Toyota Eine ganz billige Nummer

Toyota zielt auf die Schwellenländer und will mit der Marke Daihatsu ein Billigauto auf den Markt bringen. Damit sind die Japaner der Konkurrenz in einem wichtigen Segment voraus – und lassen auch VW weit hinter sich.

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Der Etios ist bislang Toyotas Einstiegsmodell für die Schwellenländer. Mit 8.500 Dollar ist das Modell aber noch zu teuer, um ein Verkaufsschlager zu werden. Quelle: dpa

Tokio/Düsseldorf Europa ist satt, die USA auch. Auf den angestammten Automärkten wird der Wettbewerb längst über Verdrängung geführt. Und auch das Wachstum in China verliert langsam an Schwung. Daher schaut sich die Industrie längst nach Märkten um, deren Automarkt noch in der Entwicklung steckt. Länder, in denen mit dem Wohlstand auch der Bedarf an Mobilität steigt. Der Schlüssel zu solchen Schwellenländern, ist ein günstiges Einstiegsauto.

Die Pläne sind zahlreich, und werden immer konkreter. Nun verrät auch der Weltmarktführer Toyota wie man sich den Angriff auf das Einstiegssegment vorstellt. Eine zentrale Rolle soll dabei die Kleinwagenmarke Daihatsu spielen, die Toyota am Anfang des Jahres komplett übernommen hatte. Die Tochter gilt als Kleinwagenspezialist der Toyota-Gruppe. In Japan ist das Unternehmen auf eine steuerlich begünstigte Klasse von Zwergautos konzentriert, deren Motoren maximal einen Hubraum von 660 Kubikzentimetern haben dürfen. Bereits Anfang 2017 soll das erste Modell für den internationalen Markt vorgestellt werden.

Damit haben die Japaner den großen deutschen Konkurrenten VW innerhalb weniger Monate überholt. Immer wieder mussten die Wolfsburger ihre Pläne für ein Billigauto umschmeißen. Eine Kooperation mit Suzuki endete im unschönen Scheidungskrieg. Trotzdem hält der VW-Konzern bislang an seiner Ankündigung fest, ab dem Jahr 2018 in das Geschäft mit den sehr günstigen Einstiegsvarianten einzusteigen, wahrscheinlich mit einer eigenen Submarke.

Zuletzt berichtete das „Manager Magazin“, dass VW eine Kooperation mit dem indischen Konzern Tata eingehen will, um die Entwicklung des Billigautos voranzutreiben. Die Inder gelten als Spezialisten für Kleinstwagen in den Schwellenländern. Mit dem Nano gehörten die Inder zu den ersten Anbietern eines extrem günstigen Kleinwagens. Doch bei den Verkäufen hinken sie im Heimatmarkt hinterher.

Trotzdem wäre es für VW ein logischer Schritt, mit einem Hersteller zu kooperieren, der den Markt kennt. Indien gilt für Autoexperten als Schlüsselmarkt für den Erfolg in Schwellenländern. Wer es dort schafft, der schafft es überall. In der Autowelt ist das Land bekannt für sein „frugales Ingenieurswesens“. Eine nette Umschreibung für den sehr sparsamen Einsatz von Ressourcen, um Fahrzeuge zu entwickeln, mit denen sich trotzdem noch Gewinn erzielen lässt. Eine Aufgabe, die insbesondere die detailverliebten VW-Konstrukteure seit Jahren herausfordert.

Doch wer Weltmarktführer sein will, kommt nicht umhin, auch in den Schwellenländern vorne mitzuspielen. „Indien ist der vielversprechendste Automarkt der Welt“, erklärt der Gaurav Vangaal, Analyst von IHS Automotive in Indien. Auf 1.000 Einwohner sind dort gerade einmal 14 Autos zugelassen – und damit deutlich weniger als in China.

Bislang tut sich Toyota in Indien schwer. Nach Marktanteilen gerechnet ist das Land seit Jahrzehnten fest in der Hand von Daihatsus japanischem Erzrivalen Suzuki, der mittlerweile die Mehrheit an Maruti Suzuki besitzt. Daran konnte auch Toyotas recht frühe Attacke auf das Einstiegssegment nichts ändern.


Renault – der Überraschungssieger in Indien

Zu Beginn des Jahrzehnts führte das Unternehmen eigens für Indien entwickelte Modelle ein: den Etios in verschiedenen Ausführungen. Für Toyota war dies strategisch so wichtig, dass der Konzern 2011 ein Testfahrt-Event am Fuße des Nationalbergs Fuji durchführte. Aber der Absatz dümpelt bei 2.000 Tausend Stück pro Monat und Modell dahin, während die Konkurrenz den Abstand vergrößerte.

Toyota ist für Indien immer noch zu teuer, erklärt Marktexperte Vangaal. Ein Etios beginnt bei 8.500 US-Dollar. „Außerdem ist Toyota bisher nicht in der Lage, Modelle so schnell auf den Markt zu bringen, wie die Konkurrenz.“ Und der Markt ändert sich derzeit rasant.

Andere Konzerne haben die Chance längst gewittert und treiben ihr Geschäft in den Schwellenländern voran. Besonders Renault ist der Einstieg in Indien fulminant gelungen. Der Renault Kwid, ein kompakter SUV für umgerechnet 5.000 Dollar, ist zum Bestseller geworden. In den ersten acht Monaten wurde das Modell 65.000 Mal verkauft – und die Nachfrage steigt mit jedem Monat. Renault schielt darum längst auf weitere Märkte: In Südamerika soll der Kwid bald starten. Dafür wird in Brasilien ein neues Montagewerk entstehen. Und auch in Afrika scheint das Potential für das Billig-SUV riesig. Und das obwohl das Modell nach europäischen Sicherheitsstandards durchfallen würde.

Dabei haben auch die Franzosen gelernt, ihre Kosten drastisch zu reduzieren. Selbst die Technologie der rumänischen Billigtochter Dacia war zu hochwertig, um zu Billigpreisen verkauft zu werden. Renault und Nissan entwickelten beispielsweise ihre gemeinsame Plattform CSF-A für Kleinwagen in Schwellenländern vor Ort, während der Etios größtenteils in Japan entworfen wurde. Auch die kürzlich wiederbelebte Marke Datsun der Renault-Schwestermarke Nissan ist seit der Markteinführung seines Redi-GO erfolgreicher als die drei Toyotas Einstiegsmodelle, die zusammen auf 1.000 bis 3.000 verkaufte Fahrzeuge im Monat kommen.

Die Absatzzahlen sind wichtig. Denn Toyotas Fertigungslinien sind nach Vangaals Schätzung nur zu 50 bis 55 Prozent ausgelastet, ein miserabler Wert in der Toyota-Welt. Damit der Preis gehalten werden kann, müssen die Autobauer aber auch über ihre Grenzen hinausdenken – und exportieren. Damit der Preis gehalten werden kann, müssen die Autobauer aber auch über ihre Grenzen hinausdenken – und exportieren.

Um in den Schwellenländern den Durchbruch zu schaffen, braucht Toyota nicht nur Daihatsus Fabriken in Indonesien oder Malaysia, sondern vor allem das Fabrikations-Know-how der Kleinwagenmarke, meint Kurt Sanger, Autoanalyst der Deutschen Bank in Japan. Allerdings müsse Toyota die Lehren der erfolgreichen Hersteller beherzigen, mahnt der Inder Vangaal. „Wer Erfolg haben will, muss Autos wie ein Inder entwickeln – und die Autos müssen so zuverlässig wie japanische Autos sein“, bringt Vangaal die Herausforderung auf den Punkt.

Dafür tritt die Toyota-Zentrale auch mehr Verantwortung an Daihatsu ab. Die Kleinwagen aus der Zusammenarbeit basieren künftig allesamt auf der Plattform „Daihatsu New Global Architecture” (DNGA). Der Mutterkonzern will zwar unterstützend tätig sein, doch Entwicklung, Beschaffung und Produktionsplanung liegen bei Daihatsu. Das passt zur Strategie von Akio Toyoda, der seit seinem Amtsantritt daran arbeitet, Entscheidungen zu dezentralisieren und zu beschleunigen. Mit seiner Billigstrategie haben die Japaner damit ein Jahr Vorsprung vor VW. Das Sparmobil könnte so der Schlüssel, um die Wolfsburger auch bei der Weltmarktführerschaft vorerst hinter sich zu lassen.

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