Boeing 737 Max Die ungewisse Rückkehr des Unglücksfliegers

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Eine Milliarde Mehrkosten pro Monat

Neben den Behörden wollen auch die Piloten bei der neuen Betriebserlaubnis mitreden. Besonders die Flugzeugführer aus den USA sind verärgert, weil Boeing in den ersten Handbüchern zur 737 Max die im Verglich zu früheren Modellen deutlichen Änderungen besonders an der Steuerungssoftware MCAS mehr oder weniger unerwähnt ließ. Der Argwohn stieg, als in den vergangenen Wochen weitere Probleme mit den Bordcomputern auftauchten. „Das verstärkt die Notwendigkeit, auch von unserer Seite die wichtigen Sicherheitssysteme von oben bis unten gründlich durchzukämmen“, sagt Dennis Tajer, langjähriger Chef der vor allem bei American Airlines aktiven Gewerkschaft Allied Pilots Association.

Eine weitere Hürde für einen schnellen Neustart ist die schon unter normalen Umständen langwierige Zulassung der einzelnen Flugzeuge. Nach dem Okay der FAA müssen die Fluglinien zum einen die fast 400 Maschinen wieder in den Betrieb bringen, die beim Entzug der Betriebserlaubnis im März bereits ausgeliefert waren. Das dauert bei jeder Maschine mehrere Tage.

Noch mehr Zeit braucht es bei den rund 300 Flugzeugen, die Boeing bis November produziert haben wird und auf die die Airlines händeringend warten. Die Fluglinien müssen zum einen pro Maschine mindestens zehn Piloten schulen. Das geht nicht auf Vorrat, weil der Type Rating genannten Jet-Führerschein schnell erlischt, wenn die Flugzeugführer keine Praxis auf dem entsprechenden Modell nachweisen können. „Und derzeit sind alle Flugsimulatoren für das Modell auf Monate ausgebucht“, erzählt ein Pilot.

Bei Ryanair wird die Eingliederung des Unglücksfliegers wohl noch länger dauern. Wegen der fehlenden Jets will Ryanair nicht nur einzelne Strecken, sondern gleich ganze Flughäfen aus dem Netz nehmen. Quelle: AP

Auch die technische Abnahme der Max 2.0 dauert inklusive der Testflüge und der Zulassung bei den nationalen Behörden wie dem Luftfahrtbundesamt (LBA) in Deutschland in der Regel deutlich mehr als eine Woche. Dazu bekommen die meisten Linien mehr Maschinen, als sie oder die Behörden schaffen. Selbst geübte Großkunden wie Ryanair tun sich schwer, mehr als einen Jet pro Woche in den Betrieb zu übernehmen. „Das dürfte für einen Stau und längere Verzögerungen sorgen“, so ein Airline-Manager.

Noch länger wird das Eingliedern bei Ryanair dauern. Die Iren haben statt der regulären 737 Max eine Sonderversion bestellt, die dank Details wie besonders vieler Sitzen an Bord eine eigene Zulassung braucht. „Wir erwarten, dass unser Modell bis zu zwei Monate später zertifiziert wird“, so O’Leary. Dann bekäme die Geizlinie bis zum Sommer wohl nur 30 statt der erwarteten fast 60 Maschinen. Wegen der fehlenden Jets will Ryanair nicht nur einzelne Strecken, sondern gleich ganze Flughäfen aus dem Netz nehmen.

Der letzte und am schwersten zu kalkulierende Faktor sind die Kunden und wie sehr sie der neuen Version der 737 vertrauen. Aus Sicht von Boeing und Ryanair ist das der Fall. „Die Kunden werden die Maschine lieben“, so O’Leary.

Diese Flugzeuge bleiben am Boden
Düsenflieger De Havilland DH.106 Comet (Großbritannien) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Passagier-Düsenflugzeug Baade 152 (DDR) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Tupolew TU 144 “Concordski” (Sowjetunion) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Überschallflieger Concorde (Frankreich, Großbritannien) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Douglas DC-10 (USA) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
A380 (Europa) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche
Suchoi Superjet-100 (Sowjetunion) Quelle: Konstantin Megas für WirtschaftsWoche

Doch bisher sprechen Umfragen unter Passagieren noch eher dagegen. So will laut einer aktuellen Studie des US-Marktforschers Atmosphere Research Group ein Fünftel aller Befragten erst wieder in die 737 Max einsteigen, wenn die mindestens ein halbes Jahr ohne Probleme geflogen ist. „Boeing-interne Umfragen kommen zu einem ähnlichen Ergebnis“, so Atmosphere-Chef Henry Harteveldt. Bei einer Umfrage der Schweizer Investment Bank UBS wollten sogar 70 Prozent aller Passagiere zögern.

Damit könnte am Ende für Boeing-Chef Muilenberg die nächste Quartalsbilanz im Oktober wieder so unangenehm werden wie die im April nach der Stilllegung der 737 Max. Denn jeder Monat zusätzliche Verzögerung beim Neustart seines wichtigsten Modells beschert ihm laut Schätzungen nicht nur eine Milliarde Mehrkosten an Entschädigungen für Fluglinien. Er muss auch damit rechnen, dass jede Airline höhere Rabatte als geplant haben will, bevor sie neue Jets kauft.

Wie sehr die Preise bei der Max schon jetzt unter Druck sind, zeigt der Vorvertrag der British-Airways-Mutter IAG über 200 Maschinen, der bislang einzige nennenswerte Deal seit dem Unglück vom März. „Nach allem was wir wissen, bekamen die den besten Preis seit der Krise nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001“, berichtet ein führender Manager eines Konkurrenten.

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