Erst Ende Oktober sprach die WirtschaftsWoche in einem Videocall mit den drei Gründern des Start-ups Seniovo, Jonathan Kohl, Florian Stiebler und Robert Schneider. Anlass war der sogenannte Elevator-Pitch, den alle Teilnehmer für die WiWo-Rubrik „Start-up der Woche“ durchlaufen. Das auf altersgerechte Badumbauten spezialisierte Unternehmen sollte dort demnächst als eine zukunftsträchtige Neugründung präsentiert werden. „Wir würden unser Wachstum beschleunigen“, antwortete Seniovo-Geschäftsführer Jonathan Kohl auf die Frage, wozu das Unternehmen frisches Kapital aus einer möglichen Finanzierungsrunde einsetzen würde, „denn allein aktuell besteht Umbaubedarf bei 2,5 Millionen Wohnungen in Deutschland.“
Nur vier Wochen später zeigt sich: An Kapital und Vertriebspower für künftiges Wachstum dürfte es Seniovo nicht mehr mangeln. Denn die Baumarktgruppe Hornbach mit Hauptsitz in Bornheim in Rheinland-Pfalz übernimmt das Badumbau-Start-up aus Berlin, wie beide Unternehmen gestern bekannt gaben. Millionen Wohnungen in Deutschland seien nicht altersgerecht – und im Gesundheitswesen herrsche Notstand. „Wenn Menschen länger in ihren Wohnungen bleiben können, hilft das allen. Wir sind der Experte für barrierefreie Badumbauten sowie Produkte und Dienstleistungen rund um die Pflege zuhause“, sagt Kohl. „Gemeinsam mit Hornbach können wir unsere Services nun noch mehr Kunden und Partnern zur Verfügung stellen.“
Wachstumschancen durch demografischen Wandel
„Seniovo bringt zahlreiche neue Perspektiven und Know-how im Bereich der seriellen, standardisierten Badsanierung ein und unterstreicht damit weiter die Kompetenz von Hornbach rund um dieses Thema“, kommentiert Christa Theurer, Vorständin der Hornbach Baumarkt AG. Die Themen barrierefreie Umbauten und altersgerechtes Wohnen böten angesichts des demografischen Wandels viele Chancen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung von Hornbach. „Die Übernahme von Seniovo ist ein weiterer Schritt, der auf unsere Strategie einzahlt“, so Theurer.
Seniovo positioniert sich als Komplettdienstleister, der als Generalunternehmer für den Badumbau von Wohnungen gegenüber Kunden und Behörden auftritt. Das Unternehmen verwendet die gesetzlichen Zuschüsse für Umbauten und rechnet diese gegenüber der Pflegekasse ab. Mögliche Mehrbeträge stellt das Start-up seinen Kunden in Rechnung. „Zudem vermitteln wir weitere Produkte und Services rund um Pflege gegen Provision“, sagt Kohl. Seit der Gründung 2017 hat Seniovo mehr als 3000 Bäder barrierefrei oder barrierearm umgebaut; aktuell schafft das Start-up mehr als 1000 Umbauten pro Jahr.
Digitale Prozesse helfen bei der Beantragung von Fördermitteln
Zu dem bisherigen Investorenkonsortium des Start-ups gehören der Risikokapitalgeber IBB Ventures, eine Tochter der landeseigenen Investitionsbank Berlin, sowie PT1 PropTech1 Ventures, ein europäischer VC-Investor für transformative Immobilientechnologien, die ihre Anteile nun zu einem nicht genannten Preis an Hornbach abgeben. „Besonders im Bereich digitaler Prozesse, der von Seniovo eigens entwickelten Software und in Bezug auf das Partnernetzwerk werden wir von Seniovo profitieren“, ist Hornbach-Managerin Christa Theurer überzeugt.
Künftig sollen Fachberater in den 97 Hornbach-Märkten in Deutschland Kunden noch gezielter beim Thema barrierefreie Badumbauten beraten können. Besonders attraktiv sei die Möglichkeit, dass Fördermittel direkt – dank des Full-Service-Angebots von Seniovo – im Rahmen des Projekts beantragt werden. Denn laut Hornbach ist vor allem die Beantragung von Zuschüssen für Betroffene oder Angehörige oft ein umständlicher und aufwendiger Vorgang.
„Seniovo schafft es, mit einem kommerziell erfolgreichen Produkt einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten“, lautete übrigens das Urteil des WiWo-Jurors Moritz Belling, Principal beim Risikokapitalgeber Earlybird und Experte für Industrie- und Energie-Tech-Firmen. „Die Frage ist, ob es langfristig gelingt, mit dem Plattform-Ansatz über eigene Installationen hinaus exponentiell zu wachsen“. Das dürfte nach der Übernahme durch Hornbach zumindest deutlich leichter werden.
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