Falk-Verlagserbe Wie Mairdumont an Falk verdient

Während dem verurteilten Stadtplan-Erben Alexander Falk der Verlust seines Vermögens droht, lebt der Mairdumont-Verlag gut von dem Markennamen, den Falk vor 15 Jahren verkaufte.

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Alexander Falk Quelle: dpa

Als einen „zutiefst unsportlichen Laden ohne Innovationskultur“ tat Alexander Falk sein väterliches Erbe ab. Der „Laden“, das war der Falk-Verlag, Hersteller der berüchtigten Stadtpläne mit dem patentierten Faltsystem. Vor 15 Jahren trennten sich daher die Wege: Der junge Erbe mit dem krausen Blondschopf und dem undurchdringlichen Lächeln verkaufte den Betrieb für 50 Millionen Mark an Bertelsmann. „Ich war mir sicher, dass in 20 Jahren nur noch ein paar Exoten mit gedruckten Stadtplänen herumlaufen. Ich glaubte nicht mehr an dieses Geschäft“, erklärte er später.

Doch Pläne und High-Tech-Produkte unter dem Markennamen Falk sind quicklebendig: Die Unternehmerfamilie Mair, der die auf Reiseführer spezialisierte Verlagsgruppe Mairdumont und der Navigationssoftware-Spezialist United Navigation gehören, beweist, dass Alexander Falks Einschätzung des väterlichen Unternehmens falsch war.

Was der aus dem Erlös des Falk-Verlag-Verkaufs machte, darüber verhandelte vergangene Woche der Bundesgerichtshof. Höchstrichterlich wurde bestätigt, dass das Landgericht Hamburg Falk 2008 zu Recht wegen versuchten Betrugs verurteilt hat. Die Aussicht, dass seine vierjährige Freiheitsstrafe abgemildert wird, ist gleich null. Dass Falk – laut „Manager Magazin“ vor zehn Jahren einer der 100 reichsten Deutschen – sein Vermögen verliert, ist so gut wie sicher. Denn mit dem Bertelsmann-Geld hatte er unter anderem das Internet-Unternehmen Ision erworben und dank Scheingeschäften für überhöhte 763 Millionen Euro an das britische Unternehmen Energis weiterverkauft. Dessen Insolvenzverwalter fordert die Summe zurück. Falks Firmenimperium inklusive zweier Banken, seine von Top-Anwälten entwickelte Verteidigungsstrategie und die vom Zigarre qualmenden Medien-Strippenzieher Hans-Hermann Tiedje gesteuerte Ehrenrettungskampagne – all das erwies sich als unsolide.

Bestand hatte hingegen das Werk seines Vaters. 1998, nur zwei Jahre nach dem Kauf, reichte Bertelsmann Falk weiter an Verleger Volkmar Mair aus Ostfildern bei Stuttgart, und zwar, wie Mair sagt, für „viel weniger als 50 Millionen Mark“. Zum Portfolio des in Europa führenden Reiseführer-Verlags gehören Marco Polo, Baedeker, Kompass, Varta-Führer und die deutsche Ausgabe von Lonely Planet, 2005 übernahmen die Schwaben die Reisebuchsparte des Kölner DuMont-Verlags. Doch die stärkste Marke der Gruppe mit 180 Millionen Euro Jahresumsatz ist Falk. „Wir haben Falk von der Stadtplan- zur Mobilitätsmarke entwickelt“, sagt der 42-jährige Frank Mair, der für den Bereich neue Medien zuständig ist.

Falk-Umsatz verdreifacht

Auf der werbefinanzierten Homepage Falk.de stellen sich jeden Monat drei Millionen Kunden Reiserouten zusammen – womit sie unter den Mobilitätsportalen Marktführer ist. United Navigation verkauft mobile Navigationssysteme für Handys und Notebooks sowie Datenbankeninhalte für stationäre Navigationssysteme in BMW- und Opel-Autos. Volkswagen setzt bei Skoda ein mobiles Falk-Navigationssystem ein, das mehrfache Dateneingaben erspart.

Lag der Umsatz mit Falk-Produkten 1998 bei umgerechnet 25 Millionen Euro, ist er heute dreimal so hoch. „Rund ein Drittel“ des Umsatzes von Mairdumont, so Frank Mair, erwirtschaften die 450 Verlagsmitarbeiter mit der Marke Falk. Selbst das Geschäft mit den Papiermonstern, die sich – einmal entfaltet – nur unter Höchstkonzentration wieder zusammenlegen lassen, floriert. Zwei Millionen Exemplare der über 500 verschiedenen Falk-Stadtpläne werden 2010 über die Ladentheken gehen. 98 Prozent der Bundesbürger kennen die Marke.

30 bis 40 Prozent des Gesamtumsatzes mit dem Falk-Portfolio erwirtschaftet der Print-Bereich, 60 bis 70 Prozent machen inzwischen elektronische und digitale Falk-Produkte aus. Dank effizienter Produktionsmethoden bleibe auch der schrumpfende Print-Umsatz mit Plänen und zwei Kilo schweren Straßenatlanten profitabel, sagt Frank Mair. So werden die Stadtpläne nicht mehr, wie bis in die Achtzigerjahre, von Hand gefaltet, sondern von Falzmaschinen in Form gebracht.

Falk und Mair unter einem Dach – diese Idee hat eine lange Vorgeschichte. Denn einer hatte Gerhard Falks Unternehmen auf keinen Fall bekommen sollen: sein Konkurrent Volkmar Mair. Vor rund 50 Jahren – genau weiß Volkmar Mair das nicht mehr – traf er auf einem Kartografenkongress Gerhard Falk. Der hatte in den Wirtschaftswunderjahren die patentgefalteten Stadtpläne erfunden. Mair war mit Straßenkarten erfolgreich – und schlug Falk einen Verkauf vor. Der lehnte ab: „Sie machen die besten Straßenkarten, ich die besten Stadtpläne“, lautete die Antwort, erinnert sich Mair und wusste: „Gerhard Falk wollte, dass sein Verlag in der Familie bleibt.“

Gute Kombinationsgabe

Dennoch besuchte Mair den „sympathischen Draufgänger“ Falk in Hamburg und auf Sylt. Der charismatische Unternehmer besaß einen Katamaran und baute wie Thor Heyerdahl Flöße nach prähistorischen Zeichnungen, die meist absoffen. Falk, ein Energiebündel voller Neugier, starb 1978 im Alter von 56 Jahren an einem Herzinfarkt.

Sohn Alexander, genannt Sascha, interessierte sich mehr für neue Medien und große Geschäfte. „Schon als Zehnjähriger hatte er sehr viel Geld zur Verfügung“, erinnert sich eine Verwandte, die ihm „Verstand und eine gute Kombinationsgabe“ zugute hält. Die aber hat ihn bei der Bewertung des Verlags, der Falk – gemessen an seinen eigenen grenzenlosen Möglichkeiten – wie Ballast erschien, verlassen. Gegen den Widerstand anderer Familienmitglieder zog er den Verkauf durch und kassierte zusammen mit einer seiner beiden Schwestern zwei Drittel des Erlöses.

Drei Jahre danach suchte Falk junior plötzlich das Gespräch mit den Mairs: Er versuchte inzwischen selber mit seinem Unternehmen Navigon mobile Navigationssoftware zu vermarkten. Dafür wollte er die Rechte am eigenen Namen zurück. Falks Vorschlag: die Technik von Navigon und den Namen Falk in einem Joint Venture zusammenzuführen. Diesmal – ein halbes Jahrhundert nach dem Kartografenkongress – war es Volkmar Mair, der Nein sagte: „Wir waren selber technologisch schon weit genug.“ Nach der Ision-Pleite verkaufte Falk Navigon 2002 an seine Manager. Das Unternehmen gehört heute zu den Konkurrenten der Falk-Navigationssoftware.

Alexander Falk, dessen Abstieg Volkmar Mair via Zeitung verfolgt, hat den Verleger durchaus beeindruckt: „Es war ein visionäres Gespräch“, erinnert sich der 79-Jährige und attestiert dem Gescheiterten sogar gute Ansätze: „Falks Visionen waren nicht falsch.“ Aber Mair war es, der das Potenzial der Marke erkannte: „Es war für uns eine Sternstunde, diesen Namen zu gewinnen.“

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