Unbestellte Pakete und mehr Wie Händler versuchen, Amazon zu manipulieren

Amazon: Manipulationen auf dem Marketplace Quelle: REUTERS

Wer als Händler auf Amazons Marketplace erfolgreich sein will, muss dafür hart arbeiten – eigentlich. Amazon-Experte Trutz Fries erklärt, mit welchen Manipulationen manche Händler um Aufmerksamkeit auf Amazon buhlen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Auf Amazons Marketplace tummeln sich zahlreiche Händler. Der Druck, aus der Masse herauszustechen, ist dementsprechend groß: Wer von möglichen Kunden nicht gesehen wird, kann auf dem Marketplace kein Geld verdienen. Um dem entgegenzuwirken, greifen einige wenige Händler auf Methoden zurück, die gegen die Richtlinien von Amazon verstoßen. Sie halten sich also nicht an die Spielregeln.

Auf unterschiedlichste Art und Weise versuchen sie den Algorithmus von Amazon auszutricksen, um gesehen zu werden. Manche Händler verschicken dafür Pakete, die niemand bestellt hat – das berichtete WirtschaftsWoche Online. Die Adressdaten der oft ratlosen Empfänger finden sie im Internet. Die verschickten Waren kaufen die zweifelhaften Händler mit gefälschten Profilen selbst und wollen sich bei Amazon so mehr Bekanntheit erschleichen. Denn je öfter ein Produkt verkauft wird, desto höher steht es in der Trefferliste bei der Amazon-Suche.

Dass es noch andere zwielichtige Methoden gibt, um sich bei Amazon einen Namen zu machen, weiß Trutz Fries. Er ist Inhaber der Amazon-Agentur „Revoic“ und hat das Tool „Amalytix.com“ entwickelt, mit dem Händler ihre Aktivitäten auf Amazon überwachen können. Außerdem ist Fries Autor von „Amazon Marketplace: Das Handbuch für Hersteller und Händler.

Herr Fries, überrascht Sie eine solche Manipulation wie die unbestellten Pakete auf Amazon eigentlich noch?
Überhaupt nicht. Sobald man sich mit dem Ökosystem „Amazon“ beschäftigt, hört man regelmäßig von irgendwelchen zwielichtigen Methoden, mit denen Händler versuchen, mehr Umsatz zu machen. Ihr Ziel ist es, bei häufig genutzten Suchbegriffen mit einem Produkt auf den ersten Plätzen zu stehen. Denn dann kann man sich vor Bestellungen kaum noch retten. Unbestellte Pakete zu verschicken und diese als angeblichen Verkauf zu deklarieren, ist da nur eine Masche von vielen.

An welche anderen Maschen denken Sie?
Einige Händler listen ihre Produkte zum Beispiel in Unterkategorien von Amazon, wo die Nachfrage vergleichsweise gering ist. Da ist es einfacher, das beliebte Bestseller-Abzeichen zu erhalten, wenn man es auf den ersten Verkaufsrang in dieser Kategorie schafft. Deshalb sieht man zum Beispiel gelegentlich Handyhüllen in der Kategorie „Wohnlandschaften“. Deutlich schwerwiegender ist allerdings die Manipulation von Bewertungen – mithilfe von sogenannten Produkttestern. Früher haben diese Tester von Händlern einfach ein Produkt erhalten, das sie behalten durften und haben dafür eine gute Bewertung auf der Produktseite hinterlassen. Eine Fünf-Sterne-Bewertung, versteht sich. 

Und das ist heute anders?
Amazon hat diese Produkttests 2016 verboten: Nutzer dürfen nun keine Rezensionen mehr schreiben, wenn sie dafür irgendeine Gegenleistung erhalten. Auch das Rezensieren von Produkten, die man selbst nicht auf Amazon gekauft hat, wurde stark eingeschränkt. Amazon hat ein großes Interesse daran, dass die Rezensionen wahrheitsgemäß sind. Verdächtige Rezensionen löscht Amazon ziemlich resolut.

Womöglich zu resolut.
Tatsächlich schlägt Amazon beim Löschen der Rezensionen teilweise sogar über die Strenge. Verschiedene Händler haben sich bei uns gemeldet, weil Amazon Rezensionen gelöscht hat, die offensichtlich gar keine Fake-Bewertungen waren.

Woran erkennt Amazon gefälschte Rezensionen?
Der normale Amazon-Nutzer schreibt vielleicht zwei bis drei Rezensionen pro Jahr, wenn überhaupt. Wenn ein Nutzer in kurzer Zeit 500 Bewertungen schreibt, fällt das dem Algorithmus, mit dem Amazon dagegen vorgeht, auf.

Und seitdem gibt es auf dem Marketplace kaum noch gefälschte Bewertungen?
Keinesfalls, vielmehr passen sich Produkttester und Händler einfach an: Sie verknüpfen sich auf Portalen wie Facebook, Slack, Reddit oder WeChat, um weiterhin gefälschte Rezensionen zu koordinieren. Die „Produkttester“ müssen das Produkt nun selbst kaufen und erhalten im Nachgang den Kaufpreis erstattet. Nicht selten erhalten die Tester sogar zusätzlich eine „Aufwandsentschädigung“. Diese Vorgehensweise ist für Amazon schwieriger zu enttarnen.

Wie geht Amazon gegen Händler vor, die Rezensionen fälschen oder unbestellte Produkte verschicken?
Bei den Händlern ist Amazon nicht ganz so rigoros: Das Unternehmen hat ein Interesse daran, dass es möglichst viele von ihnen gibt. Schließlich verdient Amazon an jeder Transaktion mit und erhält in der Regel 15 Prozent vom Bruttoverkaufspreis. Doch auch Händler werden von Amazon gesperrt und sogar in seltenen Fällen vor Gericht gebracht.

Die Manipulationen des Amazon-Algorithmus dürften vor allem die Händler stören, die sich an die Marketplace-Regeln halten.
Absolut, für die ist es besonders ärgerlich. Der ehrliche Händler ist leider auch der Dumme. Vergleichbar mit der Tour de France: Nicht gedopte Fahrer wissen ganz genau, dass die anderen betrügen und sie bei den Etappen hinterherhinken. So ähnlich fühlen sich auch die ehrlichen Marketplace-Händler. Diese Manipulationen führen auf Amazon zu Wettbewerbsverzerrungen.

Was raten Sie dann den Händlern, die Sie betreuen? Auch bei den Maschen mitzumachen?
Auf keinen Fall, unsere Kunden müssen einfach in Kauf nehmen, dass es Händler gibt, die sich nicht an die Spielregeln halten. Doch auch als ehrlicher Händler lässt sich mit den richtigen Methoden auf Amazon gutes Geld verdienen. Und das ohne sein Händlerprofil aufs Spiel zu setzen.

Wie kommt man auf ehrliche Weise an viele Bewertungen?
Manche Händler legen eine kleine Nachricht in ihre Pakete, dass sie sich über eine Bewertung freuen würden. Das ist natürlich völlig legitim.

Welche Händler stecken hinter den dubiosen Methoden, die gegen die Richtlinien verstoßen?
Ganz genau weiß das wohl nur Amazon selbst. Aber es ist zu erkennen, dass chinesische Händler in dieser Grauzone sehr umtriebig sind. Sie betreiben über diverse Mittelsmänner Verkäufer-Accounts, obwohl laut Richtlinien ein Händler nur einen Account betreiben darf. So sichern sie sich ab: Falls ein Account gelöscht wird, haben sie noch einige weitere.

Für Amazon selbst können betrügende Händler ziemlich geschäftsschädigend sein.
Der wirtschaftliche Schaden, der Amazon durch diese Händler entsteht, dürfte vergleichsweise gering sein. Viele Konsumenten wissen gar nicht, dass viele Bewertungen gefälscht sind. Das kann natürlich schnell umschlagen und deshalb gibt sich Amazon auch Mühe, dagegen vorzugehen.

Sogar im eigenen Unternehmen.
Richtig. Amazon stellt derzeit Ermittlungen gegen eigene Mitarbeiter an, die ihre Position im Unternehmen ausgenutzt haben sollen, um Händler mit internen Daten zu versorgen oder negative Bewertungen zu löschen.   

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%