Dieselgate Was wussten Piëch und Winterkorn?

Neue Erkenntnisse in der VW-Affäre: Der frühere Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn und Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch sollen bereits im Frühjahr 2015 über die Abgasprobleme in den USA gesprochen haben.

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Ferdinand Piëch (l.) und Martin Winterkorn: Umstritten ist, wer wann worüber gesprochen hat. Quelle: dpa

Düsseldorf, Frankfurt In der Dieselaffäre bei Volkswagen rücken die Topmanager Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn wieder in den Fokus. Wie am Wochenende bekannt wurde, hat der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Piëch im März vergangenen Jahres bei einem Treffen des Kontrollgremiums des Wolfsburger Autobauers den damaligen Vorstandschef Winterkorn auf überhöhte Abgaswerte bei in den USA verkauften Dieselfahrzeugen angesprochen. Über das Gespräch hatte zuerst die „Bild am Sonntag“ berichtet.

Weder Martin Winterkorn noch Ferdinand Piëch wollten am Sonntag den Bericht kommentieren, wonach Piëch die Ermittler der US-Anwaltskanzlei Jones Day auf das Treffen mit Winterkorn aufmerksam gemacht haben soll.

Jones Day sucht im Auftrag des Aufsichtsrats von Volkswagen nach den Ursprüngen und den Verantwortlichen des Dieselskandals. Der Abschlussbericht der Anwälte soll voraussichtlich zum Jahresende veröffentlicht werden. Ermittlungsergebnisse von Jones Day werden automatisch an das US-Justizministerium weitergereicht.

Auch der Konzern äußerte sich am Sonntag nicht zu dem Treffen von Piëch und Winterkorn. Spekulationen wolle man nicht weiter kommentieren, sagte ein Sprecher. Zudem müssten weitere Untersuchungen abgewartet werden.
Entscheidend für die Ermittlungsbehörden dürfte die Frage sein, ob die Führung von Volkswagen schon früh über das Ausmaß der Abgasaffäre in den USA Bescheid wusste. Wenn ja, hätte Volkswagen viel zu spät über den Dieselskandal informiert. Details darüber waren erst im September vergangenen Jahres öffentlich gemacht geworden.

Hätten Piëch und Winterkorn tatsächlich schon im Frühjahr vergangenen Jahres über Details gesprochen, würde den Strafermittlern ein Angriffspunkt in die Hände gespielt. Anleger, die Volkswagen wegen des Kurssturzes der VW-Aktie auf Schadensersatz verklagt haben, könnten ihre Ansprüche einfacher durchsetzen. Der VW-Konzern hat bislang immer argumentiert, das gesamte Ausmaß der Krise sei erst im September 2015 bekannt geworden.

Nicht anders soll sich Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn im Frühjahr 2015 gegenüber seinem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch verhalten haben. Wie aus Konzernkreisen verlautete, sei bei dem fraglichen Treffen lediglich über einen Rückruf von Fahrzeugen in den USA gesprochen worden. Dass in den Vereinigten Staaten eine gewaltige Milliardenstrafe auf den Konzern zukommen könnte, davon sei in dem Gespräch zwischen den Managern nicht die Rede gewesen. Genauso wenig sei über manipulierte Software gesprochen worden. Bei VW habe zu diesem Zeitpunkt die Auffassung vorgeherrscht, dass es einen Rückruf geben werde, wie er auch bei anderen technischen Problemen üblich ist.


Anwalt sieht sich bestätigt

Schon zu diesem Zeitpunkt galt das Verhältnis der früher verbündeten Topmanager als belastet. Eigentlich sollte Winterkorn Piëch als Aufsichtsratschef beerben. Doch dann verhinderte der frühere Förderer den Einstieg seines ehemaligen Schützlings in das Kontrollgremium. In einem beispiellosen Machtkampf konnte sich Winterkorn damals noch als Vorstandsvorsitzender halten. Piëch zog sich Ende April 2015 als Aufsichtsratschef zurück. Nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals Ende September musste auch Winterkorn gehen.

Unter geschädigten Anlegern ist die Nachricht von dem Treffen zwischen Piëch und Winterkorn mit großem Interesse aufgenommen worden. Das Gespräch sei ein weiteres Indiz dafür, dass man im VW-Konzern viel früher als bislang behauptet über das Ausmaß der Dieselaffäre Bescheid gewusst habe. „Jetzt kommt natürlich eine Zurechnung auch über die Schlüsselfigur Piëch in Betracht“, sagte der Tübinger Anlegeranwalt Andreas Tilp dem Handelsblatt.
Anwalt sieht sich bestätigt

Tilp vertritt Investoren, die wegen der plötzlichen Kursverluste nach Bekanntwerden des Dieselskandals Schadensersatz über mehrere Milliarden Euro geltend machen. Er tritt außerdem bei der Holdinggesellschaft Porsche SE als Klägeranwalt auf. Die Porsche SE ist die Holding der Familien Porsche und Piëch, mit der sie ihre Aktienmehrheit am Volkswagen-Konzern verwalten. Die Porsche-Holding ist auch börsennotiert und war wie der Volkswagen-Konzern stark von den Kursverlusten betroffen. Tilp reklamiert bei der Porsche SE einen Schaden für Investoren von mehr als 500 Millionen Euro.

Tilp sieht sich in seiner Rechtsposition zudem bestätigt, weil in den USA weitere interne Volkswagen-Papiere aufgetaucht sein sollen, die schon sehr früh über die Abgasproblematik informieren. Demnach habe bei Volkswagen bereits 2007 Gewissheit darüber geherrscht, dass die Abgaswerte in den USA nicht eingehalten werden könnten. Als „Königsweg“ zur Lösung der Probleme sei dann die Entscheidung getroffen worden, eine Schummelsoftware in der Motorensteuerung einzusetzen.

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