Energie Jetzt kommt es zum Showdown um den Gasspeicher Rehden

Wer füllt den Erdgasspeicher in Rehden in Niedersachsen? Und vor allem wann? Quelle: REUTERS

Wie? Der berüchtigte Gazprom-Gas-Speicher in Niedersachsen ist immer noch leer? Ja. Aber nun steht der letzte Schritt an, den Russen die Macht über das für Deutschland so wichtige Energielager zu entziehen. Es gibt Anzeichen dafür, dass das schon geschehen ist.

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Rehden. Rehden. Immer wieder Rehden. Kein Name, kein Ort steht so sehr für die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas wie der Porenspeicher tief unten in der niedersächsischen Erde. Als der Speicher der Gazprom-Tochter Astora sich im vergangenen Sommer und Herbst partout nicht füllte, war das ein erstes Warnsignal, ein Vorbote: Achtung, die speichern nicht ein, hier stimmt etwas nicht, Moskau hat etwas vor. Die wollen Deutschland, die wollen Europa kurz halten.

„Die Situation spitzt sich zu“

Das Erstaunliche: Seit drei Monaten ist nun Krieg in der Ukraine. Es sind drei Monate, in denen auch die deutsche Operation Energiefreiheit läuft. Unablässig reist Robert Habeck (Grüne), der Minister für Wirtschaft und Klima – in die USA, nach Norwegen, nach Katar. Er wirbt um Flüssigerdgas, um LNG, legt Gesetze vor, ob für Speicher oder zur Energiesicherung, unterzeichnet Verträge, auch für schwimmende LNG-Terminals.

Aber selbst jetzt, da die Erdgasspeicher in Deutschland im Schnitt zu über 45 Prozent gefüllt sind, ist eines beim Alten geblieben: Rehden, der Speicher aller Speicher, das Symbol, ist immer noch leer, bei knapp zwei Prozent lag der Füllstand Mitte dieser Woche. Mehr noch, vor gut zwei Wochen verbot Wladimir Putin es russischen Firmen – das heißt: Gazprom Export – per Dekret, mit dem Rehden-Betreiber Astora Geschäfte zu machen. „Insgesamt, das muss man sagen“, sagte Robert Habeck kurz danach bei einer Pressekonferenz in Berlin, „spitzt sich die Situation in der Art zu, dass die Ankündigungen, Gas, Öl, Energie als Waffe einzusetzen, sich jetzt an verschiedenen Stellen realisieren.“

Jetzt, vermutlich in den nächsten Tagen, kommt es zum Showdown. Dann dürften Habeck und Müller ihre gesetzlichen Waffen in Anschlag bringen und Gazprom mutmaßlich endgültig aus Rehden vertreiben. Es gibt sogar Anzeichen, dass das schon geschehen ist.

Ein unheilvoller Asset-Tausch im Jahr 2015

Aber der Reihe nach. Rehden, Deutschlands größter Speicher, in dem in etwa ein Fünftel der deutschen Speicherkapazitäten gelagert werden können, gehört seit 2015 vollständig Gazprom. Damals gab es einen so genannten Asset-Swap, einen Gütertausch, zwischen dem deutschen Chemie-Giganten BASF und Gazprom, genehmigt vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Betrieben wird der Porenspeicher von der Firma Astora, einer Tochter von Gazprom Germania. Allerdings hat die Gazprom-Muttergesellschaft Gazprom Export, der russische Monopolist, seit Anfang April keinen Zugriff mehr auf Gazprom Germania und auch nicht auf Astora. Damals unterstellte Robert Habeck die Gazprom Germania und ihre Töchter, das sind mehrere Dutzend, der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur in Bonn und ihrem neuen Chef Klaus Müller, einem Parteifreund Habecks.

Das Problem mit dem niedrigen Füllstand in Rehden löste das allerdings nicht. Denn Speicherbetreiber und Speicherkunden sind rechtlich voneinander getrennt, müssen das sein. Der Speicherbetreiber muss seine Kapazitäten an Dritte verkaufen. Im Fall von Rehden ist der Hauptkunde aber dummerweise Gazprom Export, der Mutterkonzern. Ob der nun die von ihm vertraglich gebuchten Kapazitäten in Rehden wirklich befüllte oder nicht, das musste in St. Petersburg entschieden werden, der Gazprom-Zentrale. Und dort war die Haltung offenbar klar: Wir halten die Deutschen kurz.

Bis zu 90 Prozent müssen die Speicher Anfang Dezember voll sein

Für die deutsche Energiesicherheit ist das ein massives Problem. Denn die Speicher müssen voll sein, wenn Deutschland für den Fall gewappnet sein will, dass das russische Gas im kritischen Winter ausbleibt. Deshalb gibt das vor wenigen Wochen in Kraft getretene Gasspeichergesetz konkrete Füllmengen vor: 80 Prozent Füllstand am 1. Oktober, 90 Prozent am 1. November. Ohne Rehden kann es diese 90 Prozent gar nicht geben, selbst wenn die anderen Speicher komplett gefüllt wären. Der zweite, zusätzliche Weg, um mehr Gas nach Deutschland zu bringen, geht über die schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel. Die, geht es nach Habeck, sollen bis Weihnachten in Betrieb sein.

Allerdings haben Habeck und auch Klaus Müller, der Netzagentur-Chef und Gazprom-Germania-Treuhänder, mittlerweile einige, neue Werkzeuge in der Hand, um das Problem zu lösen. Das Speichergesetz ermöglicht es einem Speicherbetreiber wie Astora, einem Kunden gebuchte Kapazitäten zu entziehen, wenn der absehbar verhindert, dass die gesetzlich festgelegten Füllstände erreicht werden. In einem abgestuften Verfahren können die Kapazitäten dann anderweitig vergeben werden. Zur Not kann dann auch der Marktgebietsverantwortliche, das Ratinger Unternehmen Trading Hub Europe (THE), mit Ausschreibungen einspringen, um die Füllstände zu erreichen. Das wäre Variante eins.

Variante zwei wäre es, Bezug auf das am vergangenen Sonntag in Kraft getretene Energiesicherungsgesetz zu nehmen. Das Gesetz erweitert die Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung im Bereich der Krisenvorsorge, vor allem dann, wenn die Versorgungssicherheit absehbar in Gefahr gerät. Es wird derzeit vor allem im Zusammenhang mit der gerade für Ostdeutschland so wichtigen Öl-Raffinerie in Schwedt erwähnt, die dem russischen Staatskonzern Rosneft gehört. „Das Energiesicherungsgesetz heißt so, weil es die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland gewähren soll – mit durchaus scharfen Schwertern“, sagte Habeck bei der Pressekonferenz Mitte Mai. Auch im Fall der Speicherkapazitäten in Rehden könnte das Gesetz möglicherweise herangezogen werden.

Es gibt allerdings eine dritte, viel einfachere Variante, auf die sich die Bundesnetzagentur und auch das Wirtschaftsministerium beziehen könnten: Weil Wladimir Putin per Dekret Astora mit Sanktionen belegt hat, darf Gazprom Export formal kein Gas mehr dorthin liefern. Dadurch entfällt, im Prinzip durch höhere Gewalt, die Grundlage für Buchungsverträge zwischen Astora und Gazprom Export. Auf dieser Basis kann die Netzagentur, die Treuhänderin für die Astora-Mutter Gazprom Germania, die Verträge kündigen – und damit Kapazitäten frei machen.

Netzagentur-Chef Müller hat diese Variante auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Habeck bereits angedeutet. „Wir interpretieren das russische Dekret so“, sagte er, „und darum steht Astora als Speicherbetreiber offensichtlich auch explizit auf der Liste, dass Gazprom Export wahrscheinlich jetzt keine Speicherentgelte mehr für ihre Rechte an den Speicher bezahlt. In dem Moment wären alle Verträge, die es jetzt in der Vergangenheit gegeben hätte, hinfällig.“

Seit ein paar Tagen tut sich etwas in Rehden

Noch hat die Netzagentur nicht bekannt gegeben, ob sie die Verträge mit Gazprom Export schon gekündigt hat. Auf Anfrage heißt es aus Bonn: „Die Bundesnetzagentur arbeitet intensiv daran, dass die Speicherkapazitäten nun vollständig zur Einspeicherung genutzt werden können. Ziel ist es, dass die Füllstandsvorgaben des neuen Gasspeichergesetzes erreicht werden. Demnach müssen die Speicher zum 1. Oktober zu 80 Prozent, zum 1. November zu 90 Prozent und am 1. Februar zu 40 Prozent gefüllt sein.“

Es gibt sogar schon Anzeichen dafür, dass die Netzagentur die Verträge möglicherweise schon gekündigt hat. Der Saldo zwischen Einspeicherungen und Ausspeicherungen lässt sich täglich nachvollziehen. In den vergangenen Wochen war die Bilanz mal minimal positiv, mal minimal negativ. Mit anderen Worten: getan hat sich nichts. Aber seit einer Woche, seit dem 17. Mai, strömt in den Speicher Rehden bis auf einen Tag immer mehr Gas hinein als heraus. Der Trend ist durchweg positiv. Das ist, zumindest für Rehden, neu. Das heißt aber auch, dass die Netzagentur bald wird erklären müssen, ob sie die Verträge tatsächlich kündigt und mit welchen Methoden sie dann dafür sorgen will, dass Rehden möglichst schnell befüllt wird. Lange wird sie nicht mehr warten können. Denn auch ein Füllstand von rund zwei Prozent ist sehr, sehr wenig. Und alle Beteiligten wissen nur zu gut. Die Zeit drängt.

Winter is coming.

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