Bettina Röhl direkt

Karstadt: Ist Berggruen der Retter oder das Problem?

Bettina Röhl Publizistin

Der Abgang der erst vor wenigen Monaten eingesetzten Karstadt-Geschäftsführerin Eva-Lotta Sjöstedt ist für sich genommen kein Beinbruch. Der Vorgang ist erneut ein Anlass den Focus auf die Person Nicolas Berggruen zu richten und das Handwerk des millionenschwer entlohnten Konkursverwalters, Klaus Hubert Görg, zu beleuchten.

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Karstadt-Chefin Eva-Lotta Sjöstedt verlässt nach nur wenigen Monaten den angeschlagenen Warenhaus-Konzern. Quelle: dpa

Wie standen sie da, diese stolzen Trutzburgen des Kapitalismus, des kaum noch zu bändigenden Konsumwillens, die großen Warenhäuser! Die Tempel des ersten Luxus nach dem Untergang. Nach dem zweiten Weltkrieg waren die Kaufhäuser in den Innenstädten, soweit sie nicht zerstört oder noch nicht wieder aufgebaut waren, die ersten Publikumsmagneten und auch eine Keimzelle des sich neu formierenden urbanen Lebens.

Der Schwarzmarkt war mit der Währungsreform 1949 kaum vorbei, da strömten auch schon viele Kunden in die großen Konsumkathedralen, in denen das gehobene Komplettangebot von den berühmten Kurzwaren bis zu den feinen Kleiderstoffen, von edlen Gardinen bis zum besseren Geschirr, vom Füllfederhalter bis zur teuren Eiderdaune alles zu besichtigen und zu haben war. So ein Kaufhaus war für die Menschen damals unwiderstehlich.

Karstadt war der Gigant unter den Warenhausgrößen

Es gilt als ausgemachte Tatsache, dass die großen Karrieren in der frühen Bundesrepublik vor allem im Handel und im Dienstleistungsbereich gemacht wurden. Welche exorbitanten Startchancen hatten also die großen Warenhausketten, die den Menschen in der Stunde Null 1949 schon seit einer oder zwei Generationen bekannt waren? Karstadt als Gigant unter den Warenhausgrößen war eine Goldgrube. Die Kaufhäuser bildeten in den Großstädten, aber viel mehr noch in den mittleren und den kleineren Städten regelrechte Kristallisationspunkte für den Aufschwung des Handels und des Wandels. Und von dieser Funktion sind traurige Überreste auch heute noch in mancher deutschen Stadt, in der allzu eilig eingerichtete Fußgängerzonen seit langem veröden, zu besichtigen.

Der Milliardär Nicolas Berggruen

Optimale Startchancen in einem optimalen Markt hat das Karstadtmanagement in den letzten dreißig Jahren "optimal" verspielt. Offensichtlich saß man bei Karstadt auf einem hohen Ross und glaubte an die Ewigkeitsgarantie in Gestalt des berühmten K, das vielen Karstadtleuten vor Augen schwebte wie ein angewachsener Heiligenschein. Für den Kunden war es luxuriös in den siebziger und achtziger Jahren bei Karstadt einzukaufen. Service ohne Ende, Großzügigkeit in jeder Hinsicht. Der Kunde war König und Karstadt glaubte selber der Oberkönig zu sein. Die Konkurrenz der Versandhändler ignorierte Karstadt wie der hungrige Wolf eine Maus: zu klein, zu mickrig, zu mühselig. Den aufkommenden Internethandel verschlief Karstadt.

Den relativen Kundenverlust der Innenstädte an die stadtnahen Einkaufszentren oder jene auf der grünen Wiese, der Anfang der siebziger Jahre begann, focht die Karstadtführung offenbar nicht an. Marktveränderungen wie factory outlets oder etwa die Tendenz, dass sich Markenmode mit eigenen Repräsentanzen in den Städten etablierte, sah Karstadt weitgehend regungslos zu. Schließlich passierte es: Der ein Menschenleben lang "unkaputtbar" erscheinende Karstadtkonzern kam ins Straucheln und ging 2010 für einen Euro an den bis dahin in Deutschland unbekannten, aus der Asche des Phoenix auftauchenden Retter, Nicolas Berggruen, der mit diesem einen Paukenschlag eine feste Größe im deutschen Establishment und Politgefüge wurde.

Das Imperium von Nicolas Berggruen
Nicolas Bergguen, Investor für den insolventen Warenhauskonzern Karstadt, hält am Donnerstag (02.09.2010) in der Karstadt-Filiale am Kurfürstendamm in Berlin eine Karstadt-Einkaufstüte in der Hand Quelle: dpa
Besucher der Deutschen Gamestage 2012 stehen am Dienstag (24.04.2012) vor dem Cafe Moskau in Berlin. Quelle: dpa
MedienIm Jahr 2010 investierte Berggruen 900 Millionen Dollar in den angeschlagenen spanischen Medienkonzern Prisa, der auch die Tageszeitung El País herausgibt. Bereits Anfang der 90er-Jahre kaufte sich der Investor ins Mediengeschäft ein. Berggruen erwarb eine portugiesischen Fernsehsender, den er aufpolierte und mehr als zehn Jahre später an die Börse brachte. Auch Prisa soll unter Berggruens Führung an die Wall Street. Quelle: Screenshot
Ein Landwirt raeumt mit Hilfe schwerer Technik am Montag, 26. Juli 2004, Stroh von einem abgeernteten Getreidefeld in Possendorf bei Dresden Quelle: AP
HotelsWer auf dem Feld arbeitet, soll sich auch entspannen. Dementsprechend gehören Berggruen diverse Hotels, unter anderem die indische Hotelkette Keys Hotels. Gut für Berggruen, der schon seit Jahren keinen festen Wohnsitz mehr hat, sondern ausschließlich in Hotels lebt. Quelle: Screenshot
Blauer Himmel spannt sich am Donnerstag (24.05.2012) über einem Windrad auf einem Feld bei Hohenhameln Quelle: dpa
MobilitätZum ökologisch korrektem Gesamtpaket gehört auch ein Car-Sharing Unternehmen. Der Berggruen Car Club existiert seit 207 und bietet Mietwagen sowie Chauffeurdienste für Business- und Privatleute. Den Car Club gibt es derzeit in 18 indischen Städten. 2012 sollen durch Franchising 20 weitere Städte hinzukommen. Quelle: Screenshot

Billiger und schneller hat es gewiss noch nie jemand geschafft von quasi nicht existent zu toprelevant aufzusteigen. Und die bereits seit Jahren notorisch gebeutelten Karstadtmitarbeiter, die mitansehen mussten, wie der einstige Wunderknabe und Schwiegermütterliebling der besonderen Art, Thomas Middelhoff, dem Konzern Karstadt die Top-Immobilien aus dem Konzernleib schnitt und viele absurde Ideen (von denen allerdings keine zündete) in das Unternehmen implementierte, sind leichtgläubig, allzu leichtgläubig geworden. Sie haben den neuen "Investor", diesen guten und einfach besseren Kapitalisten Berggruen, der im Gewand des globalen weißen Retters und Ritters der Armen und Geschundenen, aber auch als der Könner unter den potenten Investoren auftauchte, der sich als Wirtschaftsphilosoph gab, nicht nur sofort in ihr Herz geschlossen, sondern sie waren auch unbesehen bereit Berggruen nicht nur als irdischen Hoffnungsträger, sondern als eine Art Erzengel mit einem milliardenschweren Rucksack zu lobpreisen.

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