Siemens-Umbau Herr Kaeser regelt sein Erbe

Seite 2/2

Siemens ist seit vielen Jahren eine Baustelle

Bei zwei der drei strategischen Unternehmen läuft es – milde formuliert – holprig. Der Zusammenschluss des Windkraftgeschäfts mit Gamesa erfolgte übereilt, außerdem brachen einige wichtige Märkte weg. Zurzeit baut das Joint Venture Tausende Arbeitsplätze ab. Die geplante Fusion der Zuggeschäfte von Siemens und Alstom stößt auf Widerstand der Brüsseler Kartellbehörden.

Ausgerechnet Kaesers stärkstes Argument, man müsse der Übermacht des chinesischen Anbieters CRRC etwas entgegensetzen, lässt die EU nicht gelten. In Europa, heißt es dort, sei CRRC noch kein echter Wettbewerber.

Siemens ist seit vielen Jahren eine Baustelle. Strukturen wurden geschaffen, nach einigen Jahren wieder eingerissen und schließlich neu zusammengesetzt. Mit den drei neuen operativen Einheiten Gas and Power, Smart Infrastructure und Digital Industries kehrt Kaeser nun zu einer Struktur zurück, die der seines glücklosen Vorgängers Peter Löscher nicht unähnlich ist. Der Österreicher hatte Siemens über vier so genannte Sektoren geführt, einer hieß Energy, ein anderer Infrastructure and Cities. Kaeser machte aus den vier Sektoren vor vier Jahren dann acht Divisionen – die er jetzt wieder einstampft.

Kein Zweifel, der 60-jährige Niederbayer ist dabei, sein Erbe zu regeln, es macht sich bei ihm eine gewisse Gelassenheit breit. Und das nicht zu Unrecht, denn die Zahlen stimmen. In gut zwei Jahren, zur Hauptversammlung im Januar 2021, wird Kaeser die Konzernführung an seinen Nachfolger übergeben.
Beinahe auf den Tag genau vor fünf Jahren, es war ähnlich heiß wie jetzt, stand der ehemalige Finanzvorstand Kaeser im Innenhof der Konzernzentrale in München. Siemens war unter Löscher in schwere Turbulenzen geraten. Der Konzern hatte die Märkte mit einer Gewinnwarnung geschockt, musste Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen und war bei zahlreichen Großprojekten in Verzug geraten. „Siemens hat seine innere Ordnung verloren“, diagnostizierte Kaeser damals.

Die hat das Unternehmen wiedergefunden. Die Profitabilität ist um 40 Prozent gestiegen, in fast allen Geschäften sind die Margen heute höher. „Dazu haben wir unsere Investitionen in Forschung und Entwicklung um 20 Prozent gesteigert“, so Kaeser. Auch bei der Vorlage der Bilanz für die Monate April bis Juni heute in München konnte Kaeser fast ausnahmslos gute Zahlen verkünden.

Der Auftragseingang stieg währungsbereinigt im Vergleich zum Vorjahresquartal um 21 Prozent auf 22,8 Milliarden Euro. Die Ergebnismarge im industriellen Geschäft kletterte von 10,1 auf 10,7 Prozent. Vor allem mit seinen Geschäften rund um die Digitale Fabrik verdient Siemens richtig Geld. Der Umsatz der Division stieg zwischen April und Juni um 13 Prozent auf fast 3,3 Milliarden Euro. Die Marge verbesserte sich von 15 auf 21 Prozent. Insgesamt wuchs das Digitalgeschäft bei Siemens in den vergangenen drei Jahren um 80 Prozent. Auch durch geschickte Zukäufe hat Kaeser in dem Bereich die Weichen richtig gestellt.
Ob Kaesers neue Konzernstruktur die richtige ist, ob seine Strategie nachhaltig ist, um die Zukunft des Konzerns in Zeiten dramatischer Umbrüche zu sichern, wird sich wohl erst beantworten lassen, wenn mehr Einzelheiten bekannt sind und sich das neue Organisation eingespielt hat. Kaeser wird dann wohl nicht mehr an der Spitze stehen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%