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Quelle: imago images

Wie ein 120-Euro-Film die großen Weihnachts-Werbespots abhängt

Zum Fest der Liebe überfluten uns die Werber mit Spots, die an Gefühlsduselei nicht zu überbieten sind. Am Ende des Jahres spielen sie alle mit unseren Emotionen. Aber ergibt das auch Sinn?

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Das Jahr endet mit Nachrichten, die nicht erfreulich klingen. Die deutsche Automobilindustrie ist angeschlagen und streicht Tausende von Stellen. Der Klimawandel beherrscht die Nachrichtenlage und lässt Politiker ohne Lösungen, die Wirtschaft ratlos und viele Bürger fassungslos zurück. Die Zukunft sieht zum Beginn des neuen Jahrzehnts nicht besonders rosig aus. Da braucht es zum bevorstehenden Fest der Freude etwas, das uns aufmuntert: Werbung.

Begonnen hat die Tradition, das europäische Publikum zu Weihnachten mit speziellen Werbespots zu erfreuen, in England. Alle Jahre wieder begeistert die britische Warenhauskette John Lewis Verbraucher und Experten mit seinem Weihnachtsfilm. In diesem Jahr partnerte man mit Waitrose und produzierte einen aufwändigen, von der Agentur adam&eveDDB kreierten Spot, der jedes Herz höherschlagen lässt. Darin bringt der tapsige Drachen Edgar allerlei Unheil über sein Dorf, um dann am Ende doch alle zu erfreuen. Der Film ist herzzerreißend süß und wird manche Träne fließen lassen.

Mittlerweile ist die Weihnachts-Werbe-Epidemie auch in Deutschland angekommen. Vorreiter waren die Marketingleute von Edeka, die uns seit Jahren mit ihren bisweilen provozierenden Filmen bescheren. Unvergessen ist der berühmte, viel diskutierte „Heimkommen“-Spot aus dem Jahr 2015, in dem ein trauriger und einsamer Opa, der wieder einmal nicht von seiner Familie besucht wird, sie kurzerhand zu seiner vermeintlichen Beerdigung einlädt.

Keine Weihnacht ohne Edeka-Beschallung

Der diesjährige Werbespot aus dem Hause Edeka „Die wichtigste Zutat“ bringt die Generationen erneut zusammen, um uns die Bedeutung menschlicher Wärme näher zu bringen: „Der von Jung von Matt/Next Alster kreierte Film hat mit seiner klug erzählten Familiengeschichte… absolut das Zeug zu einem neuen Klassiker der Weihnachtswerbung. Denn statt eines vereinsamten Großvaters versammelt hier eine liebevolle Großmutter völlig selbstverständlich ihre Familie zum Weihnachtsessen.“

Im vergangenen Jahr war es aber nicht Edeka, sondern Aldi mit seiner #aldibrauchtbass-Kampagne die nach Analyse von Brandwatch am besten in den sozialen Medien bewertet wurde. Auch in diesem Jahr scheint Aldi mit „Weihnachtsklassiker“ die Konkurrenz abzuhängen. Die Marktforscher von System1 Research nahmen die Spots von Aldi, Edeka, Kaufland und Penny unter die Lupe und gaben Aldi vier von fünf Sternen.

Auch beim YouGov-Werbecheck schneidet Aldi gut ab. Doch als Sieger geht hier der Kinderchor von Milka durchs Ziel.

Tinder-Tipps zum Fest

Kaufland rückt den neuen Star Wars-Film „Der Aufstieg Skywalkers“ in den Mittelpunkt seiner Weihnachtskampagne und appelliert an „Das Gute in Dir“. Lidl dagegen sagt dem Weihnachtsstress den Kampf an. Im Film wird der Jahresendstress als Person gezeigt, die einer Familie, die sich auf das Fest vorbereitet, nicht mehr von der Seite weicht. Natürlich hilft am Ende der Einkauf bei Lidl, alle Probleme zu lösen. Der ist gut.

Der Online-Händler Otto geht in diesem Jahr völlig neue Wege. Man verzichtet auf einen großen Weihnachtsspot und setzt stattdessen auf Tipps und Clips auf Plattformen wie TikTok (Freu dich hart!), Tinder (Flirt-Hilfe) und Twitch (Loot Drop), um jüngere Verbraucher zu erreichen.

Der übermächtige US-Konkurrent Amazon setzt weiterhin auf die Reichweite, die nur das Massenmedium TV erzeugen kann, und lässt erneut seine niedlichen Päckchen singen, in diesem Jahr mit einem Ohrwurm aus dem „Blues Brothers“-Film. Als Mediastratege ist man gespannt, ob sich Tinder am Ende gegen TV durchsetzen kann.

Doch nicht nur die Händler glänzen zum Fest mit rührenden Filmen. Auch Nutella schickt erstmals einen eigens für Weihnachten produzierten Spot on air. In „Die Liebe macht das Fest“ will die Agentur Havas zeigen, dass es an Weihnachten vor allem um das Zusammensein mit der Familie geht. Für musikalische Untermalung sorgt Stevie Wonder mit „Twinkle Twinkle Little Me“. Taschentücher bereithalten.

Das gilt erst recht für den Weihnachtsauftritt des Apple iPad. Während uns Microsoft angesichts der Fragen eines kleinen Mädchens einfach nur schmunzeln lässt.

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