iPhone-Gigant vs. Medienkonzern Warum Apple Facebook attackiert

Apple und Facebook Quelle: Illustration: Leander Aßmann

Mit Attacken auf Facebook will Apple-Chef Tim Cook seinen Konzern als verantwortungsvolles Unternehmen profilieren. Doch das kann er sich kaum leisten. Denn auch Apple wird zunehmend auf Kundendaten angewiesen sein.

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Selbst als er von seiner Krebserkrankung schon schwer gezeichnet war, nahm sich Steve Jobs immer wieder Zeit für die jüngere Generation der Stars aus dem Silicon Valley. In den letzten Jahren vor seinem Tod im Oktober 2011 sahen Nachbarn den Apple-Gründer angeregt plaudernd mit Google-Gründer Sergey Brin durch Palo Alto spazieren, und auch Mark Zuckerberg wurde gelegentlich an seiner Seite gesehen. Der Facebook-Chef bewunderte Jobs und schätze seinen Rat – auch wenn er dessen Vorschlag ignorierte, zwecks geistiger Erhellung durch Indien zu pilgern.

Mit Jobs’ Nachfolger Tim Cook liegen die Dinge anders. Zwar wohnt der Apple-Chef nur wenige Straßen von Zuckerberg entfernt. Gute Nachbarn sind beide jedoch nicht. Schon früher hat Cook das Geschäftsmodell von Facebook kritisiert, weil es die Privatsphäre verletzen und sogar die Gesellschaft gefährden soll. Nun ist der Konflikt eskaliert.

Auf seiner globalen Entwicklerkonferenz stellte Apple kürzlich eine neue Version des Internetbrowsers Safari vor, die Daten nicht mehr automatisch an andere Webseiten übermittelt. Demonstriert wurde diese jüngste Errungenschaft ausgerechnet am Beispiel Facebook und des zu Facebook gehörenden Fotodienstes Instagram. Zu allem Überfluss kündigte Cook an, Apple werde seinen „News Kiosk“ ausbauen, um „echte Nachrichten“ zu präsentieren – und nicht emotional gefärbte Halbwahrheiten wie Facebook.

Cook will sein Unternehmen als gute und verantwortungsbewusste Alternative zu Facebook präsentieren, dessen Ansehen durch fahrlässigen Umgang mit Nutzerdaten zuletzt kräftig ramponiert wurde. „Ich wäre nicht in dieser Position“, erklärte er etwa auf die Frage, was er an Zuckerbergs Stelle tun würde. Die Äußerungen seien „schäbig“, schimpfte der Facebook-Chef prompt gegenüber Mitarbeitern. Apple habe selbst reichlich Probleme damit, dass Unternehmen über ihre Apps für das iPhone unbefugt Daten abgriffen. Tatsächlich geht Apple jedoch sorgsamer mit Kundeninformationen um als die meisten Wettbewerber. Der bessere Schutz sensibler Daten ist ein wichtiges Verkaufsargument für die teuren Produkte. Experten bezweifeln jedoch, dass sich diese Enthaltsamkeit dauerhaft durchhalten lässt.

Zudem verdeckt der Konflikt, wie sehr die beiden Digitalimperien aufeinander angewiesen sind. Ohne Zugang zu Facebook, Instagram und dem Kurznachrichtendienst WhatsApp wären iPhones für ihre Nutzer deutlich weniger attraktiv. Gleichzeitig sind die Apple-Kunden wegen ihrer hohen Kaufkraft für Werbekunden von Facebook besonders interessant. „Der Streit ist vor allem eine Show“, sagt Karsten Weide, Analyst des Marktforschungsunternehmens IDC.

Das sind Apples Neuankündigungen
Shortcuts für Siri: Mit dem nächsten iPhone-Betriebssystem wird man Schlüsselsätze festlegen können, die ganze Ketten von Aktionen verschiedener Apps auslösen, wenn man sie ins Gerät spricht. Quelle: AP
„Memoji“ Quelle: REUTERS
FaceTime Quelle: REUTERS
Vermessen mit „erweiterter Realität“: Auf dem iPhone-Bildschirm soll man mit einer neuen App sehr einfach Abmessungen der Gegenstände in der realen Umgebung erfahren können Quelle: REUTERS
Das gemeinsam mit dem Aminationsstudio Pixar entwickelte Format USDZ soll helfen, virtuelle Gegenstände zu verschicken und auf dem Display leichter in reale Umgebungen oder Websites einzubauen. Quelle: REUTERS
Facebooks „Like“-Buttons oder die Kommentar-Funktion sammeln auch einige Daten - Apples Webbrowser schneidet diese Übermittlung jetzt erstmal ab Quelle: REUTERS
Die Apple Watch wird nützlicher. Quelle: AP

Tatsächlich sind sich Apple und Facebook in ihrem Geschäftsgebaren bereits auffallend ähnlich: Die Ambitionen beider Unternehmen sind scheinbar grenzenlos, beide drücken ihren Kunden unerbittlich ihre Regeln auf, beide sind intern hierarchisch geführt. Und beide verschärfen die Kontrolle der Inhalte. Im Ufo-förmigen Hauptquartier in Cupertino prüfen Apple-Mitarbeiter jede App darauf, ob sie gegen die Interessen des Unternehmens oder amerikanische Sitten verstößt. 25 Kilometer weiter nördlich wacht am Firmensitz von Facebook eine wachsende Abteilung von Zensoren unter anderem darüber, dass keine Nacktfotos in dem Netzwerk auftauchen.

Beide Unternehmen sind gigantische Sammelstellen für Daten. Während Facebook-Nutzer die Informationen auf ihren Profilen selbst preisgeben, läuft der Prozess bei Apple automatisch. Über iPhones und iPads erfährt der Konzern nicht nur die Telefonnummer, sondern auch Namen, Geschlecht, Alter, Anschrift, Bankverbindung und Kreditkartennummer seiner Kunden. Abgerufene Apps, Videos und Musik dokumentieren den Medienkonsum, die Apple Watch den Puls und die tägliche Schrittzahl. Bald soll noch der Blutdruck hinzukommen.

In einer Art Zölibat hat sich Apple jedoch dazu verpflichtet, anders als Facebook oder auch Google die Daten seiner Kunden nicht auszuwerten. „Bei Apple glauben wir, dass Privatsphäre ein fundamentales Menschenrecht ist“, wirbt der Konzern für sich selbst. Ob das so bleibt? Der Markt für Smartphones scheint zunehmend ausgereizt. „Apple muss künftig mehr Geschäft mit seinen bestehenden Kunden machen“, sagt Katy Huberty von der Investmentbank Morgan Stanley. Das könnte vor allem aus der Verwertung von Kundendaten kommen.

Schwierige Enthaltsamkeit

Seit der Markteinführung vor elf Jahren hat Apple rund 1,4 Milliarden iPhones verkauft. Zuletzt sind die Geräte vor allem teurer geworden, Spitzenmodelle kosten mehr als 1000 Dollar. Mehr ist wohl nicht drin. Die neuesten Premium-iPhones, die im Herbst auf den Markt kommen sollen, dürften wieder günstiger werden, meint der für gewöhnlich gut informierte Analyst Ming-Chi Kuo von TF International Securities.

Apple will deshalb das Zusatzgeschäft weiter ausbauen. Der Umsatz der Servicesparte, die Apps, Musik, Videos und Speicherplatz vermarktet, soll bis 2020 von aktuell 39 auf 50 Milliarden Dollar steigen. Während die Konkurrenten Google und Samsung 15 Gigabyte kostenlosen Speicherplatz bieten, zahlen Apple-Nutzer schon ab fünf Gigabyte. Das allein wird aber nicht reichen, um mögliche Rückgänge im Smartphone-Geschäft aufzufangen. Der Druck, die Kundendaten stärker als bisher zu nutzen, dürfte deshalb steigen.

Zumal Beobachter bereits fürchten, dass Apple wegen der freiwilligen Selbstbeschränkung bei wichtigen Zukunftsthemen hinter die Konkurrenz zurückfällt. So hatte der Konzern mit Siri vor fast sieben Jahren zwar als erstes Unternehmen überhaupt einen sprachbasierten, digitalen Assistenten auf den Markt gebracht.
Doch inzwischen haben Alexa von Amazon und der Assistant von Google das Original technisch weit abgehängt. Während Alexa Einkäufe, Beleuchtung, Heizung und Fernseher steuert, Taxis bestellt, Hotels sucht und den Wagen öffnet, kapituliert Siri schon bei vergleichsweise einfachen Anfragen. Dabei beschäftigt Apple ähnlich viele Experten für künstliche Intelligenz wie die Wettbewerber. Anders als diese verwendet Apple die Anfragen der Nutzer über Siri aber nur anonym.

Im Konflikt mit der US-Regierung hat Cook demonstrativ die Privatsphäre seiner Nutzer verteidigt. So weigerte sich Apple, den Zugang zu Handys von Terroristen freizugeben. Das neue Betriebssystem iOS 12, das im September auf den Markt kommt, soll die technische Hürde nochmals erhöhen.

In China aber ist Cook nicht ganz so konsequent. Seit März speichert Apple die Daten seiner dortigen Kunden in Rechenzentren innerhalb des Landes, die der Konzern gemeinsam mit der chinesischen Regierungsfirma Guizhou-Cloud Big Data betreibt. Die Informationen sind verschlüsselt, die Schlüssel musste Apple aber ebenfalls in China hinterlegen.

„Diese Scheinheiligkeit ist atemberaubend“, empört sich Nicholas Bequelin, der in Hongkong die Menschenrechtsorganisation Amnesty International vertritt. „Alle Apple-Nutzer sind gleich, aber manche sind weniger gleich.“ Cook erklärt, dass er nur lokale Gesetze befolge. Rückschläge auf dem derzeit wichtigsten Wachstumsmarkt kann er sich nicht leisten.

Ablenken mit Attacke

Die verbale Attacke auf Facebook kann von solch unangenehmen Themen und ungelösten Zukunftsfragen ablenken. Entscheidend treffen dürften sie das soziale Netzwerk kaum. Der Anteil von Apples Safari-Browser am Weltmarkt liegt bei gerade mal 14 Prozent.

Die öffentlichen Antworten von Facebook fallen entsprechend selbstbewusst aus. „Kann sich jeder Konsument ein Abo für zehn Dollar oder ein Gerät für 700 Dollar leisten?“, fragt Technikchef Mike Schroepfer. Milliarden Menschen könnten das nicht. Und Zuckerberg selbst weist den Vorwurf als „aalglatt und falsch“ zurück, dass sich sein Unternehmen nicht um seine Nutzer kümmere, weil diese die Dienste kostenlos nutzen könnten.

Die Macht des Facebook-Chefs geht deutlich weiter als die von Cook. Gerade erst scheiterten Aktionäre des Netzwerks mit einer Initiative, dem Gründer jene Mehrfachstimmrechte abzuerkennen, mit denen er den Konzern unangefochten kontrolliert. Er wird vermutlich immer noch an der Spitze des Unternehmens stehen, wenn Cook nicht mehr im Amt ist. Und mit dem Nachfolger dann womöglich wieder spazierengehen.

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