Grund sind offenbar die Vertriebskonditionen und die Lieferstrategie des US-Konzerns gegenüber dem einst wichtigsten deutschen Partner und eine grundsätzlich mangelnde Wertschätzung für den Vertriebskanal Fachhandel jenseits der eigenen Markenstores. „Einer der Hauptgründe ist die Entwicklung, dass Monobrandshops und die damit einhergehende Abhängigkeit von einer Brand – insbesondere mit Blick auf Apple – nicht mehr nachhaltig wirtschaftlich sind“, so ein Sprecher von Freenet.
Dafür seien die Margen schlichtweg zu klein, um auf lange Sicht profitabel zu sein. Offenbar bleibt beim Verkauf der hochpreisigen Apple-Produkte schlicht nicht mehr genug Geld für den freien Handel außerhalb der Apple-eigenen Stores übrig: „Aufgrund des restriktiven Konditionsmodells seitens Apple haben wir also keine Möglichkeit gesehen, das Geschäft in Zukunft auskömmlich zu gestalten“, heißt es bei Freenet.
Gravis war seit seiner Gründung vor bald 40 Jahren lange Zeit der wichtigste deutsche Händler und Servicepartner für Apple-Produkte; lange bevor der kalifornische Technikkonzern selbst mit seinen Markenstores das Endkundengeschäft erschloss. 2013 hatte der Kommunikationsvermarkter Freenet Gravis übernommen. Dort fiel nach WirtschaftsWoche-Informationen nun auch der Beschluss, die Tochter und die verbliebenen rund 30 Niederlassungen nach wiederholten Verlusten abzuwickeln.
Gravis-Gründer: „Ich bin maßlos enttäuscht von der Firma Apple“
Der Gründer des Unternehmens, Archibald Horlitz, schrieb in seinem Linkedin-Profil: „Obwohl Gravis vor mehr als zwölf Jahren an die Freenet AG verkauft wurde und schon entsprechend lang nicht mehr mein Unternehmen war, hatte ich eine schlaflose Nacht und bin sehr traurig.“ Seine Gedanken seien bei den vielen Mitarbeitern, die nun ihren Arbeitsplatz verlieren. Betroffen sind neben dem Personal in den Läden auch mehr als 100 Techniker, die Mac-Computer und iPhones reparieren.
Ohne in Details zu gehen, sieht offenbar auch Gründer Horlitz Apple in der Verantwortung für den Niedergang seiner einstigen Kette. „Ich bin maßlos enttäuscht von der Firma Apple, mit der ich ein mehr als halbes Leben eng verbunden war“, so Horlitz in seinem Post. Aus dem direkten Handelsumfeld von Gravis werden die Vorwürfe konkreter: „Apple scheint heute keine Handelspartner mehr zu benötigen“, so ein Insider. So habe Gravis etwa zur Einführung des iPhones 15 bundesweit gerade mal 50 Geräte bekommen, um diese zu verkaufen. Andere Vertriebspartner, insbesondere Netzbetreiber, seien gegenüber externen Händlern bevorzugt beliefert worden. Apple wollte auf Anfrage der WirtschaftsWoche zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben.
Ein Grund für das Aus ist nach Informationen aus der Szene auch, dass Freenet Gravis einst gekauft habe, um über diesen Kanal zusätzliche Telefonverträge abzusetzen – insbesondere auch mit Verbindung zu den hochpreisigen Apple-Produkten. Auch dieses Geschäft aber habe inzwischen an Relevanz und Lukrativität verloren, weil Telefonverträge aber kein vergleichbarer Umsatzbringer mehr seien wie zu Zeiten der Übernahme von Gravis.
Ende 2023 hatte Freenet noch ein neues Storekonzept und eine neue Markenidentität für Gravis vorgestellt und die ersten fünf umgestalteten Standorte eröffnet. Nun hingegen werden die Geschäfte dem Vernehmen nach in den kommenden Monaten abgewickelt. Alternativ sollen sie offenbar an externe Interessenten abgegeben werden. „Da wir uns aktuell mitten im Prozess befinden, können wir uns noch nicht zu allen Details äußern. Eine genaue Zahl betroffener Stores und Mitarbeiter können wir derzeit noch nicht nennen“, so ein Freenet-Sprecher. „Wir haben bereits erste Interessenten, die gegebenenfalls einige Stores übernehmen möchten und eine bestehende Infrastruktur gewährleisten, die sich einzig auf die Stores selbst konzentriert.“
Die einst so ikonischen Apple-Stores von Gravis aber werden damit Geschichte sein. Und Gravis reiht sich demnächst ein in Namen wie Escom und Vobis, einst große deutsche Computerhändler, die heute vom Markt verschwunden sind.
Hinweis: Der Artikel wurde am 18. März 2024 um das Statement von Apple ergänzt, sich nicht zur Kritik äußern zu wollen.
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