Differenzen bei Regionalförderung Das halten Energiekonzerne von der neuen Kraftwerksstrategie

Wie viel bringt die neue Kraftwerksstrategie? Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Kraftwerksstrategie soll Versorgern Anreize liefern, Gaskraftwerke zu bauen. Können die ein Geschäftsmodell erkennen? Und gelingt so der Kohleausstieg 2030?

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Sie war in den vergangenen Monaten die große Unbekannte in der Energiebranche: Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. Mit Spannung erwartet, und zwar mit so einer Spannung, dass das lange Zögern der Ampel fast schon zu Lähmungserscheinungen führte, zu Attentismus. Im Wortsinn. „Wir können nichts tun, bevor Berlin nicht endlich festlegt, was wir mit Gaskraftwerken verdienen können“, hieß es. Mal wurde geraunt, dass jetzt eine Entscheidung des Triumvirats Scholz, Habeck und Lindner unmittelbar bevorstehe, also wirklich: jetzt sofort. In der nächsten Sekunde wurden Veranstaltungen schon wieder abgesagt, die den Entwurf zur Debatte stellen sollten – weil schlicht noch nichts vorlag.

Grün und blau darf er sein, der Wasserstoff

Jetzt aber: Vier mal 2,5 Gigawatt wasserstofffähige Gaskraftwerke, die bald ausgeschrieben und „systemdienlich“ eingesetzt werden sollen. Die EU-Kommission, so darf gehofft werden, genehmigt fix, und in diesem Sommer noch soll es eine Einigung auf Kapazitätsmärkte geben, die dann ab 2028 umgesetzt werden soll. Kostenpunkt unterm Strich: 15 bis 20 Milliarden Euro. Außerdem sollen die Gaskraftwerke nicht nur mit grünem Wasserstoff laufen dürfen, sondern etwa auch mit blauem. Das sind, in etwa, die Eckpunkte. Können die großen Konzerne damit schon etwas anfangen?

RWE macht mit

RWE gibt sich erfreut und erneuert das von Konzernchef Markus Krebber immer wieder formulierte Interesse, sich an Ausschreibungen zu beteiligen. „Die von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkte gehen in die richtige Richtung: Der Einstieg in einen Kapazitätsmechanismus, der bis 2028 operativ sein soll, ist ein effizienter Weg, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagt ein Sprecher in einem schriftlichen Statement. „Die kurzfristig vorgesehenen Ausschreibungen von 10 Gigawatt wasserstofffähigen Gaskraftwerken ist die richtige Überbrückung. Wichtig sind jedoch die Detailbedingungen und dass die Ausschreibungen so schnell wie möglich erfolgen. Dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren für diese neuen Kraftwerke substanziell beschleunigt werden sollen, ist mit Blick auf den engen Zeitplan zu begrüßen. Ebenso der weitgehende Verzicht auf die teuren Sprinter und Hybrid-Kraftwerke sowie eine teure Vorfestlegung auf die exakte Wasserstoffumstellung.

Schneller schlau: Wasserstoff

RWE plant sich an den Ausschreibungen zu beteiligen.“ RWE hat im Herbst 2022 in einem Deal mit der Bundesregierung und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen beschlossen, bereits 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen.

EnBW dringt auf Regionalförderung

EnBW möchte sogar schon 2028 raus aus der Kohle und treibt den sogenannten „Fuel Switch“, den Umstieg von der Kohle aufs Gas, auch schon an einigen Standorten voran, hat aber als Bedingung für den Schritt auch immer genannt, dass Systemstabilität und Versorgungssicherheit gewährleistet sein müssten. Auch wenn sich viele Punkte erst mit dem Entwurf konkretisieren werden, ist ein wichtiger Schritt zum klimafreundlichen Umbau des Kraftwerkssektors gemacht, der neben dem Ausbau der Erneuerbaren Grundlage für die Versorgungssicherheit in Deutschland ist“, sagt EnBW-Chef Andreas Schell. „Sehr positiv ist, dass eine Festlegung auf einen systemdienlichen Zubau Teil der Verständigung der Bundesregierung ist.” Hintergrund dieses Jubels um die „Systemdienlichkeit“ ist, dass EnBW schon länger auf eine regionale Förderkomponente dringt. Die ist in der Wortwahl der Bundesregierung zumindest angelegt, wenn auch in der Sprache der Beihilfe-Diplomatie verkleidet. „Wir brauchen jetzt schnell Klarheit über die Details und insbesondere darüber, was „systemdienlich“ konkret bedeutet“, sagt dann auch Georg Stamatelopoulos, bei EnBW Chief Operating Officer Nach­haltige Erzeugungsinfrastruktur. „Wir plädieren klar für eine Regionalkomponente, um die Versorgungssicherheit auch im Südwesten zu gewährleisten.“

Keinen Hehl macht der EnBW-Manager daraus, dass er nicht daran glaubt, dass die ausgeschriebenen zehn Gigawatt reichen werden, um die Lücke bei der disponiblen Leistung zu erfüllen, die durch den Kohleausstieg entstehen würde. „Nachbesserungsbedarf sieht die EnBW bei den in den Raum gestellten Auktionsvolumina“, heißt es. „Die zusammen zehn Gigawatt Kapazität, die verauktioniert werden sollen, dürften für eine vorzeitige Umsetzung des Kohleausstiegs bis 2030 nicht ausreichen. Umso wichtiger ist es, dass die Ausschreibungen noch in diesem Jahr starten, da die einzelnen Projekte sechs bis acht Jahre zur Umsetzung benötigen.“  Die Bundesregierung plant, die Ausschreibungen in der zweiten Jahreshälfte zu veröffentlichen.

Und die Leag ist gegen Regionalförderung

Das Geschäft des ostdeutsche Braunkohleverstromers Leag hängt ebenfalls stark an der Strategie. Die Leag will auf den Flächen der Tagebauten in der Lausitz bis 2030 eine grüne „Gigawattfactory“ errichten, Wind- und Solarparks mit einer Kapazität von 7 Gigawatt. Gleichzeitig will sie ihre Braunkohlestandorte nutzen, um dort wasserstofffähige Gaskraftwerke zu bauen. Die Leag begreift die Verkündung am Montag als einen Schritt hin zu Klarheit für Investoren. „Damit wird der Weg geebnet, um zügig die notwendige Klarheit über die politisch gewünschten Investitionen in neue, steuerbare Kapazitäten zu schaffen“, heißt es von der Leag. „Wichtig ist vor allem, dass die weiteren Schritte in der Umsetzung der Kraftwerksstrategie sowohl die Klima- und Versorgungsicherheitsziele, als auch die wirtschaftlichen Anforderungen der Leag als Investor angemessen berücksichtigen“, sagt Chef Thorsten Kramer.

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„Unsere Kernforderungen, insbesondere hinsichtlich der Nutzung bestehender Infrastrukturen und der Ausrichtung auf maximale CO2-Minderung, müssen in der Strategie eine zentrale Rolle spielen.“ Es sei von „zentraler Bedeutung“, dass die Strategie sowohl die klimapolitischen Ziele als auch die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Reviere berücksichtigt. Und die Leag dringt anders als EnBW darauf, dass bestimmte Regionen eben nicht bevorzugt behandelt werden. Hier ist ein klarer Interessenskonflikt zwischen den einzelnen Versorgern zu erkennen. Es gehe, heißt es von der Leag, um eine „Errichtung von H2-ready Kraftwerken an Standorten mit vorhandener Infrastruktur und eine faire Verteilung der Standorte ohne Bevorzugung bestimmter Regionen. Dadurch kann die vorhandene Kraftwerks- und Netzinfrastruktur effizient weitergenutzt werden.“

Uniper zeigt mit dem Daumen nach oben

Uniper-Chef Michael Lewis äußerte sich am Montag sehr positiv. „Wir sind sehr erleichtert, dass die Bundesregierung sich auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Kraftwerksstrategie geeinigt hat“, sagte er. „Sobald wir die Details prüfen konnten, werden wir entscheiden, ob und mit welchen Investitionen wir uns beteiligen.“ Uniper befindet sich seit Ende 2022 in Staatsbesitz – dürfte also ein Stück weit befangen sein.

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Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet ist derzeit in einer interessanten Lage. Seit mehr als einem Jahr wird über einen Verkauf der deutschen Teile des Konzerns im niederländischen Staatsbesitz an die Bundesregierung verhandelt. Berlin würde gerne zugreifen, um den Ausbau der so wichtigen Netzinfrastruktur gezielter und entschlossener vorantreiben zu können. Aber noch gibt es keinen Deal. Auch Tennet-COO Tim Meyerjürgens begrüßt die Einigung im Grundsatz, sagt aber auch: „Die vorgelegte Kraftwerksstrategie lässt noch viele wichtige Fragen offen – Tennet wird jetzt gemeinsam mit den anderen deutschen Übertragungsnetzbetreibern die Strategie insbesondere mit Blick auf die Regionalisierung der Kraftwerksstandorte, die Ausschreibungsmengen, die geplanten Zeiträume der einzelnen Ausschreibungsrunden sowie die ausreichende Berücksichtigung netztechnischer Kriterien vorantreiben.“

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