirk Mitte bis zu 150 Abstellflächen „an besonders neuralgischen Orten“ errichten. München hat bislang 43 Stellplätze in der Altstadt ausgewiesen, bis 2026 sollen 200 Mobilitätspunkte entstehen, die für alle Sharing-Angebote gelten.
Die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf will bis Mitte des Jahres in der Innenstadt eine „Park-Verbotszone mit 100 Sharing-Stationen“ umsetzen. An Stationen des ÖPNV und anderen wichtigen Orten sollten weitere Sharing-Stationen entstehen. In Nürnberg sind inklusive Peripherie 270 Stellplätze geplant. Auch Leipzig, Stuttgart und Frankfurt bekunden, ein Stationsnetz für E-Scooter ausbauen zu wollen.
Fünf Ideen für die Mobilitätswende
Das Aufreger-Thema „Tempolimit“ wird öffentlich fast ausschließlich mit Bezug auf Autobahnen diskutiert. Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts hingegen bleiben unter dem Radar, obwohl sie starke Fürsprecher haben, vor allem unter den Kommunen. Die im Juli 2021 von den sieben Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründete Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ist inzwischen auf über 850 Mitglieder angewachsen. Neben kleineren und mittelgroßen Kommunen haben sich seit Gründung auch mehrere Großstädte wie Düsseldorf, Frankfurt, Köln, Saarbrücken oder Freiburg der Initiative angeschlossen. Die Bürgermeister fordern den Bund auf, rechtliche Rahmenbedingungen für den großflächigen Einsatz von Tempo-30-Zonen zu schaffen. Nach Ansicht der Initiative würde die Leistungsfähigkeit des Verkehrs durch eine großflächige Einführung nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität der Bewohner hingegen spürbar gesteigert. Auf einigen Hauptverkehrsstraßen soll den Plänen zufolge weiterhin Tempo 50 möglich bleiben.
(Stand: Juli 2023)
In Städten könnten Fahrräder eine taugliche Alternative zu Auto und ÖPNV sein. Spaß macht das Radeln aber in den wenigsten Citys, allein schon wegen Ängsten um die eigene Sicherheit. Die Unfallforscher der Versicherung (UDV) haben vor diesem Hintergrund mehrere Vorschläge entwickelt, den Radverkehr weniger gefährlich zu machen. Darunter findet sich auch die Idee zur besseren Sicherung von Grundstückseinfahrten. Fast jeder fünfte Unfall zwischen einem Radler und einem Pkw spielt sich an den Zufahrten zu Firmengeländen, Tankstellen, Supermarkt-Parkplätzen und Parkhäusern ab. Fast jeder siebte Unfall mit schwerverletzten oder getöteten Radfahrern passiert an einer solchen Grundstückszufahrt. Je nach Frequenz und Lage könnten die Kommunen für die Zufahrten freie Sichtachsen, das Anbringen von Spiegeln oder sogar die Installation einer Ampel vorschreiben.
(Stand: August 2022)
E-Autoprämie und Dienstwagensteuer fördern vor allem elektrische SUV und Premiumlimousinen mit zwei und mehr Tonnen Gesamtgewicht. Kein Geld hingegen gibt es zumindest aus diesen Töpfen für elektrische Leichtfahrzeuge. Die großen Autohersteller ignorieren die Zulassungsklassen L1e bis L7e mit ihren leichten und langsamen, aber effizienten und ressourcensparenden Stromern fast komplett – mit wenigen Ausnahmen wie dem Opel e-Rocks und dem Renault Twizy. Stattdessen tummelt sich dort eine unüberschaubare Vielzahl kleiner Anbieter mit teils exotisch anmutenden Zwei-, Drei- und Vierrädern. Die Micromobile taugen zum Pendeln, zum Einkaufen, zum Sightseeing oder auch zum Warentransport. Der Bundesverband E-Mobilität (BEM) fordert schon seit langem von den unterschiedlichen Bundesregierungen eine finanzielle Förderung sowie die Erhöhung der meist auf 45 km/h begrenzten Geschwindigkeit auf innenstadttauglichere Werte. Bislang allerdings erfolglos.
(Stand: August 2022)
„Der Verkehr leidet in der Hauptsache daran, dass die Berufspendler zwei Mal am Tag alles verstopfen“, sagt Günter Schuh. Der E-Mobilitätspionier und Hochschul-Professor will das Problem mit seinem frisch gegründeten Shuttle-Dienst e.Volution lösen. Der Dienstleister stellt Unternehmen elektrische Mini-Vans mit sieben Sitzen zur Verfügung, die morgens die Belegschaft einsammeln und ihnen während der Fahrt ins Büro mobile Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Deswegen zahlt der Weg bereits aufs Zeitkonto ein, was die Akzeptanz des gemeinschaftlichen Transports erhöhen soll. Verhandlungen mit Großunternehmen laufen bereits, 2024 sollen die ersten Meta-Mobile auf der Straße sein.
(Stand: August 2022)
Neue U- und Straßenbahnen sind teuer und langwierig im Bau. In manchen Anwendungsfällen könnte die Seilbahn eine Alternative sein. Einer Studie der Beratungsgesellschaft PwC zufolge schneiden sie bei Bau und Betrieb besser ab als die schienengebundenen ÖPNV-Lösungen. Die Kosten für Seilbahnsysteme pro Kilometer betragen den Experten zufolge etwa 10 bis 20 Millionen Euro – und liegen damit auf dem Niveau einer Straßenbahnstrecke. Da kein Betriebshof und keine Signal- und Verkehrsleittechnik erforderlich sind, sind die gesamten Investitionskosten im Verkehrsmittelvergleich gering. Zudem ist die Bauzeit von Seilbahnen mit 12 bis 18 Monaten relativ kurz. Dazu kommen der Studie zufolge wirtschaftliche Vorteile im Unterhalt, unter anderem ist der Energieverbrauch nur halb so hoch wie bei schienengebundenen Verkehrsmitteln. Ob Seilbahnen für eine konkrete Anwendung in einer Stadt geeignet sind, lässt sich laut PwC aber nur für den Einzelfall beantworten. Bei der Planung sei unter anderem mit Widerstand in der Bevölkerung zu rechnen, die eine Beeinträchtigung des Stadtbildes befürchten.
(Stand: August 2022)
Wie wollen die Städte die Scooter-Anbieter kontrollieren?
Einige Städte verweisen auf die Kooperation mit der Polizei, um das Verhalten der Anbieter und Nutzer zu kontrollieren. Eine Verwaltung gibt aber ehrlich zu: Für die Kontrolle der Anbieter rund um die Uhr durch die Behörde oder die Polizei fehle es an Personal. „Unsere Kontrollinstanz ist die Bürgerschaft.“ Wenn sich die Bevölkerung mit Problemen an die Behörde wende, könne darüber auch Druck auf die Anbieter ausgeübt werden.
Welche Städte planen eine Ausschreibung oder die Reduzierung der E-Scooter im Stadtgebiet?
In vielen Städten wird die Anzahl der E-Scooter bereits reduziert - oder ein solches Verfahren wird erwogen oder vorbereitet. Aus den Millionenstädten München und Hamburg heißt es jedoch, hier sei keine Ausschreibung für E-Scooter geplant. Hamburg begrenzt zumindest die Flottengröße pro Anbieter auf 1000 E-Scooter. In Leipzig sind nach einem Interessenbekundungsverfahren derzeit zwei Anbieter tätig, derzeit sei „keine Zulassung weiterer Anbieter vorgesehen“.
Ein Interessenbekundungsverfahren plant auch Nürnberg. Die Zahl der E-Scooter solle um mehr als ein Fünftel auf 4000 reduziert werden. Im kommenden Jahr will auch die Stadt Köln ein solches Verfahren durchführen. Auch „eine Mengenbegrenzung im gesamten Stadtgebiet“ sei geplant, schreibt die Behörde.
Schneller geht es in Düsseldorf: Dort werde eine Ausschreibung für ein Vergabeverfahren derzeit vorbereitet, teilt die Stadt mit. Damit einher gehe eine Begrenzung der E-Scooter im Stadtgebiet auf 8400 Roller. In Dresden laufe derzeit ein Verfahren, schreibt die Stadt, anschließend würden maximal drei Anbieter eine Erlaubnis erhalten.
In Frankfurt „soll es eine Ausschreibung geben“, allerdings müsse vorher die nötige Infrastruktur mit Stellplätzen geschaffen werden. Auch Stuttgart plant ein Auswahlverfahren, das jedoch noch vom Gemeinderat beschlossen werden muss.
Und die Hauptstadt Berlin, in der schätzungsweise 50.000 E-Scooter rollen? Man prüfe eine Ausschreibung, insbesondere um die Flottengrößen zu begrenzen, schreibt die Senatsverwaltung.
Wie hoch sind die Sondergebühren für E-Scooter aktuell?
Auch bei den Gebühren gibt es große regionale Unterschiede zwischen den Kommunen. Rund die Hälfte der Städte in Deutschland hat keine solche erlassen, in den übrigen Städten liegen die Gebühren pro Scooter pro Jahr zwischen zwei und 130 Euro.
Keine Gebühren gibt es in Hamburg und München. Auch Leipzig erhebt keine Nutzungsgebühr, für die Erlaubnis falle lediglich eine Verwaltungsgebühr an. In Stuttgart gibt es noch keine Gebühr, diese werde aber zusammen mit der Sondernutzungserlaubnis eingeführt. Gleiches gilt für Nürnberg, wo im Frühling Vertragsverhandlungen mit den Anbietern stattfinden sollen, die ihr Interesse bekundet haben.
Berlin und Düsseldorf unterscheiden zwischen Zentrum und Peripherie: In Berlin fallen seit 1. Januar pro E-Scooter innerhalb des S-Bahn-Rings 36 Euro pro Jahr an, außerhalb des Zentrums entfällt die Gebühr komplett. So solle der Anreiz erhöht werden, die Fahrzeuge auch in weniger frequentierten Bezirken anzubieten. In Düsseldorf liegt die Gebühr bei 30 bis 50 Euro pro Jahr, auch hier ist die Gebühr im Zentrum höher.
Die niedrigsten Gebühren verlangt die Stadt Oldenburg in Niedersachsen mit zwei Euro. In Frankfurt kostet die Sondernutzung derzeit 30 Euro pro Jahr, in Dresden ist die Gebühr abhängig von der Flottengröße.
Die höchste Gebühr erhebt die Domstadt Köln mit 85 bis 130 Euro pro Fahrzeug pro Jahr. Im vergangenen Sommer hatte die Stadt die Gebühr eingeführt, ein Rechtsstreit mit vier Anbietern ist derzeit anhängig.
Sonderfall Köln: Wie steht die Stadt zum Rechtsstreit mit einigen Anbietern?
Unter anderem der Interessenverband „Plattform Shared Mobility“ und Anbieter wie Branchenprimus Tier hatten gegen die Kölner Gebühr geklagt. Diese sei bis zu 13 Mal so hoch wie die Gebühr für ein Leihfahrrad – obwohl beide etwa den gleichen Platz einnehmen.
In der ersten Instanz gab das Verwaltungsgericht Köln jedoch der Stadt recht: Die Höhe der Gebühr sei zulässig, unter anderem, weil E-Scooter sehr viel häufiger unzulässig abgestellt würden und dadurch höhere Kosten verursachten. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Dass die Scooter-Verleiher wahrscheinlich vor das Oberverwaltungsgericht Münster ziehen werden, ist ein offenes Geheimnis.
Die Stadt Köln schreibt auf Anfrage, sie sehe sich in ihrem Vorgehen durch das Urteil bestätigt. Auf die Frage, ob eine außergerichtliche Einigung mit den Anbietern angestrebt werde, um einen langen Rechtsstreit zu verhindern, schreibt die Behörde: Sie werde „zunächst die Rechtsprechung zu diesem Fall abwarten“.
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