2,1 Milliarden Euro Adidas hängt Corona ein Preisschild um

Harm Ohlmeyer ist bei Adidas für die Finanzen zuständig. Er malt kein rosiges Bild. Quelle: imago images

Das Wachstum des Dax-Konzerns hat sich im dritten Quartal deutlich verlangsamt. Adidas-Finanzchef Harm Ohlmeyer macht eine gruselige Rechnung auf.

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Harm Ohlmeyer gab sich einigermaßen ungerührt, als er in nüchterner Kaufmannsmanier die Posten addierte: Der Umsatz von Adidas zwischen Juli und September hätte um 600 Millionen Euro höher ausfallen können. Ist er aber nicht, weil die Konsumenten in China noch nicht wieder kaufen, wie einst gewohnt, weil die Läden speziell in Asien Corona-bedingt schließen mussten und weil die weltweiten Lieferketten weiter massive Probleme bereiten. Was das für den Umsatz im vierten Quartal heißt? Der wird noch mal um weitere 400 Millionen Euro geringer ausfallen als erwartet, sagte der Finanzchef des traditionsreichen Sportkonzerns.

Das ist jedoch nicht alles: Weil die Fabriken vor allem in Vietnam die Produktion von Sportschuhen für die gesamte Sportbranche bei Weitem nicht so schnell wieder hochfahren können wie noch vor einigen Monaten erwartet, werden speziell im ersten Quartal des kommenden Jahres Adidas weitere 600 Millionen Euro durch die Lappen gehen. Denn dann wird nicht genug oder nicht die richtige Ware in den Regalen stehen.

War das alles? Nein – Ohlmeyer setzte anlässlich der Vorlage der Geschäftszahlen für das dritte Quartal sogar noch einen drauf: Bereits im ersten Halbjahr hätte Adidas ohne die genannten Widrigkeiten 500 Millionen Euro Umsatz mehr erzielen können. Damit hängte der Finanzchef des Dax-Konzerns dem laufenden Geschäftsjahr und im Vorgriff auf das erste Quartal des Folgejahres ein erschreckendes Preisschild um: 2,1 Milliarden Euro – sollen seine Zahlen belegen – hat Adidas die äußerst komplexe Gemengelage aus Corona-Folgen, Lieferketten- und Produktionschaos, und politischen Spannungen zwischen China und dem Westen gekostet.

Seit fünf Jahren steht Kasper Rorsted an der Spitze von Adidas, Europas größtem Sportkonzern. Das Dax-Unternehmen hat sich hohe Ziele in Sachen Nachhaltigkeit gesteckt.
von Peter Steinkirchner

Adidas-Vorstandschef Kasper Rorsted und Ohlmeyer ziehen daraus die Konsequenz und schrauben die Erwartungen für das laufende Jahr deutlich nach unten. Zwar bekräftigten beide nach einem Umsatzplus von drei Prozent auf 5,7 Milliarden Euro für das dritte Quartal die Prognose für das Gesamtjahr. Doch Adidas geht nun davon aus, nur noch das untere Ende der erwarteten Spanne von „bis zu 20 Prozent“ erreichen zu können.

Wie hoch der Umsatz für das Gesamtjahr tatsächlich noch wachsen kann, ließen beide offen. In den ersten neun Monaten waren die Erlöse immerhin um 24 Prozent gegenüber dem bereits massiv von Corona geprägten Vorjahr gestiegen. 2020 hatte der Konzern einen Umsatz von 19,8 Milliarden Euro erzielt – nach 23,6 Milliarden Euro im Jahr zuvor.

Das bedeutet zugleich das Eingeständnis, dass die Erwartungen, die noch nach dem zweiten Quartal zu einem leicht erhöhten Ausblick geführt hatten, zu positiv gewesen sind. Die Börse reagierte entsprechend: die Adidas-Aktie verlor nach Vorlage der Zahlen deutlich. Auch bei der operativen Marge und beim Gewinn aus dem fortgeführten Geschäft (also ohne Reebok, dessen Verkauf im August angekündigt worden war) werde wohl nur das untere Ende erreicht, sagte Ohlmeyer.

Gut für Adidas, das zumindest alle anderen Märkte abgesehen von China und Fernost besser laufen. So erhöhte sich der Umsatz in Europa und Nordamerika jeweils um neun Prozent, den Liefer- und Produktionsengpässen zum Trotz. Lichtblick für den Konzern war die Entwicklung in Lateinamerika mit einem Umsatzplus von 55 Prozent.

Wäre da nur nicht China, wo der Umsatz erneut um 15 Prozent sank. Angesichts der schlechteren Nachfrage hat Adidas laut Ohlmeyer zehn Millionen Produkte – vom Turnschuh bis zum Sweatshirt – aus Lagern und Läden in China herausgeholt und in westliche Märkte geliefert, in denen der Nachschub knapp wurde.

Ob die Olympischen Winterspiele, die im kommenden Februar in Peking stattfinden sollen, an dem Minus-Trend in Asien etwas ändern und wieder für steigende Erlöse auch für westliche Marken wie eben Adidas und Nike sorgen können, ist offen. Anders als etwa bei Veranstaltungen wie die Fußball-Weltmeisterschaft, bei der Fans für gewöhnlich zu Tausenden die Trikots ihrer Nationalteams kaufen, haben Olympische Spiele meist keinen direkten Umsatzeffekt für die Sportmarken.

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Immerhin: Ende des Jahres erwarten Rorsted und Ohlmeyer wieder annähernd normale Produktionszahlen in Vietnam. Auf dass die Liste der verschwundenen Umsätze sich nicht verlängere.

Mehr zum Thema: Während Adidas einerseits mit den Corona-geprägten Negativrekorden kämpft, steckt Chef Kasper Rorsted hohe Ziele für Europas größtem Sportkonzern. Stichwort: Nachhaltigkeit. Was das bedeutet, lesen Sie hier.

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