Zukunft der Mobilität Maschinen können besser steuern

Bahn-Chef Rüdiger Grube und Google-Deutschlandchef Philipp Justus über die Vorteile selbstfahrender Autos, die Gefahren für die Bahn und behäbige Politik.

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Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Auf dem Dach des Bahntowers am Potsdamer Platz in Berlin treffen wir Bahn-Chef Rüdiger Grube und Google-Deutschland-Chef Philipp Justus zu einer gedanklichen Reise in die Zukunft der Mobilität. In der Hauptstadt weht ein leichter Wind, vielleicht nicht neu, aber kräftig genug, um die Mobilitätsdrohne der Deutschen Bahn in Schwierigkeiten zu bringen. Sie soll starten, aber sagt erst einmal nur in monotoner Wiederholung „keine Batterie“. Irgendwann hat sie sich erholt, und es soll tatsächlich losgehen. Beim Abheben fegt ein Windstoß die Drohne zur Seite, sie schwenkt ungeplant aus und kollidiert Sekunden später mit der Terrassenwand. Nach einem kurzen Moment betroffenen Schweigens nehmen wir das als Hinweis, dass man auch beim Gespräch über die Mobilität der Zukunft auf dem Boden bleiben darf. Es gibt ja auch dort genug zu besprechen.


Herr Grube, der Taxifahrer auf dem Weg hierher hat uns ungefragt berichtet, er habe sich einen Tesla S ­bestellt. Ist Elon Musk der Einzige, der noch wahre ­Begeisterung für Autos entfachen kann?

Grube: Ich kenne Elon Musk aus meinen Zeiten bei Daimler. Er ist ein Mensch mit großen Visionen. Aber Visionen alleine reichen nicht. Man muss mit seinen Produkten auch Geld verdienen.

Herr Justus, zwischen dem Tesla Model S und dem ­kugeligen selbstfahrenden Autoprototyp von Google ­liegen Welten. Wird all das nebeneinander in Zukunft einen Markt finden?
Justus: Wir entwickeln das selbstfahrende Auto seit 2008, dabei verzichten wir im Auto sogar auf Lenkrad und Bremspedale. Das zeigt, dass es völlig unterschiedliche Herangehensweisen in der Lösung von Fragestellungen der Mobilität gibt – die alle ihre Berechtigung haben können.

Anteil pünktlicher Züge der Deutschen Bahn im Personenverkehr

Versetzen wir uns einmal 20 Jahre in die Zukunft. Wie werden wir uns dann fortbewegen?
Justus: Es wird eine Vielfalt von Bewegungsmöglichkeiten geben. Nicht entweder Bahn oder Auto oder Fahrrad. Die Frage wird sein: Wie komme ich am besten, bequemsten, sichersten und schnellsten ans Ziel. Wir werden von Ende zu Ende denken. Verbindungen werden nahtlos.

Grube:Seit einigen Jahren nehmen wir wahr, dass sich unsere Kunden zunehmend für multimodale Lösungen interessieren. Sie informieren sich etwa über unsere Mobilitäts-App Qixxit, welches Verkehrsmittel am besten zu ihrem Reisewunsch passt. Sie wollen künftig aber nicht nur suchen, sondern auch buchen. Die Verkehrsmittel müssen noch intelligenter verknüpft werden.

Und das Geld verdient, wer solche Dienste anbietet ...
Grube: Meine größte Befürchtung ist, dass sich zwischen den Kunden und uns als Bahn eine digitale Plattform zwischenschaltet, die mit uns gar nichts zu tun hat und den Buchungsprozess für unsere Kunden managt. Uns bliebe, salopp gesagt, noch die Rolle des Lohnkutschers. Deshalb arbeiten wir an eigenen Lösungen: Wir entwickeln eine App, mit der Sie suchen und zugleich buchen können – über alle Verkehrsträger hinweg.


Die großen Plattformen wie Uber und Airbnb kommen aus den USA. Warum nicht aus Deutschland?
Justus: Viele Innovationen kommen aus den USA, aber ich mache mir um den deutschen Standort keine Sorgen. Es gibt große Start-ups wie Zalando, Soundcloud und Delivery Hero. Die zeigen, dass es geht. ­Ihre Angebote sind auf Smartphones installiert und werden überall mitgenommen. Somit findet Mobilität auf Endgeräten statt. Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland Trends verschlafen. Es gibt in den USA natürlich ein Umfeld, das über 50 Jahre gewachsen ist. Dazu zählen starke Universitäten und bessere Finanzierungsmöglichkeiten.
Grube: Die Amerikaner waren Deutschland bei der Softwareentwicklung voraus. Aber wir sind aufgewacht. Die Arbeit von Ingenieuren und Softwareentwicklern wächst zusammen. Noch vor zwei Jahren gab es zum Beispiel in Deutschland schlicht zu wenig Wagniskapital. Inzwischen hat Berlin auf diesem Feld London überholt. Aber man muss natürlich wissen, dass das Volumen für Venture Capital im Silicon Valley bei über 20 Milliarden Euro liegt, in Berlin bei ­einem Zehntel.

Anteil pünktlicher Züge der Deutschen Bahn im Personenverkehr

Ein Angstszenario der deutschen Autobauer sieht die Branche als Anhängsel der IT-Konzerne, die das zukünftige Geschäft treiben werden. Realistisch?

Justus: Ich teile diese Angst nicht. Die Autoindustrie braucht Softwarekompetenz, und IT-Konzerne brauchen die Autohersteller. Wir sehen Partnerschaften. Das gilt auch für unser selbstfahrendes Auto. Da steckt viel deutsche Technologie drin, etwa von unseren Partnern wie Bosch, Continental und ZF. Unser Bestreben ist nicht, alles selbst zu können. Auf der anderen Seite kommen Autokonzerne auch auf uns zu.


Aber wer gibt in Zukunft den Takt vor?
Justus: Es geht um Fragen des Zusammenspiels, nicht um den Taktgeber. Hightechkonzerne wie Apple, Microsoft und Google kooperieren an einigen Stellen, an anderen Stellen sind sie Konkurrenten.
Grube: Die Digitalisierung trifft uns bei der Deutschen Bahn enorm. Es gibt keinen Bereich mehr, in dem nicht digitale Projekte realisiert werden. Sie führt zu besserer Qualität, höherer Pünktlichkeit, stabilem Betrieb. Auch das automatisierte Fahren ist deshalb ein großes Projekt bei der Bahn. Die Aufgaben des Lokführers und des Fahrdienstleiters werden in Zukunft immer mehr verschmelzen. Züge könnten dann in ein bis zwei Jahrzehnten aus der Betriebszentrale gesteuert werden.

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