„Der Mensch ist eine faule Sau“ Wie gewöhnt man Kunden den Kaffee-Pappbecher ab?

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Ein Münchner Startup versucht ein Pfand-System zu etablieren

Ein solches System startete etwa die Stadt Freiburg im November 2016 mit dem sogenannten „Freiburgcup“: ein Becher aus recyclingfähigem Polypropylen, den Kunden für einen Euro Pfand in mittlerweile 134 Cafés und Bäckereien in Freiburg kaufen und nach Benutzung auch wieder zurückgeben können. Der Vorteil dieses Systems: Kunden können weiterhin spontan ein Heißgetränk zum Mitnehmen kaufen, ohne ständig einen eigenen Becher mittragen zu müssen. Die „Freiburgcups“ werden von den teilnehmenden Cafés wieder entgegengenommen, gespült – und erneut eingesetzt. 

Etwa zur gleichen Zeit, als die Freiburger ihren städtischen Pfand-Versuch starteten, gründeten Fabian Eckert (heute 30 Jahre alt) und Florian Pachaly (heute 24) in München ihr Startup namens Recup. Die beiden kannten sich zuvor nicht: Pachaly studiert BWL in der Nähe von Freiburg, Eckert Nachhaltigkeitsmanagement in Schweden. Aber sie hatten zur selben Zeit dieselbe Idee vom Mehrweg-Pfandbecher. Das Recup-Geschäftsmodell unterscheidet sich eigentlich nicht von jenem des „Freiburgcups“ – außer, dass die beiden Gründer ihr Business nicht auf eine Stadt begrenzen, sondern deutschlandweit ausrollen wollen. 

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von Jacqueline Goebel

Recup zählt bereits 3.450 Ausgabestellen

Angefangen haben sie natürlich trotzdem mit einem Testlauf in einer Stadt: Ende 2016 in Rosenheim. Im Frühjahr 2017 gingen sie dann in München an den Start. Ende 2017 gab es deutschlandweit bereits 500 Standorte, die Recup-Becher gegen einen Euro Pfand ausgeben und auch wieder zurücknehmen und spülen. Heute beschäftigen die beiden Gründer 34 Mitarbeiter und zählen 3450 Ausgabestellen. Längst sind es nicht nur Bäckereien, die mitmachen, sondern auch Firmen wie Sky und Allianz oder auch Supermärkte wie Alnatura und Basic. In diesem Jahr kam die Öko-Backkette Hofpfisterei hinzu. Die Stadt Wolfsburg etablierte Recup im September 2018. In der Stadt gibt es nun rund 50 Ausgabestellen, unter anderem im Volkswagen-Betriebsrestaurant und in der „Autostadt“. Die Initiative habe der Stadt im ersten Jahr rund 1,5 Millionen Einwegbecher eingespart, teilte die Wolfsburg Wirtschaft und Marketing GmbH mit. 

„Aktuell sind wir mit den ganz Großen im Gespräch“, sagt Mitgründer Florian Pachaly der WirtschaftsWoche, „Details dürfen wir noch nicht verraten. Aber wir merken, dass es jetzt im Massenmarkt ankommt: Mehrweg wird ein Thema für die Ketten.“

Die Recup-Becher stammen von der Adoma GmbH, einem mittelständischem Kunststoff- und Metallverarbeiter aus Wangen im Allgäu. Laut Hersteller sollen sie rund 1000 Spülmaschinengänge überstehen. Hauptgeldgeber und 25-prozentiger Anteilseigner des Münchner Becher-Startups ist die Beteiligungsgesellschaft Core-Invest. Dahinter steht die Familie des Nürnberger Medien-Unternehmers Gunter Oschmann, der hauptsächlich an regionalen Fernseh- und Rundfunkanbietern sowie an Zeitungs- und Kinderbuchverlagen beteiligt ist. Zudem ist Christian Kohlhoff beteiligt, Gründer und Chef des Münchner Kaffeedienstleisters Chicco di Caffe GmbH. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Recup rund 1,4 Millionen Euro Umsatz, sagt Pachaly. Seine Firma stehe „am Übergang zum Gewinn“, was auch damit zusammenhänge, dass er und sein Co-Gründer dauernd neue Leute einstellen. Schon dreimal musste die junge Firma in größere Büroräume umziehen. 

McDonald's bevorzugt einen Partner mit „flächendeckendem“ Konzept

Derzeit experimentiert der Hamburger Kaffeehändler Tchibo in einigen seiner Filialen mit den Münchner Bechern, und auch McDonald’s Deutschland testet das Recup-System bereits seit 2018. Mittlerweile sind nach Firmenangaben „knapp 40 Restaurants“ dabei. Mit großen Ketten kennt das kleine Startup sich bereits aus: Recup war einer der Finalisten des 2018 ausgelobten „Next Gen Cup“, einer internationalen Ausschreibung zur Förderung von recyclebaren, kompostierbaren Bechern sowie Mehrwegbechersystemen. Zu den Geldgebern der Initiative gehören Starbucks, McDonald’s, Coca-Cola, Nestlé und Wendy’s.

Von mehr als 450 Bewerbern wurde Recup ausgewählt als eines von sechs Unternehmen, die vom „Next Gen Circular Business Accelerator“ im Anschluss ein halbes Jahr lang gefördert wurden. Zu den anderen Finalisten gehören etwa die finnisch-niederländische Firma Colombier und das US-Startup Footprint (gegründet von zwei ehemaligen Intel-Ingenieuren), die jeweils kompostierbare Becher herstellen; Muuse aus Indonesien und Cupclub aus London verfolgen ähnliche Pfand-Strategien wie Recup. 

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Große Partner könnten entscheidend sein. McDonald’s zählt mit rund 1500 Restaurants in Deutschland zu den größten Gastronomieketten. Das Unternehmen teilt auf Nachfrage mit: „Zusätzlich zu Recup sind wir natürlich auch mit anderen Anbietern im Gespräch. Grundsätzlich ist es für uns aber entscheidend, einen Partner zu haben, der potenziell in der Lage ist flächendeckend ein Konzept anzubieten, dass den größtmöglichen Nutzen für unsere Gäste bietet, sich gut in unsere operativen Abläufen integrieren lässt und auch hygienerechtlich abgestimmte Prozesse ermöglicht.“ Natürlich hat auch Recup Wettbewerber, etwa „Faircup“ aus Göttingen oder „Cup for Cup“ in Düsseldorf. Doch kein anderer verfügt bislang über so viele Partner wie die Münchner. 

Mittlerweile denken Eckert und Pachaly bereits an das nächste, noch größere Problem: Essensverpackungen. Diese sind natürlich größer als Kaffeebecher und verursachen noch mehr Abfall. Im Mai starteten sie in München einen Testlauf mit ihren „Rebowl“-Essensboxen. Das System ist dasselbe wie bei den Bechern, das Pfand erhöhten sie auf fünf Euro. Eigentlich, sagt Pachaly, seien die zwei Finanzierungsrunden, die Recup bereits hatte, ausreichend. Aber wenn die Essensboxen bald flächendeckend eingesetzt werden, sähe das wohl wieder anders aus.

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