Energie RWE und die Russen

Konzernchef Jürgen Großmann verhandelt mit Gazprom über den Bau von Kraftwerken. Oder wollen die Russen mehr?

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RWE-Chef Jürgen Großmann Quelle: dpa

Selten hatte es bei RWE eine so geheime Mission gegeben. Lange schauten die Manager des Essener Energieriesen zu, wie sich die Gerüchte überschlugen, wo sich Konzernchef Jürgen Großmann angeblich mit Gazprom-Chef Alexey Miller treffen wollte – mal sollte Moskau der Ort der diskreten Zusammenkunft sein, mal Berlin. Schließlich waren es zwei andere Städte – erst Paris, dann Rom.

Es sah nach einem Versteckspiel aus – mit ungewissem Ausgang. Dann kam am vorigen Donnerstag etwas, das wie ein Befreiungsschlag aussah. Mit einem „Memorandum of understanding“, einer Absichtserklärung, sicherten sich nach einem Verhandlungsmarathon in Rom die Spitzen des russischen Energiekonzerns Gazprom und der RWE-Vorstand ein Exklusivrecht zu: Sie wollen über gemeinsame Investitionen beim Bau von Steinkohle- und Gaskraftwerken verhandeln – in Deutschland und Europa.

Drei Monate soll die Frist dauern, in der ausschließlich nur diese beiden mögliche Standorte, Investitionssummen und Mitspracherechte ausloten. Damit ist Großmann im vierten Jahr seiner Amtszeit ein Coup gelungen, der seinen Düsseldorfer Rivalen Johannes Teyssen, Chef des deutschen Platzhirschen E.On, dem RWE-Chef gegenüber alt aussehen lässt. Denn eigentlich wollte Teyssen diese enge Verhandlungsposition mit den Russen, die in ihrem Land über 20 Prozent der Weltgasreserven verfügen, für sich sichern. Großmann war schneller.

Ängste im Aufsichtsrat

Gazprom-Vorstandschef Alexej Quelle: dpa

Limitierte Verhandlungsrechte mit Exklusivcharakter – doch was kommt danach? In die erste Erleichterung in der Essener RWE-Zentrale am Opernplatz über diese bevorzugte Stellung gegenüber den Russen und in eine Portion Schadenfreude darüber, dass Rivale Teyssen von Miller in den vergangenen Tagen immer wieder an der Nase herumgeführt wurde, indem Termine mit E.On kurzfristig von Gazprom storniert wurden, mischten sich bald darauf auch Befürchtungen, ja sogar Ängste bei den kommunalen Aktionären und bei den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, ob sich Großmann in den letzten Monaten seiner Amtszeit bei RWE nicht zu eng an Gazprom bindet. Auf dem Spiele, so die Sorge, stehe womöglich die Allmacht der Kommunen bei RWE, die über 25 Prozent des Aktienkapitals halten und damit den weitaus größten Aktionär repräsentieren.

Großmann bleibt nach bisheriger Planung noch bis Ende September 2012 RWE-Chef. Dann zieht er sich in seine Stahlhütte nach Osnabrück zurück, die er quasi im Nebenberuf noch aus der Ferne leitet. Der Zwei-Meter-Mann hatte schon einmal versucht, den Einfluss der nordrhein-westfälischen Kommunen bei RWE zu beschneiden, indem er eine nationale und eine internationale RWE-Gesellschaft gründen wollte; die internationale sollte ganz frei von kommunalem Einfluss an der Börse platziert werden. Das verhinderten die Kommunen in letzter Minute. Nun droht nach Meinung vieler Kommunarden ein weiterer Machtverfall durch den Gazprom-Coup.

Denn Gazprom-Chef Miller gilt als selbstbewusster, ja auch herrischer Partner, von dem ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erwartet, „dass er die Muskeln spielen lässt“. Der Casus Gazprom und welche Rechte Großmann den Russen bei RWE einräumen will, stehen deshalb auf der Tagesordnung der nächsten außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 8. August. Dort soll über die Strategie des Konzerns nach dem Atomausstieg debattiert werden.

Die Furcht geht um bei kommunalen und Arbeitnehmer-Aufsichtsräten, dass Gazprom weit mehr will als den Bau gemeinsamer Gaskraftwerke in Deutschland oder in den Niederlanden, wo RWE mit der Tochter Essent stark vertreten ist. Gazprom-Chef Miller hatte schon vor zwei Monaten in Prag seine Expansionsgelüste mit Blick auf die problembeladenen deutschen Energieversorger geäußert und Übernahmen von Töchtern oder größeren Aktienpaketen nicht ausgeschlossen.

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