Der Beschluss steht: Europa bekommt eine eigene bewaffnete Aufklärungsdrohne. Sie wird im Auftrag von Deutschland, Frankreich und Italien entwickelt. „Ziel der Eurodrohne ist, dass wir europäisch selber entscheiden, was wir aufklären, wo wir die Eurodrohne einsetzen und wie wir die Eurodrohne einsetzen“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montag zur Unterzeichnung einer Absichtserklärung in Brüssel.
Damit ist der Startschuss für eines der wichtigsten, aber auch umstrittensten europäischen Rüstungsprojekte der kommenden Jahre gefallen. An der Entwicklung des unbemannten Fluggeräts werden unter der Führung von Airbus wohl auch die Unternehmen Dassault und Alenia Aermacchi beteiligt sein. Eine erste Studie soll bis Ende 2017 die grundsätzlichen Anforderungen an die Drohne ausloten. Die Kosten von rund 60 Millionen Euro wollen sich die drei Initiatoren teilen.
Insgesamt werden sich die Entwicklungskosten wohl auf mehr als eine Milliarde Euro belaufen, schätzen Experten. Dafür werden vergleichsweise schnell Ergebnisse erwartet: Spätestens 2025 soll die Drohne der Bundeswehr einsatzbereit zur Verfügung stehen - angeblich.
Die heißen Eisen unter den Rüstungsprojekten der Bundeswehr
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich zum Ziel gesetzt, im Rüstungssektor der Bundeswehr aufzuräumen. Jahrelange Verzögerungen und Kostensteigerungen im mehrstelligen Millionenbereich soll es künftig nicht mehr geben. An diesem Donnerstag lässt sich die Ministerin bei einer Sitzung des Rüstungsboards über den aktuellen Stand bei einigen Großprojekten informieren. Hier fünf der heißesten Eisen unter den 1200 Rüstungsprojekten der Bundeswehr.
Die in absehbarer Zeit wichtigste, teuerste und heikelste Entscheidung will von der Leyen bis Mitte des Jahres treffen. Die Bundeswehr soll ein neues Raketenabwehrsystem erhalten. Zur Auswahl stehen „Meads“ – eine internationale Entwicklung unter Beteiligung der deutschen Raketenschmiede MBDA – und eine neue „Patriot“-Version des US-Herstellers Raytheon. In die Entwicklung von Meads floss bereits eine Milliarde Euro deutscher Steuergelder. Die Anschaffung würde mehrere weitere Milliarden kosten.
Die Aufklärungsdrohne hätte von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) fast das Amt gekostet. Wegen massiver Probleme bei der Zulassung des unbemannten Fliegers für den deutschen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion wurde die Entwicklung im Frühjahr 2013 gestoppt. Seitdem wird nach einem anderen Flugzeug gesucht, in das die von Airbus stammende Aufklärungstechnik eingebaut werden kann. Derzeitiger Favorit: Eine Schwester-Drohne des „Euro Hawk“ namens „Triton“.
Von der Leyen will die Bundeswehr mit bewaffnungsfähigen Drohnen ausrüsten. Zur Auswahl stehen eine US-Drohne, die „Reaper“ (Sensenmann) oder „Predator B“ (Raubtier) genannt wird, und „Heron TP“ (Reiher) aus Israel. Die Entscheidung wird noch vor Ende des Jahres erwartet.
Mit vier Jahren Verspätung lieferte Airbus Mitte Dezember das erste Transportflugzeug vom Typ A400M an die Bundeswehr aus. Das bedeutet aber noch nicht das Ende der Verzögerungen. Wieviele der fünf für dieses Jahr versprochenen Maschinen tatsächlich am niedersächsischen Fliegerhorst Wunstorf landen werden, ist noch völlig unklar. Der A400M bleibt ein Problemfall.
Auch mit kleineren Waffen gibt es große Probleme. Seit vielen Monaten wird über die Treffsicherheit des Standardgewehrs der Bundeswehr G36 diskutiert. Große Hitze verträgt die Waffe nicht besonders gut. Ein neuer Prüfbericht soll in den nächsten Wochen Klarheit darüber bringen, wie gravierend das Problem ist.
Mit Blick auf die jüngsten Rüstungsprojekte ist Skepsis angesagt. Egal ob Panzer, Helikopter oder Flugzeug: Kaum etwas kam wie bestellt, das meiste viel zu spät und alles wurde deutlich teurer. Das lag nicht allein an den Versäumnissen der beteiligten Rüstungsunternehmen, sondern auch an den auftraggebenden Nationen. Fünf Lektionen, die die Regierung aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann:
1. Überlegt gut, ob wirklich alles neu entwickelt werden muss
Die Entscheidung für eine eigene europäische Drohne ist eine bewusste. Davon, dass ein Industriekonsortium unter Führung von Airbus das Fluggerät neu entwickelt, versprechen sich die Auftraggeber nicht nur militärische Vorteile und einzigartige Fähigkeiten.
Drohnen gelten als die Zukunftstechnologie schlechthin – auch in der zivilen Wirtschaft. Längst testen Logistikkonzerne wie die Post und Händler wie Amazon die Auslieferung mit unbemannten Flugobjekten. Selbst in der Landwirtschaft greifen Bauern auf die Luftunterstützung zurück. Experten rechnen mit einem gigantischen Wachstumsmarkt, von dem Europa bislang kaum profitiert. Die Vereinigten Staaten und auch Israel haben einen jahrelangen Entwicklungsvorsprung. Im "Handelsblatt" sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries deshalb gar, die Entwicklung einer neuen europäischen Drohne soll auch mit Geld aus zivilen deutschen Fördertöpfen unterstützt werden.
Welche Länder die meisten Drohnen verkaufen
Auf Platz 9 der Drohnen-Exporteure liegt China. Das Reich der Mitte kommt zwischen 1985 und 2014 auf einen Marktanteil von 0,9 Prozent.
Zeitraum: 1985-2014
Quelle: Sipri
Auf Platz 8 liegt Deutschland. Nicht nur Panzer, auch Drohnen exportiert das Land, in dem Konzerne wie Diehl, Krauss-Maffei Wegmann, Heckler&Koch, Rheinmetall, ThyssenKrupp MarineSystems und - teilweise - auch Airbus beheimatet sind. Am weltweiten Drohnenexport hatte Deutschland seit Mitte der 80er Jahre einen Anteil von einem Prozent.
Südlich der Alpen in Italien sind es 1,1 Prozent Marktanteil am weltweiten Drohnenexport im untersuchten Zeitraum.
Platz 6 für Österreich: 1,1 Prozent der weltweiten Drohnen-Exporte seit 1985 kamen aus der Alpenrepublik.
1,6 Prozent der weltweiten Drohnen-Ausfuhren zwischen 1985 und 2014 kamen aus dem Land Napoleons.
Russlands Marktanteil an Drohnen-Exporten liegt im betrachteten Zeitraum bei 1,9 Prozent.
Die Top 3 der weltweiten Drohnen-Exporteure teilen einen Großteil des Marktes unter sich auf: 91 Prozent der weltweiten Drohnenexporte seit 1985 kommen aus 3 Ländern. Den Anfang macht mit 6,4 Prozent Kanada.
23,9 Prozent der weltweiten Drohnenausfuhren kamen aus den USA...
...und 60,7 Prozent Marktanteil bei Drohnenexporten zwischen 1985 und 2014 hat Israel.
Aber wer kauft die angebotenen Drohnen? Die fünf größten Drohnen-Importeure der Welt:
Kritiker geißeln die Förderung der Drohnen als reine Industriepolitik. Längst würden in Amerika und Israel schließlich Modelle hergestellt, die den Anforderungen genügen und zu denen es bereits Erfahrungswerte gibt.
Unabhängig von der Diskussion, ob sich die Millioneninvestitionen später wirtschaftlich auszahlen, birgt die Neuentwicklung auch erhebliches Fehlerpotenzial: Beim Transportflugzeug A400M von Airbus hatte ausgerechnet der Anspruch der europäischen Nationen, die komplexen Turboprop-Triebwerke ohne Vorkenntnisse selbst entwickeln zu lassen, für die größten Probleme gesorgt.
Ähnliches könnte sich im schlimmsten Falle bei der Drohne wiederholen: Zwar sind mit Airbus, Dassault und Alenia luftfahrterfahrene und technisch versierte Unternehmen am Werk, im Drohnen-Segment aber sind die Erfahrungen bislang überschaubar. Airbus' erster Versuch, ein der neuen Drohne vergleichbares Projekt namens Talarion aufzulegen, war 2012 gescheitert. Das Aus des Euro Hawk verpasste den Drohnen-Träumen von Airbus einen weiteren Dämpfer und verhinderte, dass der Konzern weitere Expertise aufbauen konnte.
Anforderungen und Nachbesserungen
Schon die bereits bekannten Anforderungen an die neue Drohne dürften ihre Bauer zudem ins Schwitzen bringen. So muss der unbemannte Flieger selbstständig und problemlos Kollisionen ausweichen können, wenn er die dringend erforderliche Zulassung für den zivilen Luftraum erhalten soll. Die Entwicklung dieser „Sense and Avoid“ genannten Fähigkeit ist für das Projekt entscheidend, aber auch hoch komplex. Zumindest einfacher wäre es, auf Technik aus dem Ausland zurückzugreifen: In den USA wird sie bereits seit Längerem in der Reaper-Drohne getestet.
2. Überlegt, was die Drohne können soll
Zumindest im Kern ist die eigentliche Aufgabe für die neue Europa-Drohne klar: Sie soll aufklären. Das neue Fluggerät wird zur sogenannten MALE-Klasse (kurz für Medium Altitude, Long Endurance) gehören. Mehr als 24 Stunden soll die Drohne in der Luft bleiben und aus einer Höhe von 5000 bis 15.000 Metern Daten eines überwachten Gebiets an die Bodenstation senden. Im Idealfall ist sie gleichermaßen im Kampf gegen Terroristen wie auch in Katastrophengebieten und bei der Überwachung von Grenzen und Küsten einsetzbar.
Zudem soll die Drohne aber auch Raketen abschießen können. Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder beschrieb das Projekt zuletzt als Aufklärungsdrohne, "die optional bewaffnet werden kann". Der Satz zeichnet nicht nur den Kritikern von Kampfdrohnen Sorgenfalten ins Gesicht, die einen „militärischen Tabubruch“ befürchten.
Die bislang noch wenig konkreten Anforderungen wecken auch die Sorge, dass die neue Europa-Drohne eine Art eierlegende Wollmilchsau sein soll. Die extrem hohen Anforderungen und unterschiedlichste Einsatzszenarien hatten unter anderem die Entwicklung des Transportfliegers A400M zum Millionengrab werden lassen. Trotzdem erfüllen die ersten ausgelieferten Flieger bis heute nicht alle früheren Versprechungen.
Schon jetzt ist immerhin klar, dass die Europa-Drohne mit hochgerüsteten Kampfdrohnen, die etwa in den USA entwickelt werden und die selbst schwere Bomben mit großer Zerstörungskraft transportieren können, gar nicht erst mithalten muss. Eine solche Killermaschine wäre politisch kaum durchsetzbar.
Die Drohnen-Projekte der Bundeswehr
Bis 2025 wollen Deutschland, Frankreich und Italien gemeinsam eine mittelgroße Drohne entwickeln. Sie soll 5000 bis 15 000 Meter hoch fliegen und sich 24 Stunden oder sogar länger in der Luft halten können. Mit etwa zehn Metern Länge und um die fünf Tonnen Gewicht sind solche Drohnen groß genug, um auch Waffen tragen zu können.
Da die Bundeswehr noch zehn Jahre auf die Euro-Drohne warten muss, soll als Übergangslösung eine bewaffnungsfähige Drohne gemietet oder gekauft werden. Zur Auswahl stehen die israelische „Heron TP“ und eine amerikanische Drohne, die wahlweise „Predator B“ (Raubtier) oder „Reaper“ (Sensenmann) genannt wird.
Zu Aufklärungszwecken möchte von der Leyen eine Drohne anschaffen, die bis zu 20 Kilometer hoch fliegen und von dort aus riesige Gebiete überwachen kann. Im ersten Anlauf ist das Projekt im Mai 2013 gescheitert. Die Entwicklung des 14,5 Meter langen und 14,6 Kilogramm schweren „Euro Hawk“ wurde wegen Problemen bei der Zulassung für den deutschen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion gestoppt. Als Ersatz wird nun die Anschaffung der Schwester-Dohne „Triton“ desselben US-Herstellers geprüft.
Welche Art von Bewaffnung für die Europa-Drohnen möglich – oder überhaupt ratsam ist, ist nicht ganz klar. Fest steht: zusätzliche Bewaffnung wird zu Lasten von Reichweite, Flugzeiten und vermutlich auch der Bewegungsfähigkeit gehen. Allein die Option, Raketen anzubringen, wird die Konstrukteure vor Herausforderungen stellen und zu Kompromissen zwingen.
Um die richtig einordnen zu können, ist entscheidend, wie die Drohne eingesetzt werden soll: Die Einsatzszenarien müssen deshalb schon während der Entwicklung der ersten Studie bis Ende 2017 so weit nur irgend möglich definiert werden. Nicht nur für aktuelle Konflikte, sondern insbesondere mit Blick auf die Zeit nach 2025.
3. Verzichtet auf permanente Nachbesserungswünsche
Eine klare Definition der Leistungsforderungen könnte auch eindämmen, was die Rüstungsindustrie seit Langem zur Verzweiflung bringt: Regierungen bestellen ein Projekt - und schrauben im Nachhinein an den Anforderungen.
Das kann gute Gründe haben: Im Laufe der jahrelangen Entwicklung ändert sich die Weltlage, die Technik entwickelt sich weiter. Also müssten bestellte Fahrzeuge, Flieger und eben auch Drohnen den Neuerungen entsprechend angepasst werden. Das ist alles andere als leicht. Die Systeme sind nicht modular aufgebaut, müssen aber perfekt zusammenspielen. Schon eine kleinere Änderung wie ein neuer Adapter, ein neuer Anschluss oder eine verbesserte Software kann große Probleme nach sich ziehen. Das kostet Zeit und Geld.
Extrawünsche und Verhandlungen
Problematisch wird es besonders dann, wenn die nachträglichen Änderungen durch bessere Planung vermeidbar gewesen wären. „Die Ursachen für die aktuellen Rüstungsprobleme stammen aus einer Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges, in der es offenbar egal war, wie lange etwas dauert“, sagte SPD-Sicherheitsexperte und Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels im Interview mit WirtschaftsWoche Online. Das wird sich in Zukunft keine Regierung Europas mehr leisten können – gerade nicht auf dem sich schnell entwickelnden Drohnen-Markt.
4. Verzichtet auf nationale Extrawünsche
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Alle großen Rüstungsaufträge der vergangenen Jahre waren europäische Gemeinschaftsprojekte. Das ist sinnvoll: Entwicklungskosten können geteilt werden, für das fertige Gerät stehen gleich mehrere Abnehmer parat. Häufig haben die Regierungen aber eigene Interessen. Sie wollen die Gerätschaften für ein bestimmtes Einsatzszenario aufrüsten oder verlangen Nachbesserung, die für die Partnerländer wenig relevant sind. So unterscheiden sich etwa die deutsche und die französische Variante des Eurocopter Tiger bei der Bewaffnung.
Sicherheitsexperten empfehlen daher, sich bei einem Gemeinschaftsprojekt von vornherein auf eine Basis-Variante zu einigen und deren Entwicklung gemeinsam voranzutreiben. Anpassungen an nationale Anforderungen müsste der jeweilige Staat dann aus eigener Tasche zahlen.
5. Lasst Leute verhandeln, die etwas von der Materie verstehen
Was klingt wie eine Binsenweisheit, ist die vielleicht bitterste Lektion aus den vergangenen Rüstungsdebakeln. Als externe Prüfer der Unternehmensberatung KPMG im vergangenen Jahr ihren Prüfbericht zu den großen Rüstungsprojekten der Bundeswehr vorlegten, stellten sie der Industrie, aber vor allem den Bundeswehroberen und der Regierung ein vernichtendes Urteil aus.
„Dem Bund gelingt es häufig nicht, seine Kosten‐, Termin‐ und Leistungsziele gegenüber dem Auftragnehmer durchzusetzen“, heißt es wörtlich in dem Bericht. Diese würden häufig bereits bei Vertragsschluss nicht ausreichend verankert. Und weiter: „Der derzeitige Vertragsgestaltungsprozess lässt die parallele Verwendung zahlreicher, nur geringfügig angepasster, hierarchisch aufgebauter und aufeinander bezogener Musterverträge selbst bei großvolumigen und hochkomplexen Großprojekten zu. Dazu kommt der Verzicht auf die von Beginn an kontinuierliche Begleitung solcher Projekte durch erfahrene Juristen.“
Im Klartext: Die mächtige Rüstungsindustrie übervorteilt die staatlichen Auftraggeber, weil deren Vertreter unerfahren und in Detailfragen nicht sattelfest genug sind.