Paket statt Palette Die Amazonisierung der Verpackung

Pakete in einem Zustellwagen Quelle: dpa

Der Einkauf über Amazon, Alibaba & Co. hat großen Einfluss auf das Design von Verpackungen. Der Onlinehandel werde immer wichtiger, verkündet auch Henkel-Chef Van Bylen bei der Hauptversammlung in Düsseldorf. Der Konzern orientiert sich deshalb bei Verpackungen und Rezepturen zunehmend an den Bedürfnissen des Internethandels. Und ist damit nicht allein.

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Irgendwann schickte ein Henkel-Mitarbeiter in Österreich ein Paket auf die Reise. Darin befand sich unter anderem auch eine Flasche mit Flüssigwaschmittel, an der ein Datenlogger befestigt war. Als das Paket nach zwei Tagen im Düsseldorfer Henkel-Headquarter eintraf, waren Stefan Strathmann und seine Kollegen gespannt. An den gespeicherten Daten auf dem Beschleunigungssensor konnte der Direktor Verpackungsentwicklung Laundry & Homecare ablesen, wie oft das Paket geworfen oder umgeladen worden war, wie oft es auf dem Kopf landete oder welchen Erschütterungen es ausgesetzt war. „Die Signale der Aufzeichnung bilden die Krafteinwirkungen auf die Verpackung ab“, erklärt Strathmann. „Wir erhalten dadurch Einblicke, welcher Belastung eine Flasche auf bestimmten Transportwegen ausgesetzt sein kann“. Diese Daten werden dann in einer digitalen Simulation auf viele unterschiedliche Designs angewandt und in entsprechenden physikalischen Tests nachgestellt.

Früher landeten die Produkte aus den Henkel-Fabriken schlicht und einfach auf einer Palette. Die Flaschen, Tuben, Standbeutel oder Schachteln standen aufrecht, waren geschützt von einem Karton und wurden meist von einer Folie zusammengehalten. Viel passieren konnte da nicht. „Der Wechsel von der Palette zum Einzelpaket ist ein großer Schritt“, sagt Strathmann. „Dabei ist die „Last Mile“ die zentrale Herausforderung – für alle Hersteller von Konsumgütern.“ Das kennt jeder, der mal einen Paketboten bei der Arbeit beobachtet hat: Pakete werden geworfen, fallen auf den Boden, purzeln wild durch den Lieferwagen.

Mehr als 110 Jahre nach der Markteinführung von Persil springt Henkel mit der Einführung von E-Commerce-Varianten seiner Produkte auf einen Trend, der die gesamte Konsumgüterindustrie umtreibt. Auch Procter & Gamble (P&), Unilever oder Nestlé setzen sich intensiv mit der Anpassung ihrer Produkte an die Bedingungen des Einkaufens per Internet auseinander. Denn der Vertrieb über Amazon, Alibaba oder die Lieferdienste der Lebensmittelhändler wird für die Konsumgüterriesen immer wichtiger. Im vergangenen Jahr dürfte der Umsatz bei Gütern des täglichen Bedarfs nach ersten Schätzungen wieder zweistellig ausgefallen sein. So war es auch in den vergangenen Jahren. 2017 hatte der Onlineumsatz mit diesen Gütern 3,8 Milliarden Euro erreicht.

„Die Optimierung von Verpackungen für den Versand ist ein globales Thema bei Henkel“, sagt Moritz Klämt, Global Digital Director Laundry & Homecare bei Henkel. Betrachte man den gesamten Markt, sehe man, dass der Bereich Wasch- und Reinigungsmittel jedoch online noch vergleichsweise klein ist – weltweit liege der Online-Umsatz dort erst bei knapp 2 Prozent. Beim Düsseldofer Konzern sei der digitale Umsatz währungsbereinigt im vergangenen Geschäftsjahr zweistellig gewachsen, sagte Henkel-Chef Hans Van Bylen bei der Hauptversammlung. Vor allem in den Konsumgüterbereichen – also bei Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetik – sei die organische Entwicklung mit einem Plus von mehr als 30 Prozent sehr gut.

Warum der Markt derzeit dennoch vergleichsweise klein ist, liegt auf der Hand: „Viele unserer Produkte sind natürlich auch wegen ihrer Größe und ihres Gewichts nicht immer optimal für den Versand geeignet“, so Klämt. „Daher wollen wir die gesamten Kosten der Versendung reduzieren: unter anderem durch kleinere und leichtere Produkte. Wir stehen dazu im Austausch mit Versendern, Zulieferern und Verpackungsherstellern.“

„Wir beschäftigen uns in allen Verkaufskanälen kontinuierlich damit, unsere Verpackungen weiterzuentwickeln“, heißt es auch aus der deutschen Procter & Gamble-Niederlassung im Taunus. Neben Nachhaltigkeitsaspekten stünden beim Hersteller von Lenor, Ariel, Oral-B, Gilette oder Swiffer immer auch die Anforderungen der Verbraucher und ganz pragmatische Kriterien im Fokus. P&G verweist beispielsweise auf ein im Online-Handel stark nachgefragtes Produkt, wie etwa Aufsteckzahnbürsten. Diese seien durch eine einfache und praktische Verpackung optimiert worden, die nun gut in Briefkästen passten.

Auch Unilever (Dove, Domestos) beschäftige sich schon länger damit, Verpackungen und Produkte „bereit für den Onlinehandel (eCom ready)“ zu machen und die neuen Anforderungen des Onlinehandels in der Unilever Organisation zu verankern, heißt es aus Hamburg. Hierfür sei sogar ein spezialisiertes Team auf globaler Ebene gegründet worden. Dieses sei über alle Produktkategorien hinweg verantwortlich für die Etablierung standardisierter Testverfahren und der daraus resultierenden Verpackungs- und Produktanforderungen. Konkrete Beispiele für online-modifizierte Produkte konnte oder wollte der britisch-niederländische Konsumgüterriese nicht nennen.

Online-optimierte Verpackungen

Noch etwas hinterher beim Thema Verpackung für den E-Commerce hinkt der Bielefelder Oetker-Konzern. „Oetker sei noch nicht aktiv dran“, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. „Wir können aber nicht ausschließen, dass online-optimierte Verpackungen in Zukunft nicht doch für Oetker relevant werden.“

Während Kartons, Standbeutel oder Flaschen die Lebensmittelläden in der Regel gut behütet auf Paletten erreichen, landen sie im Onlinehandel auf dem Weg zum Verbraucher erst einmal zusammen mit anderen Produkten in einem Versandkarton. Die Gefahr von Beschädigungen ist daher wesentlich größer. Um sicherzustellen, dass die Produkte dennoch unbeschädigt daheim beim Verbraucher ankommen, lassen sich die Verpackungsexperten einiges einfallen. So veränderte Henkel beispielsweise bei einem Flüssigwaschmittel die Form der Verschlusskappe. „Wir haben in zahlreichen Tests, bei denen wir Flaschen virtuell und real aus allen möglichen Winkeln fallen haben lassen, herausgefunden, dass eine kuppelförmige Verschlusskappe eine deutlich höhere mechanische Stabilität aufweist, als die alte rechtwinkligere Form“, erklärt Henkel-Verpackungsexperte Strathmann. Zudem sei der Verschluss mit einer neuen Dichtung auf dem Markt, die direkt in die Spritzgussform eingearbeitet ist. „Wir sparen also nicht nur Gewicht und Transportkosten, die Verpackung ist dadurch auch bruch- und auslaufsicherer geworden.“ 

Verkleinert wurde die Flasche ohnehin schon: Im Rahmen einer Nachhaltigkeits-Initiative hatte sich der Internationale Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittelverband A.I.S.E. für eine höhere Konzentration von Flüssigwaschmitteln und eine Dosierempfehlung von 55 Millilitern pro Waschladung bei normal verschmutzter Wäsche und mittlerer Wasserhärte ausgesprochen. Henkel bietet daher seit vergangenem Jahr eine konzentriertere Formel an: 50 Milliliter statt zuvor 73 Milliliter. Strathmann: „Dadurch reduziert sich der Inhalt einer Flasche, etwa beim Persil Color Gel, von knapp 1,5 auf 1 Liter, bei der gleichen Zahl an Waschladungen. Dadurch können 3,5 Millionen Kilogramm Verpackungsmaterial vermieden werden. Gleichzeitig haben wir die neue Flasche gezielt auf die Anforderungen im E-Commerce hin entwickelt.“

Eine andere Möglichkeit auf die Anforderung des E-Commerce zu reagieren, stellen sogenannte Sioc-Verpackungen (Abkürzung steht für: Ships in own Container) dar. Denn beim Online-Versand hat die Sekundärverpackung einen anderen Stellenwert: Für die Persil Duo-Caps beispielsweise hat Henkel einen Umkarton für die flexiblen Kunststoffbeutel entwickelt, der bereits so stabil ist, dass er ohne zusätzliche Verpackung einzeln versendet werden kann. „Diese Duo-Cap-Verpackung haben wir zertifizieren lassen“, sagt Strathmann. „Damit weiß der Versender, dass er das Produkt nicht noch einmal extra einpacken muss. So kann er Verpackungsmaterial einsparen und der Verbraucher bekommt ein Produkt geliefert, das nicht weiteres Polstermaterial enthält oder noch zusätzlich in einem weiteren Versandkarton steckt.“

Auch der Schweizer Konsumgüterriese Nestlé (Maggi, Nescafe, Kitkat) hat das Thema Sioc im Blick. „Wir haben Produkte mit Hilfe von Sioc-Verpackungen so robust gestaltet, dass der Versand ohne zusätzliche Umverpackung möglich ist“, sagt ein Sprecher des Konzerns. Dies reduziere Pickingkosten, Kartonage und sei somit umweltfreundlicher und günstiger. Derzeit verfügen beispielsweise die Tiernahrungsmarken Felix und Gourmet über Sioc-Verpackungen. Im Bereich der Tiernahrung arbeitet Nestle derzeit daran, weitere Produkte in stabileren Verpackungen auf den Markt zu bringen.

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