Luxus im Internet Die Eine-Milliarde-Euro-Frage des Philipp M.

Lange Zeit verkauften sich Luxusprodukte wie Chronographen, Kelly Bags oder Seidenschals nur zögerlich über Online-Shops. Jetzt denken die Luxuskonzerne um. Auch, weil sie von Start-ups wie Chronext getrieben werden.

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Philipp Man sitzt in einer Ramen-Bar auf dem Gelände der Uhrenmesse Baselworld, scheint mit seinen Augen ein Loch in sein Gegenüber bohren zu wollen und stellt die Eine-Milliarden-Euro-Frage: „Glauben Sie, dass wir in ein paar Jahren eine Milliarden Euro Umsatz machen können?“

Es geht um den Umsatz mit Luxus. Second-Hand-Luxus. Aus dem Internet. Philipp Man ist Gründer und CEO des Unternehmens Chronext. Er ist 25 Jahre alt. Was er nicht vergisst zu erwähnen. Gegründet hat er sein Unternehmen 2013.

Mans Leidenschaft deckt sich mit seinem Produkt: Luxusuhren. Aus seiner Leidenschaft, die sich an seiner kostspieligen Uhr am Arm erkennen lässt, hat er ein Start-Up gestrickt. 130 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, rund 100 davon in Köln. Das Unternehmen hat seinen Sitz jedoch in Zug in der Schweiz. „Wenn Sie in der Uhrenbranche unbekannt sind, dann ist es sinnvoll, dass Ihr Unternehmen in der Schweiz ansässig ist“, sagt Man.

Die Highlights der Uhren-Messe
Es sind oft Kleinigkeiten, die ein neues Modell von Rolex von seinen Vorgängern unterscheidet. 50. Geburtstag feiert das Modell Oyster Perpetual Sea-Dweller. Das Jubiläumsmodell hat ein um drei Millimeter auf 43 Millimeter vergrößertes Edelstahlgehäuse und zur besseren Ablesbarkeit des Datums die Zykloplupe über dem Datum geschenkt bekommen. Quelle: PR
Der russische Uhrmacher Konstantin Chaykin braucht nur wenig, um aus einer technisch konventionellen Uhr einen echten Hingucker zu machen. "The Joker " heißt das Modell - angelehnt an die böse Figur aus den Batman-Comics. Die handelsübliche Mondphasenanzeige fungiert dank weniger Veränderungen des Rahmen als Mund samt roter Zunge. Die schielenden Augen sind die Darstellung der Stunde und Minuten. Je nach Uhrzeit und Stand des Mondes, verändert sich das Gesicht der Uhr im wahrsten Sinne des Wortes. Die zwei Kronen hat die Uhr aus einem simplen Grund: Sie sollen die Ohren darstellen. 7000 Euro soll die spielerische Variante kosten. Quelle: PR
Von außen klassisches Uhrmacherhandwerk, innen Elektronik statt Mechanik. TAG Heuer setzt in Basel unter anderem auf die Smartwatch Connected Modular 45 vor. Der Kunde kann die Bauteile des Gehäuses individuell auswählen. Der Clou der Uhr: In einigen Jahren, wenn die elektronische Technik von heute nur noch alt ist, kann der Besitzer sich ein mechanisches Uhrwerk einbauen lassen. Quelle: PR
Die Genfer Manufaktur Patek zeigt in Basel unter anderem das Modell 5960/1. Hinter der Zahlenkombi verbirgt sich eine Uhr, die Wochentag, Monat und Tag anzeigt. Darüber hinaus ist mit dem Chronograph eine Stoppuhr enthalten. Diese wiederum springt zurück, wenn man sie auf Null stellt - das sogenannte Flyback, eine mechanische Komplikation. Der kleine Zeiger oben mit + und - zeigt an, wie viel Gangreserve das Automatikwerk noch hat. Quelle: PR
Digitale Anzeige ja, Quarzantrieb nein: Das Modell Dodekal von MCT Watches zeigt die Stunde - hier die 12 - mittels eines Mechanismus an, der die weißen Striche austauscht. Die Minutenanzeige läuft hingegen konventionell im Kreis. Quelle: PR
Tudor, das ist Rolex kleine Schwester - und das verhehlt sie auch nicht. Dieser Black Heritage Chronograph mit Armband in Jeansoptik ist für die Marke dennoch ein besonderer Schritt: Im Inneren tickt erstmals ein Chronographenuhrwerk aus der eigenen Manufaktur. Quelle: PR
Das Ufo ist ein Podest für einen Stift. Das klingt wirr und wie bei vielen Projekten des Uhrenunternehmens MB&F, die mechanische Skulpturen fertigen, ist es das auch. Das Unternehmen Caran d'Ache, bekannt für seine Stifte, hat die Uhrmacher mit diesem Projekt beauftragt. Die Rakete, die auf der Basis steht, ist das Schreibutensil. Quelle: PR

Chronext beschäftigt Programmierer, Designer und Uhrmacher. 100 Millionen Euro Umsatz plant das Unternehmen für 2018. Die Zeitschrift Forbes wählte Man zuletzt in die Liste von 30 beachtenswerten Unternehmern unter 30 Jahren. Wie hat er das gemacht? Alle Traditionen der Uhrenbranche über Bord geworfen, Luxusprodukte ins Netz geholt und dort zeitgerecht inszeniert. „Wir sind überzeugt, dass wir mit E-Commerce für gebrauchte Luxusuhren eine Nische besetzen können, die die Industrie vernachlässigt.“

Die Traditionsmarken leben von der Geschichte

Das sind markige Worte. Selbst für die großen Luxusunternehmen von Hermès über Kering (Bottega Veneta, Brioni, Gucci) bis Richemont (IWC, Lange & Söhne, Dunhill, Shanghai Tang) ist E-Commerce noch immer ein schwieriges Geschäft. Produkte wie wasserfeste Reitstiefel aus Kalbsleder oder mechanische Uhren mit ewigen Kalendern oder Stoppuhrfunktion leben zum einen Teil von ihrer Qualität. Zu einem guten Teil leben sie aber auch von der Geschichte, die um sie herumgestrickt wird und vor allem von der Betreuung des Kunden im Fachgeschäft.

Der Kauf besiegelt oft nur die sorgsam inszenierte Dramaturgie der Beratung. Das Überreichen der kunstvoll bestückten Tüte ist das i-Tüpfelchen einer Abfolge von Umschmeichelungen, oft begleitet von einem Glas Champagner. Gute Kunden können sich darauf verlassen, dass ihr Berater sich nicht nur an den Namen erinnert, sobald sie durch die Tür treten. Emotionen werden geweckt, die kaum entstehen, wenn ein Kunde das Produkt anklickt, auswählt, in den Warenkorb legt, sich ein Kundenkonto anlegt, Kreditkartendaten eingibt und Enter drückt.

Aus der Nische wird ein Umsatzbringer

Doch nun kommt erneut Bewegung in den virtuellen Luxusvertrieb. Nur zwei Beispiele: Im Juni 2009 schloss der Luxuskonzern Louis Vuitton Moet Hennessy (Cartier, Dom Pérignon, Rimowa, Fendi, Marc Jacobs) die Webseite eluxury.com. Im Mai soll ein Portal entstehen für die Marken des Konzerns. Laut Financial Times wird es firmieren unter der Domain des Luxuskaufhauses Le Bon Marché. Das ist ein traditionsreiches Luxuskaufhaus in Paris. Es gehört zu LVMH . Der Zeitpunkt, um mit einer bekannten Marke den Online-Handel wieder anzukurbeln, ist besser gewählt als zu Beginn des Jahrtausends. Aus der Nische wird ein Umsatzbringer.

Wie sich unser Verständnis von Luxus verändert

Das ist zu beobachten am Portal Net-a-porter. Gegründet wurde es im Jahr 2000 von der ehemaligen Modejournalistin Natalie Massanet und gehört heute zur Yoox-Net-A-Porter-Group. An der wiederum hält der Luxuskonzern Richemont einen Anteil von 50 Prozent. Und der bereitet dessen Verwaltungsratspräsident Johann Rupert derzeit Freude. Yoox konnte 2016 den Umsatz um 12 Prozent steigen. Wenngleich der durchschnittliche Bestellwert auf 334 Euro zurückging – die Zahl der Bestellungen stieg um 18 Prozent.

Die Hemmschwelle, per Online-Versand auch sehr teure Waren zu ordern, sinkt. Auf der anderen Seite versuchen Unternehmen, dem Nutzer auch auf seiner Homepage ein besonderes Einkaufsvergnügen zu bereiten, das über die simple Auswahl eines Produktes und eine fehlerfreie Customer-Experience bis zur virtuellen Kasse hinausgeht. Videoeinspielungen, Geräusche, Spielereien – auf hermes.com beispielsweise lässt sich Zeit vertendeln, ohne Geld auszugeben.

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