„Apple Vision Pro“ Ist das der Start in ein neues Technologiezeitalter?

Tim Cook, CEO von Apple, bei der Ankündigung neuer Produkte auf dem Apple-Campus. Quelle: dpa

Konzernchef Tim Cook hat auf der Entwicklerkonferenz WWDC die neue Apple Vision Pro enthüllt – eine Digitalbrille mit stolzem Preis. Doch ist der tatsächlich so abschreckend?

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War das ein versteckter Hinweis, dass sich Apple seiner Sache doch nicht so sicher ist? Die Keynote zur weltweiten Entwicklerkonferenz, die seit Corona vorab aufgezeichnet wird, startete mit einem Einspieler. Ein Mann, der einer schillernden Seifenblase hinterherjagt, die sich in viele kleine zerfächert und dann wieder zusammensetzt. Am Ende erreicht er sie, schwingt sich auf sie, die ihn wie mit einem fliegenden Teppich in neue Höhen trägt. Mit Blasen werden auch gern Tech- und Investmenttrends beschrieben, wie vor kurzem noch das Metaversum und jetzt generative Künstliche Intelligenz. Was wirklich Bestand hat und was zerplatzt, das kann man zumindest beim Start nicht einschätzen.

Nach 82 Minuten Videospektakel mit neuen Mac-Computern und zusätzlichen Softwarefunktionen für iPhone, iPad und Mac kam Apple-Chef Tim Cook endlich zu dem berühmten „one more thing“, mit dem Apple-Gründer Steve Jobs so gern sein Publikum überraschte. Nur dass es nach den ganzen strategisch platzierten Indiskretionen keine echte Überraschung war.

Apple bringt Anfang nächsten Jahres seinen ersten „Gesichtscomputer“ (O-Ton) auf den Markt, vorerst nur in den USA. Weil „facial computer“ nicht so toll klingt, wird er im typischen Apple Produktslang „Apple Vision Pro“ heißen.

„Die Verschmelzung digitaler Inhalte mit der realen Welt kann Erlebnisse ermöglichen, wie wir sie noch nie gesehen haben“, verspricht Cook. Und um die eigentliche Nachricht gleich vorab zu bringen, was sich wahrscheinlich auch bei den meisten im Gedächtnis einbrennen wird: Der Computer auf der Nase wird stolze 3499 Dollar kosten. Mike Rockwell, verantwortlich für erweiterte und virtuelle Realität bei Apple, rechtfertigte den Preis damit, dass man schließlich dafür das „fortschrittlichste Unterhaltungselektronikgerät aller Zeiten“, erhalten würde. Über 5000 Patente hätte Apple dafür angemeldet. Und in dem Paket für die Nase würde nicht nur ein hochwertiger Computer, sondern gleich zwei hochauflösende Fernseher und eine Luxus-Raumklanganlage stecken.

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„Die Grundidee ist, dass klassische Monitore irgendwann überflüssig werden“, kommentiert AR-Forscher Philipp Rauschnabel, Professor an der Universität der Bundeswehr in München. Man zaubert sie sich einfach ins Blickfeld.

So sieht die Apple Vision Pro aus

Die Vision Pro sieht wie eine futuristische Skibrille aus. Sie ähnelt der Meta Quest Pro, die Meta im vergangenen Oktober auf den Markt brachte und deren ursprünglicher Preis mangels Nachfrage inzwischen von 1499 Dollar auf 999 Dollar gesunken ist. Nur, dass die Apple Brille natürlich wesentlich edler im Design ist und noch viel stärker mit Technik vollgepfropft.



Wie beim iPhone geht Apple auch diesmal seinen eigenen Weg. Damals hatte Jobs kühn beschlossen, dass man für das Bedienen des Smartphones keinen Stift benötigte, sondern auf den Finger gesetzt. Den habe man schließlich immer bei sich. Bei der Vision Pro hat Apple die bei der Konkurrenz nötigen Controller zum Bedienen weggelassen. Sie wird mit Augen und Handbewegungen gesteuert, die mittels Kameras erfasst werden, sowie der Stimme. „Es ist ein revolutionäres Produkt, das nur Apple liefern kann“, prahlt Cook. Die Brille ist so konzipiert, dass sie sowohl mit erweiterter wie auch virtueller Realität genutzt werden kann.

Wie gut die Illusion des Vermischens von echten und künstlichen Welten funktioniert, hängt stark von der Schärfe der Bilder ab. Laut Apple hat man dafür zwei speziell angefertigte Mikro OLED Displays in die Brille integriert, die „mehr Pixels als ein 4K-Fernseher liefern – für eine atemberaubende Klarheit“.

In die Brille sind Lautsprecher eingebaut, über die räumlicher Klang eingespielt wird, um die Illusion zu perfektionieren. Über Mikrofone wird dabei die Umgebung analysiert, um den Sound anzupassen.

Die Vision Pro fungiert zudem als 3D-Kamera, kann also die Umgebung in Fotos und Videos abspeichern und später abspielen. Das wird wahrscheinlich am Anfang die populärste Funktion werden.

Wie stark die Brille auf die Nase drückt und wie schwer sie ist, will Apple noch nicht verraten. Man hat aber den Akku, der bis zu zwei Stunden Betriebsdauer erlauben soll, ausgelagert. Mit einem Kabel mit Magnetanschluß ist er mit der Brille verbunden.

Künstliche Intelligenz – Geschichte einer Idee

Für seine Brille hat Apple das „erste räumliche Betriebssystem“ namens Vision OS entwickelt. Mit ihm kann man auch die Inhalte von anderen Apple Geräten wie iPhone oder Mac ins Gesichtsfeld zaubern, neben allerhand Spielen oder Anwendungen.

Die Brille erlaubt sowohl völliges Abtauchen in die virtuelle als auch erweiterte Realität, bei der auch die Umgebung noch wahrgenommen wird. Damit die Mitmenschen mitbekommen, wie stark man in der virtuellen Realität versunken ist, hat sich Apple einen Kniff einfallen lassen. Wenn jemand herantritt, klart sich die Brille auf und macht die Augen sichtbar. Zumindest wirkt das so. Denn die Brille wird nicht durchsichtig, sondern es wird die zuvor mittels Kamera aufgenommene Augenpartie auf einem Display angezeigt.

Neben seinem M2 Computerchip hat Apple für die Brille einen extra Prozessor namens R1 entwickelt, der speziell für die Verarbeitung der Signale der Kameras, Sensoren und Mikrofone zuständig ist. Laut Apple soll er Bilder innerhalb von 12 Millisekunden auf die Displays übertragen können, was eine „nahezu verzögerungsfreie Echtzeitansicht“ erlauben werde. Das ist wichtig, um der sogenannten motion sickness vorzubeugen.

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All das ist beeindruckend. Und Apple hat für die Forschung und Entwicklung sicherlich etliche Milliarden Dollar in die Hand genommen. Aber beim Preis muss man schon schwer schlucken. Der „Pro“ Zusatz legt nahe, dass es auch eine abgespeckte Version geben wird. „Ich glaube, sie erwarten nicht zu viele davon zu verkaufen, sie ist zunächst für Entwickler und Hardcore-Apple-Fans gedacht“, meint VR-Pionier Christopher Peri, der für Samsungs VR und AR Sparte im Silicon Valley arbeitet. „Mal schauen, was die nächste Version bringt.“

Auch für AR-Forscher Rauschnabel ist der Preis kein Ausschlusskriterium. Momentan ziele das Gerät auf Profi-Anwender. „Wenn durch ein solches Gerät ein größerer Bildschirm und ein paar Dienstreisen eingespart werden können, hat sich das schon amortisiert“, meint er. Falls sich das Produkt durchsetze, werde der Preis sicherlich fallen.

Apple und Disney arbeiten zusammen

Tatsächlich hat Apple wie kein anderer Marktteilnehmer – vielleicht Samsung ausgenommen – dank seiner iPhones, iPads, Apple Watches und Macs mächtige Skaleneffekte bei den Komponenten. Meta, dank der Übernahme von Oculus und milliardenschweren Investitionen momentan Marktführer bei AR und VR, hat dies nicht und wird sich schwer strecken müssen.



Zudem hat Apple den Vorteil, bereits stark in der Medienbranche verwurzelt zu sein. Zur Unterstützung hatte sich Cook niemand Geringen als Disney-Chef Bob Iger zur Seite geholt. Der hatte damals schon Apple-Gründer Jobs assistiert, als dieser eine Videofunktion für iPods vorstellte. Disney, bei dem die Familie von Jobs einer der größten Aktionäre ist, wird Inhalte speziell für Apples Videobrille entwickeln.

Das Risiko für Apple wäre zudem viel größer, wenn Cook einfach nur abgewartet hätte, wie sich der Markt für erweiterte und virtuelle Welten entwickelt und die Konkurrenz womöglich davongezogen wäre. Zudem versteht sich Apple als Unterhaltungselektronikgigant. Wenn AR und VR sich tatsächlich als die Zukunft der Unterhaltung etablieren, muss Apple dort mitmischen. Der Markt liegt nah und lässt sich viel besser argumentieren und absichern, als etwa eine Expansion in das Fahrzeuggeschäft. Über die wird ebenfalls seit Jahren spekuliert.

Interessant war auch, dass nicht einmal der Begriff „Metaversum“ in der Apple Keynote auftauchte. Daran hat Apple auch kein Interesse. Denn das Metaversum wurde von Meta gekapert, was in der Branche schon länger für Unmut sorgt.

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Ist das der Start in ein neues Technologie-Zeitalter? „Kurz und knapp: Ja“, meint AR-Forscher Rauschnabel, der als Sachverständiger auch die Bundesregierung beraten hat. Zwar werde es noch eine Weile dauern, bis die ersten Menschen damit in der Stadt herumlaufen. Aber Apple würde nun stark beeinflussen, in welche Richtung sich die Branche entwickelt.
Experten der Boston Consulting Group haben das globale Marktvolumen für AR/VR-Hardware und Software gerade neu hochgerechnet. Sie erwarten für 2030 ein Umsatzpotential von 250 Milliarden Dollar. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das iPhone wird noch lange der wichtigste Umsatzträger für Apple bleiben.

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