Siemens Energy Kein Land in Sicht bei der Sanierung von Siemens Gamesa

Quelle: imago images

Die schlingernde Windtochter Siemens Gamesa belastet Siemens Energy abermals mit einem Mittelabfluss in Milliardenhöhe. Wann der Vertrieb von Onshore-Anlagen wieder aufgenommen wird, bleibt unklar. 

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Bei der Sanierung des deutsch-spanischen Windradbauers Siemens Gamesa ist nach wie vor kein Land in Sicht. Siemens-Energy-Chef Christian Bruch wollte am Mittwoch keine Prognose darüber abgeben, wann die Windtochter revidierte Versionen ihrer problematischen Onshore-Plattformen 4.X und 5.X wieder in den Verkauf bringen kann. Darüber werde im Laufe dieses Jahres entschieden, sagte Bruch vor Journalisten. Siemens Gamesa hatte den Vertrieb der beiden aktuellen Onshore-Windradtypen vergangenen Spätsommer wegen kostspieliger Qualitätsmängel komplett gestoppt

Die Windbranche ist trotz des Booms erneuerbarer Energien in den vergangenen Jahren enorm unter Druck geraten. Die Gründe:  Lieferkettenprobleme, stark gestiegene Kosten bei vertraglich vereinbarten Festpreisen, langwierige Genehmigungsverfahren und verzögerter Netzausbau. Auch Europas Marktführer Vestas kündigte am Mittwoch ein Sparprogramm und die Streichung der Dividende an. Die 2017 aus der Siemens-Windturbinensparte und der spanischen Gamesa fusionierte Siemens-Energy-Tochter kämpft aber zudem mit hausgemachten Problemen: Neben den Mängeln bei den Onshore-Plattformen verzögert sich der Ausbau der Fertigungskapazität für die riesigen Windräder auf hoher See. Vergangenen November hatte Bruch einen Aktionsplan mit Kostensenkungen von 400 Millionen Euro bis zum Geschäftsjahr 2026 vorgelegt, um das Windgeschäft wieder auf Kurs zu bringen.

Siemens Energy bekräftige am Mittwoch, dass es bei den veranschlagten 1,6 Milliarden Euro für die Fehlerbehebung bei den Onshore-Plattformen bleibt. Siemens Gamesa verbuchte im ersten Quartal des im Oktober gestarteten Geschäftsjahres einen Verlust von 434 Millionen Euro, bei zwei Milliarden Euro Umsatz. Für das gesamte Geschäftsjahr werden im Windgeschäft zwei Milliarden Euro Verlust prognostiziert, bekräftigte das Unternehmen.

Mittelabfluss bei Wind erreicht erst 2025 den Höhepunkt

Der Mittelabfluss im Windgeschäft war im ersten Quartal fast dreimal so hoch wie der Verlust und betrug 1,2 Milliarden Euro. Der Abfluss sei in dieser Höhe erwartet worden, sagte Finanzchefin Maria Ferraro. Siemens Energy hatte wegen milliardenschwerer Rückstellungen für Siemens Gamesa im Geschäftsjahr 2022/23 4,6 Milliarden Euro Verlust ausgewiesen. Diese Rückstellungen würden nun über die Jahre verbraucht, sagte Bruch. Der Mittelabfluss werde 2025 seinen Höhepunkt erreichen. Erst im Geschäftsjahr 2026 soll Siemens Gamesa in die Gewinnzone zurückkehren.

Bruch warb um Verständnis dafür, dass „die Abarbeitung der Themen“ Zeit koste. Die technische Untersuchung der Onshore-Plattformen sei „weitestgehend abgeschlossen“, so der Konzernchef. „Wir verstehen die Problemfälle und diskutieren Lösungen mit den Unterlieferanten.“ Auch Schadensersatzansprüche werden geprüft. Bei „einzelnen Lieferanten“ glaube Siemens Energy, Ansprüche geltend machen zu können, so Bruch. Sind allerdings Fehler im Design der Anlagen der Grund für die Beschädigung wichtiger Bauteile wie etwa Lagern, dürfte es schwierig werden, Lieferanten in Regress zu nehmen.

Höhere Produktionsvolumina bei Offshore ab April

Wegen des Verkaufsstopps für die Onshore-Plattformen halbierte sich der Onshore-Auftragseingang im vergangenen Quartal. Durch deutlich höhere Bestellungen für Offshore-Anlagen und Service blieb der Gamesa-Auftragseingang insgesamt stabil bei 1,6 Milliarden Euro, der Umsatz legte um fünf Prozent auf zwei Milliarden Euro zu.

Im Offshore-Geschäft hat Siemens Gamesa Bruch zufolge zusätzliche Lieferanten unter Vertrag genommen, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Zunächst sei der Hochlauf zu optimistisch geplant worden, „jetzt gilt es, den Prozess in der Fertigung zu optimieren“. Bereits in der zweiten Geschäftsjahreshälfte, also ab April, seien deutlich höhere Produktionsvolumina zu erwarten.

Finanzchefin Ferraro betonte, dass Siemens Energy trotz der enormen Abflüsse bei Gamesa eine starke Liquidität habe. Per Dezember hatte Siemens Energy 840 Millionen Euro mehr Geld in der Kasse als Schulden. Das wurde vor allem dadurch erreicht, dass Siemens Energy einen 18-Prozent-Anteil an der indischen Siemens-Landesgesellschaft Siemens Limited an die Ex-Mutter Siemens veräußerte und hierfür 2,1 Milliarden Euro einnahm.

„In der Detailklärung“ mit der spanischen Regierung

Diese Transaktion war Teil eines Rettungspakets der Bundesregierung: Der Bund stellte vergangenen November Rückgarantien von 7,5 Milliarden Euro aus, damit die Banken Siemens Energy auch künftig mit den für die Auftragsannahme und -abarbeitung nötigen Avallinien versorgen. Anders als angekündigt, haben andere Regierungen bislang allerdings keine weiteren Rückgarantien gewährt. Mit der spanischen Regierung liefen Gespräche, hier gebe es eine „positive Unterstützung“, sagte Bruch. „Wir sind noch in der Detailklärung.“

Die drei anderen Siemens-Energy-Sparten fossile Kraftwerke, Stromnetze sowie Industrietransformation wuchsen im ersten Quartal kräftig, bei teils deutlich verbesserten Margen. Dadurch kam Siemens Energy insgesamt trotz des hohen Gamesa-Verlusts auf einen Gewinn vor Sondereffekten von 208 Millionen Euro, nach einem Fehlbetrag von 282 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Der Verkauf der Beteiligung an Siemens Limited brachte einen Buchgewinn von 1,7 Milliarden Euro vor Steuern ein. Dadurch blieb unter dem Strich ein Nachsteuergewinn von 1,6 Milliarden Euro.

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Wegen der überall auf der Welt boomenden Nachfrage nach Stromnetzen, Windanlagen und wasserstofffähigen Gasturbinen kann sich Europas größter Energietechnikkonzern vor Aufträgen kaum retten. Von Oktober bis Dezember gingen Orders über 15,4 Milliarden Euro ein, neuer Rekord in einem Quartal. Der Konzernumsatz stieg um 12,6 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. Siemens Energy bestätigte die Jahresprognose, wonach der Umsatz um drei bis sieben Prozent steigen und eine Marge zwischen minus zwei Prozent und plus einem Prozent erzielt werden soll.

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