Die Zukunft von Hakle nach der Insolvenz „Wir haben ihm noch die hübscheste Mütze aufgesetzt“

Karen und Volker Jung. Quelle: PR

Eigentümerfamilie Jung gibt die Markenrechte an dem Toilettenpapier-Hersteller Hakle nach Italien, die Düsseldorfer Produktion bleibt in ihrer Hand. Geschäftsführungsmitglied Karen Jung über den Weg aus der Insolvenz.

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WirtschaftsWoche: Frau Jung, werden Sie die Hakle-Toilettenpapiere in Düsseldorf weiterproduzieren?
Karen Jung: Das Familienunternehmen Sofidel, der zweigrößte Hersteller von Toilettenpapieren nach Essity in Europa, wird die Marken – neben Hakle auch Dick und Durstig – entwickeln. Für den Übergang unterstützen wir Sofidel bei der Produktion der Markenprodukte und helfen ihnen bei der Umstellung. Die Prozesse hinter einem Toilettenpapier sind komplexer, als man meint, mit spezieller Anlagentechnik und Hilfsstoffen. Wir gehen dann in konstruktiven Austausch, sodass sich für die Hakle-Kunden nichts spürbar ändert.

Was machen Sie dann später mit Ihrer Produktion?
Wir werden weiter Hygienepapiere herstellen. Wir bleiben ein eigenständiges Unternehmen, das hier in Deutschland, in Düsseldorf, mit 200 Mitarbeitern produziert. Wir sitzen an sehr interessanten Projekten. Wir haben das Graspapier als erste entwickelt und in den Markt gebracht. Wir arbeiten auch mit der TU München und dem Fraunhofer-Institut an einem Projekt namens Inka, wo wir Kaffeesatz aus der Lebensmittelindustrie zur Tissue-Produktion nutzen, um den Zellstoffanteil zu senken. Mit dieser Innovation wollen wir uns in Zukunft am Markt platzieren. Wir werden hier am Standort auch weiter investieren, um uns noch wettbewerbsfähiger aufzustellen.

Zur Person

Dr. Karen Jung ist bei Hakle unter anderem für den Einkauf zuständig. Quelle: PR

Haben Sie schon einen neuen Namen für die Produktion und die künftigen Produkte?
Den entwickeln wir gerade. Ich kann Ihnen nur verraten: Es wird gut. Und es wird spannend.

Mit dem Kauf von Hakle Anfang 2019 hatten Sie ein denkbar unglückliches Timing. Seit 2020 erleben wir Verwerfungen, wie es sie in den 70 Jahren davor nicht gab. Erst Corona, dann Krieg – kaum ein anderer Unternehmer ist nach so kurzer Anlaufzeit in einer stabilen Weltlage in die Unsicherheit gebracht worden.
Vielleicht ist es gut, dass man nicht in die Zukunft schauen kann. Das Projekt gar nicht anzufassen wäre auch keine gute Entscheidung gewesen. Ich glaube, wir haben vieles richtig gemacht. Im Rückblick hätten wir 2021, ehe die Energiekrise zuschlug, sicher nicht in neue Verpackungsanlagen investiert. Das wäre vielleicht der Puffer gewesen, um die Verwerfungen am Energiemarkt abzufedern. Die letzten Jahre waren auch für unsere Konkurrenten und Mitarbeiter extrem volatil und anstrengend. Vom Coronajahr mit den unglaublichen Anforderungen des Handels an uns als Industrie sind wir gestartet, dann in die Zellstoffpreissteigerungen hineingelaufen. Dann die Energiemärkte. Das waren irrsinnige Herausforderungen. Ehrlicherweise sind wir jetzt erleichtert, eine tragfähige Lösung zu haben.

Ehe Sie Hakle übernahmen, hatte das Unternehmen bereits in sieben von neun Jahren Verluste geschrieben. Fehlte es nicht von vornherein an Substanz?
Den Ausschlag gab die irre Strompreissteigerung im August. Als mein Mann 2019 gemeinsam mit dem Finanzinvestor Crosslantic die Hakle GmbH übernahm, war Hakle schon durch eine wechselhafte Geschichte gegangen. Wir hatten die Business Cases genau durchgerechnet. Strategie und Konzept sind aufgegangen. Wir haben das Werk in Reißholz von einem unprofitablen Handelsmarkenstandort zu einem tragfähigen Markenstandort entwickelt. Aber wenn ein Unternehmen durch viele Eigentümer, durch Konzernhände und Private Equity gegangen ist, dann habe ich nicht dieselbe Basis wie ein Familienunternehmen in fünfter Generation, die die Gewinne reinvestiert. Hier wurden immer die Kapitalgeber befriedigt. So aufgestellt kann man nicht durch extreme Krisen kommen. Eine Situation mit einer Verzehnfachung von Kosten konnten wir nicht abfedern. 

Viele Mittelständler haben noch KfW-Unterstützung aus der Coronazeit in den Büchern, die ja zurückgezahlt werden sollte. Sie haben keinerlei Hilfen genommen, konnten also auf geliehene Substanz nicht zurückgreifen. War das ein Fehler?
Wir haben keine Corona-Hilfen in Anspruch genommen. Wir waren auf einem guten Weg, aber die Energiekostenkrise wäre am besten gar nicht gekommen, sie kam zumindest zu einem schlechten Zeitpunkt. An den Stellen, wo wir gehandelt haben, haben wir zum damaligen Zeitpunkt alles richtig abgewogen. Das hätte ich auch im Nachhinein nicht anders machen wollen.

Für die Energiekrise aber hatten Sie als eines der ersten Unternehmen Hilfen beantragt – sie wurde allerdings nicht ausgeschüttet, ehe Sie insolvent waren.
Im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung hatten wir keine Berechtigung mehr für diese Mittel. 

Trägt die Politik da eine Verantwortung?
Die Politik kommuniziert einfache, schnelle, klare Hilfen. Aber dann sind sie hochkompliziert und langwierig. Es wäre für uns einfacher gewesen, die gestiegenen Kosten weiterzugeben, wenn diese Hilfen als Versprechen nicht im Raum gestanden hätten. Unsere Kunden argumentierten mit den in Aussicht gestellten Staatsgeldern und wollten nicht handeln. Wir haben so viel Zeit verloren, dass wir das nicht mehr auffangen konnten.

Was wäre Ihre Bitte an die Politik?
Egal ob für Hilfen oder gegen Hilfen: Es muss ganz klar getan werden, was gesagt wird. Wirkliche Verlässlichkeit ist wichtig für die Industrie, sicher auch beim Thema Wärmewende. Wenn es nicht verlässlich ist, weiß keiner, wie er handeln soll.

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