Datenschutz Start-up Wire macht Messaging für Unternehmen sicher

Smartphone-App für Kurznachrichten Quelle: imago images

Das schweizerisch-deutsche Start-up Wire will die einfache Nutzung von Messengern wie WhatsApp & Co. als sichere App in die Unternehmen bringen – und hat in anderthalb Jahren bereits rund 600 zahlende Kunden gewonnen.

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Für viele Unternehmen ist es ein schwieriger Spagat: So beliebt Messaging-Apps wie WhatsApp, Facebook Messenger oder Threema auf den Smartphones von immer mehr Deutschen auch sind, so unbeliebt sind sie in den auf Sicherheit bedachten IT-Abteilungen: Denn für die IT-Profis ist die Kommunikation jenseits der Computernetzwerke schwer zu managen. Der Autozulieferer Continental hat etwa im vergangenen Jahr seinen Mitarbeitern die Nutzung von Messengern wie WhatsApp und Snapchat auf Dienst-Handys untersagt.

Während viele Menschen in ihrer Freizeit Fotos, Videoclips oder kurze Textnachrichten über Messingdienste austauschen, müssen sie im Job noch immer per E-Mail kommunizieren. Laut einer GfK-Umfrage erhält jeder deutsche Büroangestellte im Schnitt rund 600 E-Mails im Monat – mit steigender Tendenz. Und damit wächst bei den Unternehmen auch der Aufwand, um diese so sicher wie möglich zu machen, etwa durch Virenscanner-Lösung, zusätzliche Verschlüsselung oder eine verzögerte Zustellung, also eine Art E-Mail-Quarantäne. Einfache Kommunikation sieht anders aus – und so nutzen viele Beschäftigte dann doch heimlich Messaging-Apps auf ihren Smartphones – und erzeugen dadurch neue Einfallstore für digitale Schädlinge wie Viren oder Erpressersoftware. Obendrein hat das Unternehmen keinerlei Kontrolle über diese Kommunikationskanäle.

Genau in diese Lücke drängt Morten Brøgger: „Wir bieten eine Messaging-App an, die ähnlich einfach funktioniert wie WhatsApp – die zugleich aber super-sicher und speziell für Unternehmen geeignet ist“, sagt der 50-jährige Däne. Brøgger ist Vorstandschef von Wire, einem schweizerisch-deutschen Start-up mit Hauptsitz in Zug in der Schweiz und Niederlassungen in Berlin sowie San Francisco.

Für jede Nachricht ein anderer Schlüssel

Wire hat ursprünglich eine alternative Messaging-App zu WhatsApp für Privatleute entworfen – die hatte wegen der bereits riesigen Reichweite des Konkurrenten keine Chance. „Diese Schlacht hat Facebook gewonnen“, räumt Brøgger ein. Daher ist das Unternehmen vor rund zwei Jahren auf den Unternehmensmarkt umgeschwenkt und hat seinen Messenger für den Einsatz in Firmen umgebaut. Dafür ist vor allem der Standort Berlin verantwortlich, wo die Software-Entwickler von Wire sitzen – und mit 60 Mitarbeitern der Großteil der weltweit 80 Wire-Beschäftigten.

Laut Brøgger sei Wire heute einer der sichersten Messenger überhaupt. Die Kommunikation läuft nicht nur durchgehend verschlüsselt vom Sender zum Empfänger ab. Zugleich gebe es bei Wire das sogenannte Man-in-the-Middle-Problem nicht: „Bei herkömmlicher Verschlüsselung liegt der Schlüssel zum Entschlüsseln einer Mail meist irgendwo in der Cloud“, sagt Brøgger. „Theoretisch kann also der Cloud-Anbieter – eben der Man-in-the-middle – einem bei der Kommunikation über die Schulter blicken.“ Wire hat das Problem gelöst, indem die Schlüssel das jeweilige Gerät überhaupt nicht verlassen. „Wire hat also per-se keinen Zugriff auf die Schlüssel“, beteuert Brøgger.

Damit aber nicht genug: Jede einzelne Nachricht erhält einen eigenen Schlüssel. Das bedeutet: Selbst wenn es einem Hacker gelänge, die Verschlüsselung zu knacken, erhielte er nur den Zugriff auf die einzige dazugehörige Nachricht. „Das ist, als ob man eine Million Dollar nicht komplett in einem Safe verschließt, sondern einzelne Ein-Dollar-Scheine in eine Million Tresore“, erläutert Brøgger das Prinzip.

Morten Brøgger, Vorstandschef von Wire, hat mit Wire einen super-sicheren Messenger auf den Markt gebracht. Inzwischen hat Wire bereits rund 600 Kunden.

Wie Wire funktioniert, ist für jeden, der sich mit Technik auskennt, einsehbar, weil der Messenger auf dem Open-Source-Prinzip basiert, der komplette Quelltext der Software also offen liegt. „Ein Kunde kann die Funktionsweise unserer App also ganz einfach überprüfen“, so Brøgger. Zudem lässt er die Software einmal im Jahr von einer unabhängigen Agentur auditieren.

DSGVO belebt das Geschäft

Dank dieser neuartigen Verschlüsselung ist die Kommunikation mittels Wire-App laut Brøgger um ein Vielfaches sicherer als über herkömmliche E-Mails – ein Verkaufsargument, das offenbar bei immer mehr Unternehmen zieht: Seit Anfang vergangenen Jahres bietet Wire seinen Messenger als Unternehmenslösung an – mehr als 600 zahlende Kunden rund um den Globus setzen sie inzwischen ein. Die Unternehmensberatung EY und der Vermögensverwalter Blackrock sind ebenso dabei wie das Uno-Kinderhilfswerk Unicef in den USA oder der deutsche Spezialist für Fernwartungssoftware Teamviewer aus Göppingen.

Wieviel Umsatz er mit seinem super-sicheren Messenger inzwischen erzielt, mag der Wire-CEO nicht genau verraten – aber immerhin so viel: „In den vergangenen vier Quartalen haben wir unseren Umsatz in jedem Quartal glatt verdoppelt“, so Brøgger. Rund 30 Prozent seines Geschäfts macht Wire in Nordamerika, der Rest entfällt auf Europa.

Für weiteres Wachstum hilft auch die seit etwas mehr als einem Jahr geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union. „Sicherheit und Datenschutz gehen Hand in Hand und sind gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille“, sagt Brøgger. Zwar hätten viele Unternehmen inzwischen ihre Abläufe und Richtlinien überarbeitet. Die Investitionen in sichere Tools beginne aber gerade erst.

„Vielen Unternehmen dämmert: Wer beispielsweise WhatsApp mit Geschäftskontakten ohne deren Zustimmung nutzt, verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung“, sagt Brøgger. Der Wire-Messenger hingegen fragt seine Nutzer bei der Installation nach Zustimmung zur Datennutzung – und bietet eine einfache Möglichkeit zur Ablehnung – damit ist die DSGVO-Forderung nach Opt-in und -out erfüllt. Zusammen mit der verschlüsselten Kommunikation bei Wire ist die Einhaltung der DSGVO gewissermaßen von Beginn an eingebaut.

Inzwischen haben Behörden in Europa begonnen, die ersten empfindlichen Strafen wegen Verstößen gegen die DSGVO auszusprechen: So gab etwa die britische Datenschutzbehörde ICO Anfang Juli bekannt, dass die Hotelkette Marriott wegen eines riesigen Datenverlusts im vergangenen Jahr eine Geldbuße von umgerechnet 110 Millionen Euro zahlen soll – was Brøgger geradezu frohlocken lässt: „Viele Unternehmen werden jetzt umdenken und in die sichere und Datenschutz-konforme Kommunikation investieren.“

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