EU-Kommission schlägt zu Microsoft muss eine halbe Milliarde Euro Strafe zahlen

Microsoft muss wegen unfairer Geschäftspraktiken 561 Millionen Euro Geldbuße an die Europäische Union zahlen. Der Vorwurf: Konkurrenten seien benachteiligt und die Vormachtstellung am Markt ausgenutzt worden.

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Microsoft-Gründer Bill Gates Quelle: AP

Diese Lektion wird Microsoft-Chef Steve Ballmer nie wieder vergessen. Weil seine Programmierer bei einer Aktualisierung des Betriebssystems Windows 7 ein Auswahlfenster entfernten, muss Microsoft nun 561 Millionen Euro Strafe an die Europäische Union bezahlen. Über das Fenster hätten Nutzer Alternativen zum Microsoft-Browser Internet Explorer auswählen können. Die Buße bekommt Ballmer auch persönlich zu spüren: Bereits im vergangenen Oktober kündigte Microsoft an, den Jahresbonus für Ballmer auch wegen des „Browser-Problems in der EU“ zu kürzen.

Um die Entscheidung der EU richtig einordnen zu können, lohnt ein Blick zurück. Beim ersten modernen Windows-Betriebssystem setzte Microsoft 1995 noch auf seinen eigenen Onlinedienst MSN und verpasste den Trend zum World Wide Web, dem offenen Internet. Aber schon drei Monate nach der Präsentation von Windows 95 erkannte der damalige Microsoft-Chef Bill Gates seinen Fehler, rief die Wende aus und sagte dem aufsteigenden Konkurrenten Netscape den Krieg an. In einem harten Verdrängungswettbewerb rang Microsoft in den folgenden Jahren mit seinem Browser Internet Explorer den Rivalen nieder. Das aggressive Verhalten des Softwareriesen hätte damals aber fast zur Zerschlagung von Microsoft durch die US-Kartellbehörden geführt.

Windows 8 im Test - Schocktherapie für Nutzer
Flotter StartZum Start ein Fisch: Windows 8 startete in unserer virtueller Testumgebung auf einem aktuellen iMac innerhalb des Virtualisierungsprogramms Virtualbox binnen Sekunden. Der Fisch zeigt übrigens an, dass es sich um die Consumer-Vorschau-Variante des kommenden Windows-Systems handelt. Schon in der Beta-Version von Windows 7 kam der Kampffisch (Gattung Betta) zum Einsatz, aus der fertigen Version wird er verschwunden sein. Quelle: Screenshot
Wischen ist angesagt!Dann werden wir von einem schicken Login-Screen begrüßt. Nun gilt es bereits, sich dem neuen Windows-Paradigma zu nähern: Wischen statt klicken! Erst nachdem der Login-Screen mittels Wisch-Geste nach oben verschoben wurde, dürfen wir uns einloggen. Damit ist eine der beiden wichtigsten Gesten eingeführt: Das Wischen zum Scrollen von Inhalten. Die zweite wichtige Geste bei Windows 8 ist das einfach antippen einer Schaltfläche - der Doppelklick hat auf der Metro-Oberfläche ausgedient. Übrigens: Wer bei der Installation dem Wunsch von Microsoft widerspricht, sich einen Microsoft-Account für Windows 8 anzulegen, landet nach dem Start direkt auf der Metro-Oberfläche ohne den Login-Screen. Quelle: Screenshot
Kacheln statt FensterUnd dann das: Bunte große Kacheln statt Fenster. Auf einen Blick wird hier deutlich, warum Microsoft-Chef Steve Ballmer Windows 8 als die bislang “riskanteste Produktwette” von Microsoft bezeichnet. Windows 8 ist der bislang größte Traditionsbruch in der Geschichte des Windows-Systems, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1983 zurückreichen. Windows 8 hat sich von Windows Phone 7 inspirieren lassen, damit es sich genauso mittels Touch-Gesten steuern lässt wie mittels Maus auf dem PC. Anwendungen (“Apps”) und Widgets wie das aktuelle Wetter werden als Kacheln dargestellt. Für jede installierte Anwendung hängt Windows 8 eine weitere Kachel auf dem Startbildschirm an. Vorsortiert wird dabei nicht - die Sortierung übernimmt der Nutzer. Quelle: Screenshot
Anwendungen im Metro-GewandEin Klick auf die Kachel Internet Explorer und wir landen in dem Microsoft-Browser in der Metro-Variante. Bislang gibt es nur eine Handvoll mit Windows 8 ausgelieferte Microsoft-Programme, die in dem Vollbild-Metro-Modus laufen. Unter anderem von Googles Webbrowser Chrome und Mozillas Browser Firefox sind Metro-Varianten angekündigt. Ältere Windows-Software sieht dagegen auch unter Windows 8 so aus wie immer - und lässt sich damit per Touch-Bedienung nach wie vor nicht vernünftig bedienen. Anderseits ist die Bedienung der Metro-Programme mit der Maus äußerst gewöhnungsbedürftig. Nachdem wir eine Webadresse in den Browser eingegeben hatten, ist die Adressleiste plötzlich verschwunden. Erst ein Klick auf den unteren Rand des Fensters bringt sie zurück - und das erst nach einigem Ausprobieren. Alternative: ein Rechtsklick. Quelle: Screenshot
Anfängliche Verzweiflung: Wo geht’s hier raus?Und wie kommen wir nun aus dem Internet Explorer wieder raus? Ein “X” ist nirgendwo zu finden. Die altebekannte Tastenkombination Alt+F4 funktioniert auch nicht. Also schnell gegoogelt. Fazit: Wie bei einem Tablet-Konzept üblich, lassen sich die Metro-Apps gar nicht mehr so einfach beenden. Sie laufen im Hintergrund weiter und werden nur noch ausgeblendet. Und wie blendet man die App nun aus? Bei der Touchbedienung wird von rechts in den Bildschirm gewischt, um die sogenannten Charms - so nennt Microsoft das dann auftauchende Menü - herbeizuzaubern. Doch wie geht das mit der Maus? Erst ein Demonstrationsvideo von Microsoft bringt die Erkenntnis: den Cursor nach ganz unten oder ganz oben links bewegen. Damit werden die Charms rechts (siehe Screenshot) aufgerufen - und damit die Schaltfläche “Start”, um auf die Metro-Oberfläche zurückzukehren. Generell funktioniert mit der Maus vieles anders als mit der Touch-Bedienung - und manches ist auch unnötig verwirrend. Quelle: Screenshot
Zurück zum GewohntenFast wie Windows 7 sieht dagegen der klassische Desktop aus. Zu ihm gelangt der Nutzer jederzeit über den Start-Bildschirm der Metro-Oberfläche. Hier lässt sich auch wie gewohnt das Dateisystem mittels Windows Explorer durchforsten. Auch ansonsten beruhigt den eingefleischten Windows-Fan hier endlich ein gewohnter Anblick: Im unteren Bereich ist immer noch die Taskleiste, in der links die laufenden Programme und rechts Systemicons wie Lautstärkeregler, Warnungen des Wartungscenters und ein Netzwerk-Symbol angezeigt werden. Quelle: Screenshot
Einfach drauf lostippenHaben Sie beim letzten Bild etwas bemerkt? Ganz wie Windows 7 sah der Desktop doch nicht aus. Was fehlt? Genau, der mit Windows 95 eingeführte Windows-Start-Button ist ersatzlos gestrichen worden. In der ersten nur an Entwickler gerichteten Vorschau von Windows 8 war er noch vorhanden. Wie kommt der Anwender nun an seine Programme? Die Antwort ist für alte Windows-Hasen sehr ungewohnt: einfach drauf lostippen. Das funktioniert elegant und superflink - allerdings nur von der Metro-Startfläche aus, nicht vom Desktop. Wie bisher lassen sich Verknüpfungen auf Programme aber auf den Desktop oder in die Taskleiste legen. Zum Start aller anderen Anwendungen führt nun aber kein Weg am Start-Bildschirm der Metro-Oberfläche vorbei. Quelle: Screenshot

Zu einer Neuauflage des Browserkriegs kam es ab 2004. Nun forderten alternative Browser wie der Firefox von der Mozilla Stiftung oder Safari von Apple den Marktführer Internet Explorer heraus - auch weil Microsoft die Weiterentwicklung der Browser-Software nach dem Sieg in der ersten Runde sträflich vernachlässigt hatte. Im Herbst 2008 stieg außerdem Google mit seinem Browser Chrome in den Wettkampf ein. Die EU wollte nicht akzeptieren, dass Microsoft erneut versuchte, regelwidrig ein Paket aus dem marktbeherrschenden PC-Betriebssystem Windows und dem Browser Internet Explorer zu schnüren.

Im Januar 2009 leitete die EU-Kommission deshalb ein Prüfungsverfahren ein, elf Monate später einigten sich EU und Microsoft auf einen Kompromiss: Der Konzern verpflichtete sich, den Anwendern im europäischen Wirtschaftsraum ein Auswahlfenster mit alternativen Browsern anzubieten. Im März 2010 wurde das Fenster eingeführt, es verschwand aber unter Windows 7 mit dem Service Pack 1 im Februar 2011 wieder. Erst nach einer Beschwerde der EU erschien das Auswahlfenster im Juli 2012 erneut.

Microsoft versuchte, das Verschwinden der Browser-Auswahl als Panne darzustellen: „Wir bedauern zutiefst, dass dieser Fehler geschehen ist und bitten dafür um Entschuldigung“, hieß es in einem Schreiben. Doch EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia ließ sich von dem „Uups“-Geständnis aus Redmond wenig beeindrucken und wertete das Vorgehen von Microsoft als einen „schwerwiegenden Verstoß, der mit entsprechenden Sanktionen belegt werden muss“. Diese Regelverletzung kommt Microsoft nun teuer zu stehen, auch wenn die von der Kommission verhängte Summe deutlich unter der Rekord-Kartellstrafe von 1,06 Milliarden Euro liegt, zu der sie im Mai 2009 den Chiphersteller Intel verdonnerte.

Theoretisch hätte die EU-Kommission gegen Microsoft sogar mehr als fünf Milliarden Euro Buße verhängen können. Aber vielleicht hat sich auch in Brüssel die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Auffindbarkeit von Alternativ-Browsern derzeit nicht das drängendste Problem der Computer-Anwender sein dürfte. Unter europäischen Kartell-Experten wird derzeit eher über marktbeherrschende Positionen von Internetriesen wie Google oder Facebook diskutiert.

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