Dirk Roßmann Das Erfolgsgeheimnis des Oktopus

Zwischen Hustenbonbons und Drogerieartikeln konnten Kunden der Drogeriekette Rossmann auch den Roman

Der erste Roman des Drogerieunternehmers Dirk Roßmann war ein Kassenschlager, jetzt folgt sein zweiter. Und Wissenschaftler sind sich sicher: Der Erfolg ist wieder garantiert. Mit welchen Methoden Roßmann den Buchmarkt aushebelt - und warum Geld dabei nicht der einzige Faktor ist.

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Anfang Januar dieses Jahres musste sich Sebastian Fitzek einem Anfänger geschlagen geben. Der bekannte Autor thronte mit seinem Thriller „Der Heimweg“ zehn Wochen lang auf dem ersten Platz der Bestsellerliste, ehe ihn ein Debütant an der Spitze ablöste. Noch dazu einer, der seinen ersten Roman erst mit Mitte 70 geschrieben hat.

Was anfängt wie eine erbauliche Geschichte, in der ein spätberufener Underdog zum Erfolgsschriftsteller wird, klingt spätestens dann anders, wenn man den Namen des Autors erfährt: Dirk Roßmann. Den kannten die Deutschen zuvor schon als Gründer und Mehrheitseigner der gleichnamigen Drogeriekette mit ein paar Milliarden an Privatvermögen. Eine Autobiographie hatte er schon veröffentlicht, mit „Der neunte Arm des Oktopus“ wagte er sich vor knapp einem Jahr an seinen ersten Roman, ein Science-Fiction-Buch. 

Es entstand ein in der nahen Zukunft spielender Thriller, der die Klimakrise behandelt und die geopolitischen Konflikte, die daraus entstehen könnten. Die selbst erklärte Motivation dahinter: „Die Menschen wachrütteln“, angesichts des schnell fortschreitenden Klimawandels.

Bis zu 2000 Exemplare am Tag verkaufte er zwischenzeitlich, schaffte es sogar auf die Jahresbestsellerliste. Jetzt erscheint die Fortsetzung, „Der Zorn des Oktopus“. Und es scheint fast sicher, dass auch das zweite Werk von Dirk Roßmann die höchsten Höhen der Verkaufscharts erklimmen wird. Denn der Unternehmer hat eine fast todsichere Erfolgsstrategie entwickelt. Mit einem zentralen Bestandteil: Geld.

„Kein literarisches Meisterwerk“

Sein Drogerieunternehmen machte im Jahr 2020 etwa 10 Milliarden Euro Umsatz. Der gesamte deutsche Buchhandel setzte im gleichen Zeitraum 9,3 Milliarden Euro um, schätzt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Aber konnte sich Dirk Roßmann dank seines Vermögens in die Bestsellerlisten einkaufen? 

Die Antwort darauf ist etwas länger, die Literaturwissenschaftlerin Corinna Norrick-Rühl, der Jurist Christian Alexander Peter und die Ökonomin Lena Schüler, die gemeinsam am Sonderforschungsbereich „Recht und Literatur“ der Universität Münster forschen, haben ihr einen ganzen Aufsatz gewidmet. „Das Buch mag kein literarisches Meisterwerk sein“, schreiben sie, „aber es ist ein lehrreiches Beispiel für die ungleichen Voraussetzungen, unter denen Bücher auf den Markt kommen.“

Eine Autorenteam, so groß wie eine Fußballmannschaft

Welche Rolle Geld auf dem Buchmarkt spielt, zeigt sich bereits an der Entstehung des Werks. In einem Interview sprach Roßmann davon, insgesamt zwölf Menschen dafür bezahlt zu haben, mit ihm am Buch zu arbeiten. Rechercheure sammelten Ideen, trugen Wissen zusammen und checkten Fakten, zusammen mit weiteren Autoren strickte Roßmann daraus seine Story. Während andere über Jahre hinweg alleine vor sich hin tüfteln, beschäftigte Roßmann gleich eine ganze Fußballmannschaft, um sein Buch zu schreiben.

Auch die Marketingkampagne fiel üppig aus. In einem einstündigen Videoevent, live übertragen aus einer Filiale der Buchhandelskette Thalia, wurde das Buch am Erscheinungstag präsentiert. Roßmanns Verlag, Bastei Lübbe, veröffentlichte zeitgleich eine Videovorschau auf YouTube. Auch wenn die Resonanz nicht besonders groß gewesen sei, so die Forscher der Uni Münster, sei der Aufwand doch ungewöhnlich: „Die meisten Bücher bekommen nicht eine solche Startrampe am Veröffentlichungstag“, schreiben sie.

Was Dirk Roßmann dagegen einen unbestreitbaren Vorteil verschaffte, war die Tatsache, dass er sein eigenes Buch in seinen mehr als 2000 Drogeriefilialen auf Postern und Pappaufstellern bewerben und in den Regalen auslegen konnte. Dabei war ihm der Zufall in gewisser Weise wohlgesonnen: „Der neunte Arm des Oktopus“ erschien inmitten der Pandemie und wiederkehrender Lockdowns. Während Buchläden und größere Warenhäuser schließen mussten, zählten die Drogeriemärkte zu den wenigen geöffneten Geschäften, in denen überhaupt Unterhaltungsmedien erhältlich waren. Der prominent in der Auslage platzierte Thriller könnte auch deshalb mehr Abnehmer gefunden haben. Ein Drittel der verkauften Bücher sei in den Filialen abgesetzt worden, berichtet die Fachzeitschrift Buchreport.



Außerdem bewarb der Autor sein Werk im Rossmann-Kundenmagazin Centaur, das nach eigenen Angaben 2,5 Millionen Menschen erreicht. Und er schaltete – für den Buchmarkt unüblich – Werbespots, unter anderem auf dem Primetime-Platz vor der Tagesschau. Diese massiven Werbemaßnahmen, die nicht wie üblich vom Verlag, sondern vom Autor selbst bezahlt wurden, lägen nach Einschätzung der Münsteraner Forscher deutlich über dem marktüblichen Aufwand und seien „ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Faktor“, um aus dem Roman eines Unternehmers einen Bestseller zu machen.

„Bei Roßmann ist es besonders unfair“

Erkauft hat er sich seinen Platz in den Bestsellerlisten also über Umwege. Den direkteren Weg diskutieren die Forscher aber auch in ihrem Aufsatz. Ein gut betuchter Autor wie Roßmann könnte selbst so viele Bücher kaufen, dass er auf die ersten Plätze der Bestsellerliste klettert. In Deutschland hätte er dafür etwa 9000 bis 11.000 Exemplare pro Woche kaufen müssen. Dafür , dass er das getan haben könnte, gibt es aber keinerlei Hinweise.

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Für die Literaturwissenschaftlerin Corinna Norrick-Rühl ist Dirk Roßmann vor allem ein interessanter Einzelfall, an dem die Aufmerksamkeitsökonomie des Buchmarktes deutlich werde. „Es gibt sehr viele Dinge, die auf diesem Markt ungerecht ablaufen“, sagt die Professorin der Universität Münster, „Bei Roßmann ist es besonders unfair, weil er mit seiner ganzen Finanzkraft reingeht und gewillt war sich zu beteiligen." Aber verteufeln will sie dieses Vorgehen Roßmanns nicht, es sei schließlich ein freier Markt. Auch deshalb ist sie sich sicher, was die Aussichten seines jetzt erscheinenden Werks angeht: „Das wird auf jeden Fall auch ein Erfolg.“

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