Arbeitnehmer begrüßen Strategieschwenk Die neue Harmonie bei Siemens

Seit anderthalb Jahren ist Siemens‘ früherer Cheftechnologe Roland Busch auf dem Chefposten und hat die Ziele seines Vorgängers teils deutlich kassiert. Quelle: Presse

Siemens‘ Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat freut sich über das Bekenntnis des Vorstands, keine großen Abspaltungen mehr zu planen. Siemens Mobility und die Mehrheit an Siemens Healthineers seien „unveräußerlich“. Ob der Kapitalmarkt dabei mitspielt?

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Es gab bei Siemens immer wieder Zeiten, da protestierten Tausende Beschäftigte auf den Straßen Berlins oder mit Trillerpfeifen vor der Konzernzentrale in München am Wittelsbacher Platz. Vor allem mit Ex- Chef Joe Kaeser standen die Betriebsräte und Gewerkschafter oft auf Kriegsfuß, ließen ihm die größte Spaltoperation in der Unternehmensgeschichte mit einer Dreiteilung in ein Medizintechnik-Siemens, ein Energie-Siemens und ein industrielles Siemens aber trotzdem durchgehen.

Seit anderthalb Jahren ist Siemens‘ früherer Cheftechnologe Roland Busch, ein promovierter Physiker, der Vorstandschef. Seither hat die Arbeitnehmerbank nicht mehr viel zu mäkeln. „Es hat sich vieles verändert, deswegen ist es so ruhig“, sagte Betriebsratschefin Birgit Steinborn, zugleich stellvertretende Aufsichtsratschefin, im Gespräch mit dem Club „Wirtschaftspresse München“.

Die Gespräche mit dem Management seien gut, „die Strategie teilen wir“, lobten Steinborn und Aufsichtsrat Jürgen Kerner, im Hauptberuf IG-Metall-Vorstand. Steinborn bekam ihre heiß ersehnte Frauenquote, auch wenn sie die nie so nennen würde, sondern „Zielvorgabe für den Frauenanteil im Management“: 2025 sollen 30 Prozent der Führungskräfte weiblich sein, so wie es das Gesetz für Vorstände jetzt schon vorschreibt. Ein weiter Weg, in den vergangenen Jahren stieg der Anteil nur sehr allmählich auf 18 Prozent an.

Was die Arbeitnehmervertreter besonders schätzen: „Es gibt ein klares Bekenntnis des Vorstands, dass die Portfoliopolitik vorbei ist“, so Kerner. Die jetzige Aufstellung der Siemens AG mit den Sparten Digital Industries und Smart Infrastructure, der Zugtochter Siemens Mobility und der 75-Prozent-Beteiligung an der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers sei „der Kern von Siemens und für uns unveräußerlich“.

Die „rote Linie“ für die Arbeitnehmer wäre für die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat erreicht, sollte die Siemens AG bei Siemens Healthineers unter 50 Prozent reduzieren wollen. „Dann wäre es nicht mehr Teil des Konzerns“, so Kerner. Selbst eine Reduzierung von 75 Prozent auf über 50 Prozent sieht er kritisch. Ein geringerer Anteil an der hochprofitablen Medizintechnik-Tochter bedeute für die Aktionäre der Siemens AG weniger Ergebnis und damit auch weniger Dividende. 

Kapitalmarktprofis wie Fondsmanagerin Vera Diehl von Union Investment argumentieren allerdings ganz anders und fordern eine Fortsetzung von Kaesers Spaltkurs. Als Anlegerin wolle sie selbst entscheiden, ob und wie viel sie in das industrielle Siemens und in Healthineers investiere, sagt Diehl. Da werde sie auch „nicht lockerlassen“.

Der Spin-off des problembeladenen Energiegeschäfts in der Siemens Energy (Siemens-Anteil: 35 Prozent) im Herbst 2020 ist am Kapitalmarkt längst verpufft. In den vergangenen sechs Monaten hat die Siemens-Aktie ein Viertel ihres Werts verloren und damit doppelt so stark wie der Dax. Siemens‘ Bewertungsabschlag im Vergleich zu großen Wettbewerbern ist so hoch wie seit Jahren nicht. Investmentbanker glauben, das könnte auch Finanzaktivsten auf den Plan rufen.

Der Siemens-Aktie half auch nicht, dass Busch im Juni eine neue Digitalstrategie rund um eine neue offene Kommunikationsplattform namens „Xcelerator“ ankündigte. Betriebsratschefin Steinborn ist es nach eigenen Worten „schleierhaft“, dass diese keinerlei Resonanz am Kapitalmarkt fand.

Auf ihrer Wunschliste an den Vorstand bleibt nur wenig offen. Dass Busch sich die Verknüpfung von Hard- und Software auf die Fahnen geschrieben hat, um das Wachstum anzukurbeln, „die Powerpoint-Folien können wir unterschreiben“, so Steinborn. „Erstmals sind Mitarbeiter und Technologie Teil der Unternehmensstrategie. Aber viele trauen den schönen Folien noch nicht.“

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Daher sollte der Konzern den Hardware-Anteil nicht nur stabil halten, sondern auch in neue Produkte und Produktion investieren, fordert IG-Metall-Funktionär Kerner, oder „vielleicht auch das ein oder andere schlaue Hardwareunternehmen kaufen“. Es gehe darum, die Wertschöpfung in Deutschland und Europa zu stärken und die schon auf 86.000 Beschäftigte reduzierte Belegschaft hier nicht weiter abschmelzen zu lassen.

Busch will Siemens zum Digitalkonzern wandeln und hatte deshalb zuletzt vor allem Software-Firmen zugekauft, primär in den USA.

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