Manche lernen in der Bahn die Liebe ihres Lebens kennen, für andere wird eine Begegnung im Zug zum beruflichen Wendepunkt. Wie für den damals 21 Jahre alten Nürnberger Wirtschaftsprüfer Hermann Hagenmeyer im Frühjahr 1935: Auf der Heimfahrt von einem Termin in Stuttgart lernt er einen Anwalt kennen, der die Firma eines Freundes verkaufen soll, die Pfeiffer-Werke in Ludwigsburg. Am Ende der Fahrt sind die beiden sich einig: Hagenmeyer wird Unternehmer und kauft die kleine Fabrik, die damals mit 80 Mitarbeitern Getriebe für Motorräder produziert. Obwohl Familie und Freunde ihm abraten, geht er das Risiko ein – und hat Erfolg. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hat die Getriebe- und Zahnradfabrik Hermann Hagenmeyer schon 300 Mitarbeiter. 1945 dann der Neuanfang: Produziert wird ein Untersetzungsgetriebe für Fleischwölfe, später einfache Getriebe für Mähdrescher.
Heute gehört die in Untergruppenbach bei Stuttgart ansässige Getrag mit gut drei Milliarden Euro Umsatz, einem Vorsteuergewinn von rund 200 Millionen Euro und knapp 13 000 Mitarbeitern zu den Weltmarktführern im Ländle.
Krise ist überwunden
Getrag ist der weltgrößte Hersteller von konventionellen und Doppelkupplungsgetrieben für Pkws und leichte Nutzfahrzeuge. Grund für den Erfolg: Getrag beschränkt sich – anders als Wettbewerber ZF Friedrichshafen – strikt auf dieses eine Geschäftsfeld, in dem es technisch führend ist und alle Segmente abdeckt. Getrag produziert für Fahrzeuge aller Größenklassen: vom Kleinwagen Ford Fiesta über Mittelklasselimousinen der BMW-3er-Serie und den aufgemotzten Daimler-Sportwagen AMG SLS bis hin zu Ferrari.
Eine hohe Risikobereitschaft zeichnet die Gründerfamilie bis in die jüngste Vergangenheit aus und hätte Getrag in der Finanzkrise 2008 und 2009 fast die Existenz gekostet. Nach der Expansion nach China und dem Bau eines neuen Werks in den USA war das Unternehmen hoch verschuldet. Als dann Chrysler einen Großauftrag zurückzog und BMW die Bestellungen drastisch verringerte, musste das Land Baden-Württemberg mit einer Bürgschaft einspringen. Seitdem hält sich die Familie aus dem operativen Geschäft zurück.
Doch die Krise ist überwunden. Produziert wird an weltweit 23 Standorten. Mit Ford und Jiangling aus China gibt es Joint -Ventures, mit der ebenfalls chinesischen Dongfeng Motor wurde Vorstandschef Mihir Kotecha, ein Brite, gerade handelseinig. "Die Expansion in Asien bringt auch für unser europäisches Geschäft Vorteile", sagt Kotecha. "Durch Synergieeffekte verbessern wir unsere globale Kostensituation." Binnen fünf Jahren wollen die Schwaben allein in Asien eine Milliarde Euro umsetzen – und 2015 zum zweitgrößten Getriebelieferanten Chinas aufsteigen.