Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub erteilt der erneuerten und erweiterten Übernahmeofferte von Rewe-Chef Alain Caparros eine Absage. Letztgenannter wollte die angeschlagene Supermarktkette Kaiser's Tengelmann als Ganzes übernehmen – samt der Verwaltung, der Logistik, der Läger und den Fleischwerke. Dabei wolle er alle Arbeitsplätze erhalten und die Konditionen, die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgegeben hatte, erfüllen.
Rewe hätte ab sofort alle Verluste der Kette auf sich nehmen – obwohl das Bundeskartellamt erst langwierig prüfen würde. Schließlich war es die Bonner Behörde, die den Verkauf zunächst gestoppt hatte.
Rewe ist zwar kleiner als Edeka, aber als Marktzweiter immer noch eine Macht. Laut aktuellen Studien gäbe es auch bei dem Kölner Händler Kartellprobleme – vor allem in NRW.
Und auf diesen Punkt wies auch eine Tengelmann-Sprecherin am Freitag hin: „Das Angebot ist unseriös wie alle bisherigen Angebote von Rewe.“ Die Offerte lasse sich nicht umsetzen: „Auch Rewe kommt nicht am Kartellamt vorbei“, betonte sie. Für Tengelmann brächte eine Transaktion keine rechtliche Sicherheit.
Die Tengelmann-Sprecherin warf Rewe indes vor, bei den Verhandlungen zur Rettung von Kaiser's Tengelmann versucht zu haben, an Datenmaterial der Kette zu gelangen, um Informationen für eine Übernahme einzelner Teile zu sammeln. Rewe hatte die Kritik zurückgewiesen. Tengelmann appelliere zudem an Rewe, Markant und Norma, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen und die Klagen gegen die Ministererlaubnis für eine Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka zurückzuziehen. Nur so ließen sich die Arbeitsplätze bei der defizitären Kette erhalten.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Während die Zerschlagung einer der traditionsreichsten deutschen Supermarktketten nun doch besiegelt scheint, gibt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Kampf um ein Fortbestehen von Kaiser's Tengelmann noch nicht verloren. Nach „Tagesspiegel“-Informationen aus Verdi-Kreisen will Gabriel am Freitag alle Beteiligten eindringlich bitten, einen erneuten Einigungsversuch zu unternehmen. Das sei mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesprochen.
Auch die Betriebsräte hoffen noch auf eine Einigung. So wie der Betriebsratschef der Region Bayern, Manfred Schick im Interview.
„Die Geschäftsführung trägt eine gehörige Mitschuld“
Herr Schick, wie haben die Mitarbeiter die Ankündigung der Zerschlagung aufgenommen?
Manfred Schick: Die Mitarbeiter sind schockiert und wütend. Und sie sind zornig – auch auf die Geschäftsführung. Die Achterbahnfahrt, die sie in den vergangenen Wochen erlebt haben, war schrecklich. Die Mitarbeiter haben alles gegeben, sie waren über Jahre treu und loyal. Jetzt fühlen sie sich vom Unternehmen verraten.
Was werfen sie denn der Geschäftsführung vor?
Die Mitarbeiter hatten einen Sanierungstarifvertrag akzeptiert. Sie haben drei Jahre lang auf viel Geld verzichtet bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Und dann kam ohne Vorwarnung der Verkauf. Dabei hatten wir doch noch eine Perspektive.
Gab es denn wirklich eine Alternative zum Verkauf?
Wir hatten ein Fortführungskonzept, wir waren auf einem guten Weg und dann wurde immer alles wieder abgebrochen. Die Geschäftsführung trägt eine gehörige Mitschuld, die kann sich doch in der Krise nicht einfach wegducken.
Warum haben die Gespräche der Firmenchefs am runden Tisch nichts gebracht?
Der Zeitdruck war zu hoch. Wie soll denn in zwei Wochen eine Lösung gefunden werden, die man vorher in zwei Jahren nicht zustande gebracht hat?
Waren die Verhandlungen damit nicht ohnehin von Anfang an zum Scheitern verurteilt?
In den Verhandlungen am runden Tisch ist aus unserer Sicht nicht alles versucht worden. Da standen die finanziellen Interessen im Vordergrund und nicht die Mitarbeiter. Ich habe das Gefühl, dass jetzt erst die Verlustbringer verwertet werden, damit man anschließend die Filetstücke gewinnbringend verkaufen kann.
Ist der Kampf nun vorbei?
Wir kämpfen weiter, das sind wir auch unseren Kunden schuldig. In Bayern sehen wir immer noch einen Hoffnungsschimmer. Es wäre auch jetzt noch möglich, eine Lösung zu finden und eine Zerschlagung zu vermeiden.
Vielen Dank, Herr Schick.
Das Interview führte Florian Kolf