Aldi vs. Lidl „Die Deutschen lieben den stationären Handel“

Quelle: imago images

Der neue Deutschlandchef des Marktforschers Nielsen über den Preiskampf zwischen Aldi und Lidl, das Wettrüsten um die schönste Läden und das zähe Online-Geschäft mit Lebensmitteln.

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Herr Ohlig, zwischen den Discountern Aldi und Lidl ist der Preiskampf neu entflammt. Was sind die Hintergründe der Auseinandersetzung?
Der Hintergrund ist eigentlich schnell zusammengefasst. Denn hier geht es um die Kernkompetenz der Discounter – sprich das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das müssen die Händler natürlich verteidigen und tun das aktuell besonders stark. Denn das entscheidet darüber, ob sich die Kunden für den Gang zum Discounter entscheiden oder in den Supermarkt gehen, um etwa Milch, Brot und Joghurt einzukaufen. Dazu kommt: Die Deutschen sind preissensibel. Unsere Studien zeigen, dass 64 Prozent der Deutschen die Preise ihrer Routine-Produkte sehr genau kennen. Preisliche Veränderungen bemerken sie daher direkt.

Warum wird der Preiskampf vor allem über Markenartikel ausgetragen?
Weil Verbraucher den Faktor Leistung beim Preis-Leistungsverhältnis immer größer schreiben. Trotz preisbewusstem Shoppen sind die Deutschen bereit, für Qualität mehr zu zahlen. Da liegt der Fokus auf Markenprodukte nahe. Darauf reagieren die Discounter natürlich und buhlen hier derzeit besonders stark um Kunden und Umsatz.

Wer wird in dem Streit als Sieger vom Platz gehen?
Das kommt natürlich wie so oft auf die Perspektive an. Wer die Nase vorne haben wird, kann man derzeit noch nicht absehen.

Jens Ohlig ist seit März 2019 Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Nielsen für Deutschland, Österreich und die Schweiz  Quelle: PR

Profitieren die Konsumenten?
Schaut man auf die Ergebnisse solcher Preiskämpfe, lässt sich das durchaus mit Ja beantworten. Denn die daraus entstehenden vielfältigen Sonderangebote kommen bei den Verbrauchern natürlich gut an. Die Deutschen achten beim Einkauf stark auf Aktionspreise oder Rabatte. Das Preisgefecht sorgt dafür, dass viele Produkte irgendwo immer im Sonderangebot zu haben sind und davon profitieren die Käufer dann. Man darf aber nicht vergessen, dass manche Produkte in den Discountern dadurch auch insgesamt auf einem recht hohen Preisniveau liegen und die Verbraucher für diese dann tiefer in die Tasche greifen müssen.

Der Preiskampf ist nur ein Aspekt des Wettbewerbs im Discount: Aldi und Lidl modernisieren mit Milliardenaufwand ihre Filialen, listen neue Produkte ein und investieren massiv in Werbung. Was versprechen sie sich davon? 
Die Discounter haben große Summen in ihre Filialen und Sortimente gesteckt, was überwiegend auch positive Effekte zeigt. Insgesamt sind die Zuwächse hier moderat. Meiner Ansicht nach werden die Discounter diese Strategie also weiter fahren und auch künftig auf Sortimentsausbau ­– gerade durch Markenlistungen – setzen. Damit möchte man den Konsumenten attraktive Alternativen bieten. Hinzu kommt: Mehr Auswahl bedeutet auch, den Einkaufskorb zu vergrößern und die Kunden an sein Geschäft zu binden, weil es im Zweifel dann nicht nötig ist, noch andere Geschäfte anzusteuern.

Ist das der einzige Grund?
Auf keinen Fall. Bei solchen Summen und Aufwendungen steckt natürlich noch mehr dahinter. Hier sind wir wieder beim Qualitätsaspekt. Die meisten Deutschen sind bewusste Esser und auch Shopper. Sie achten darauf, was im Einkaufswagen landet. Das beste Beispiel dafür ist das Bio-Segment. Seit mehreren Jahren zeichnet sich hier ein großes Wachstum ab. Und darauf reagieren die Discounter. Besonders über ihre Eigenmarken adaptieren sie dann neue Trends sehr schnell.
Dazu kommt, dass vielen Konsumenten bei der Wahl ihres Einkaufsorts auch die Atmosphäre wichtig ist…

…lichte Läden statt Palettentristesse. 
Die Deutschen setzen auf das Einkaufserlebnis. Dass Discounter in Sachen Filialmodernisierung und auch Warenpräsentation einiges investieren, ist da kaum verwunderlich. Viele Deutsche lassen sich gerne vor dem Regal inspirieren, auch wenn sie ihren Einkauf gut planen. Sie probieren zum Beispiel gerne mal neue Sorten, Verpackungsformen oder innovative Produkte aus. Das müssen Händler in ihrer Strategie verankern und so nah wie möglich an den sogenannten Moment der Wahrheit heranzukommen. Mit ihrer Werbung gehen die Discounter genau auf diese Bereiche ein, also Einkaufsambiente, Sortimentsauswahl und die Kernkompetenz günstige Preise.

Zeigt das Wirkung?
Durchaus. Bei Aldi beispielsweise hat sich gezeigt, dass die Werbestrategie aufgegangen ist. Das Unternehmen konnte zuletzt wieder Marktanteile zurückerobern.

Der Einfluss des Onlinehandels

Gerade im Nonfoodgeschäft wird Amazon immer stärker zur Konkurrenz. Müssen die Discounter ihr E-Commerce-Angebot ausbauen? 
Die Deutschen lieben den stationären Handel. Wir gehen davon aus, dass die reine Netzrevolution bei Waren des täglichen Gebrauchs erstmal ausbleiben wird. Aber der stationäre Handel darf sich deswegen nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Die Devise muss lauten: Den Vertrauensvorschuss in den stationären Handel einlösen und ausbauen. Stationär und online müssen schlau verknüpft werden. So kann der stationäre Handel der Technologisierung gerecht werden und sich gegen die Riesen wie Amazon behaupten.

Wie sieht es im Online-Lebensmittelhandel aus? Bislang halten sich die Deutschen beim Bestellen von Brot und Butter via Web zurück.
Da haben Sie Recht. Das Phänomen zeigt sich auch deutlich in unseren Zahlen. Der Online-Handel mit Waren des täglichen Gebrauchs macht hierzulande bisher nur gut ein Prozent des Marktanteils aus. Besonders im internationalen Vergleich ist das ein extrem niedriger Wert. Die Verbraucher setzen auf das Einkaufen zum Anfassen.

Woran liegt das?
Die Deutschen haben an dieser Stelle schlichtweg noch ein Vertrauensproblem und wollen das Einkaufen wortwörtlich selbst in die Hand nehmen. Dies gilt insbesondere für die Frische-Warengruppe, also für Obst und Gemüse oder Fleisch und Backwaren. Das geht online – jedenfalls nach aktuellem Stand – natürlich nicht. Auch Lieferkosten und die fehlende landesweite Abdeckung der Angebote spielen eine große Rolle. Stellen Sie sich vor, sie wollen den Wocheneinkauf bequem auf dem Sofa erledigen, sehen dann aber, dass in ihrer Wohngegend kein Anbieter liefert. Das ist frustrierend. Genau daran scheitert die Etablierung des Onlinehandels aktuell. Dabei will ich aber betonen: Das liegt nicht vorrangig an den Verbrauchern. Hier sind auch klar die Händler gefordert, die Hürden abzubauen und das Vertrauen, in die neue Art einzukaufen, zu stärken.

Wie hoch sind die Chancen, dass das schnell geschieht?
Ändern kann sich das nur, wenn intelligente Konzepte auf den Markt kommen. Es muss einfach mehr Anreiz für den Online-Einkauf geschaffen werden. Dann sehe ich durchaus die Möglichkeit, dass der E-Commerce bei Lebensmitteln auch in Deutschland den Durchbruch schafft. Das ist ein langfristiges Projekt. Im kommenden Jahr ist die Revolution sicher noch nicht zu erwarten.

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