Am Mittwochabend eröffnete Microsoft seine alljährliche Entwicklerkonferenz Build in San Francisco. Dabei feierte Konzernchef Satya Nadella den Weg in die digitale Zukunft. Das sind die wichtigsten Neuerungen:
Am 29. Juli wird das Betriebssystem Windows 10 ein Jahr alt. Zum Geburtstag veröffentlicht Microsoft das kostenlose Update Redstone, das diverse neue Funktionen im Gepäck hat. Dafür muss natürlich Windows 10 auf dem Rechner installiert sein. Laut Microsoft-Manager Terry Myerson läuft die Software derzeit auf rund 270 Millionen Geräten weltweit. Von dem Ziel, Windows 10 bis 2018 auf einer Milliarde Geräte laufen zu haben, ist Microsoft also noch weit entfernt. Vielleicht ein Grund, das kostenlose Update anzubieten, um dem Betriebssystem nochmal einen kräftigen Auftrieb zu verschaffen.
Ein wichtiges Feature, um PC-Nutzer zu Windows 10 locken und Microsoft außerdem zukunftsfähig und hip zu machen, ist die Weiterentwicklung der Sprach-Assistentin Cortana. Mit dem Update treibt Nadella den großen Trend Künstliche Intelligenz voran: Unterhaltungen mit der Sprachassistentin sollen sich menschlicher anfühlen. Die Software soll zu einem natürlichen Begleiter heranwachsen, der vom Nutzer lernt und ihm nach und nach immer mehr Aufgaben abnimmt. Die Zeit der schlichten Erinnerungsfunktionen ist vorbei – der Weg geht Richtung Organisation des kompletten Alltags inklusive Buchung von Terminen, Tisch-Reservierungen in Restaurants, Essensbestellungen oder Kauf von Tickets. Und das alles ohne einen einzigen Mausklick.
Bislang reagiert Cortana nur auf Befehle, mit dem Update soll sie auch von sich aus Vorschläge machen, was sie für den Nutzer erledigen könnte. Dazu soll Cortana tiefer in Programme integriert werden, etwa ins Mailprogramm oder ins Chat- und Telefonprogramm Skype. Dort kann sie Mails durchforsten und Gewohnheiten des Nutzers erlernen. Zum Beispiel könnte sie fragen, ob eine bearbeitete Datei per Mail versendet werden oder ein bestimmter Freund angerufen werden soll.
Für Microsoft ist das allerdings eine Strategie mit Risiko. Denn damit Cortana weiß, was den Nutzer umtreibt, muss das Programm jede Menge Daten des Anwenders auswerten und – zumindest teilweise – mit Datenbeständen auf den Microsoft-Servern abgleichen. Schon bisher funktionierte der Software-Assistent nur, wenn der Nutzer in die Auswertung und Übertragung von persönlichen Daten einwilligte. Die Schnüffelneigung von Windows ist legendär und sorgte schon in der Vergangenheit regelmäßig für massive Kritik am Unternehmen. Zumal Microsoft die Optionen, die Datenübertragung zu stoppen, stets gut in den Tiefen der Systemsteuerung versteckt.
Und so richtig innovativ ist die ausgebaute Beraterfunkton von Cortana auch nicht. Ähnliche Entwicklungen treiben auch schon andere Unternehmen voran. Microsoft muss sich also sputen. So arbeitet etwa Facebook an seinem Assistenten M für den Facebook Messenger, mit dem sich Nutzer ebenfalls unterhalten können. Und: Nadella räumte ein, dass der ChatBot Tay, den das Unternehmen für spielerische Unterhaltungen auf Twitter entwickelt hatte, ein Reinfall war. In weniger als 24 Stunden hatten die User aus dem unschuldigen Chat-Roboter einen sexistischen Rassisten gemacht.
Jenseits des Windows-Universums
Nadella betonte, dass Cortana nicht nur auf Windows-PC funktionieren, sondern auch mit Apps der Konkurrenz Android und iOS kommunizieren soll. Ein wichtiger Punkt, wenn Microsoft zum alltäglichen Begleiter werden will. Dann ist eine solche Schnittstelle zu Geräten jenseits des Windows-Universums unerlässlich. Denn das Windows Phone kommt einfach nicht in Schwung: Laut aktuellen Zahlen des Kantar Worldpanels kam das Windows-Phone-Betriebssystem in Deutschland zuletzt auf einen Marktanteil von gerade einmal 5,9 Prozent. In den USA sind es gar nur 2,6 Prozent. Dass Nadella gerade erst noch den Speicherbonus von 15 Gigabyte in seinem Onlinespeicher Onedrive für Handyfotos gestrichen hat, die Besitzer von Microsofts Lumia-Handys bisher fürs Archivieren der Aufnahmen im Netz nutzen konnten, macht die Handyplattform ebenfalls nicht attraktiver.
Wie Sie Windows 10 das Schnüffeln abgewöhnen
Sofern Sie Windows 10 nicht vorinstalliert auf einem neuen Rechner gekauft oder im Zuge des aktuellen Gratis-Update-Angebots bereits installiert haben, können Sie allzu großer Neugier schon im Einrichtungsprozess einen Riegel vorschieben.
Wählen Sie dann im Zuge der Installation nicht die Standard- oder Express-Einstellungen. Wer hier „Einstellungen anpassen“ anklickt, kann unter anderem blocken, dass Apps eine nutzerspezifische Werbe-ID an Internet-Dienste verschicken.
Auch der Versand von „Informationen zu meinem Schreibverhalten“ lässt sich an dieser Stelle unterbinden. Im Unterpunkt Datenschutz lässt sich zudem einstellen, dass der Rechner keine Informationen über seinen Standort an Microsoft meldet. Das, übrigens, ist ein perfektes Beispiel dafür, wo Microsofts Neugier und das Nutzerinteresse durchaus zusammen fallen können.
Denn wer etwa auf dem neugestalteten Start-Fenster beim Start die aktuellen Wettervorhersage für seinen Standort angezeigt bekommen möchte, oder bei der Suche auf dem Tablet einen Italiener in der Nachbarschaft, der kommt nicht umhin, dem Programm zu verraten, wo er sich befindet.
Läuft Windows 10 bereits, dann lassen sich die voreingestellten Optionen auch nachträglich noch ändern. Die entsprechenden Einstellungen erreichen Sie über das Start-Menü unter [Einstellungen], [Datenschutz]. Dort können Sie auch fein justieren, wie Microsoft Werbung einblendet und welche anderen Personalisierungsinfos erfasst, bzw. geteilt werden. Die Zugriffsbefugnisse auf Kamera und Mikrofon finden sich hier ebenso wie die Möglichkeit, Apps grundsätzlich den Zugriff auf Namen, Bild und andere Kontoinfos zu verweigern.
Tatsächlich lässt sich in der Datenschutz-Rubrik extrem detailliert einstellen, welche Apps auf welche Nutzerdaten, auf Kalender und auf die Kontakte zugreifen können. Standardmäßig stellt Microsoft alle Signale auf „grün“, per Klick auf den jeweiligen Schalter kann der Nutzer sie aber ebenso auf „rot“ schalten.
Auch hier verschwimmen mitunter die Grenzen zwischen sinnvollem Schutz der Privatsphäre und praktischem Nutzen der Software. Ein Leser von Zeit Online beispielsweise weist in einem Kommentar darauf hin, dass etwa die App Kochen&Genuss den (zunächst fragwürdig scheinenden) Zugriff auf die Kamera benötige, damit sich die App auch per Gesten steuern lasse und man Rechner oder Tablet beim Kochen nicht mit schmutzigen Fingern bedienen müsse.
Nur - auch hier gilt: Opt-In wäre die vertrauenerweckendere Strategie gewesen.
Wer die Kontrolle über seine an Microsoft geschickten Daten behalten will, sollte die einzelnen Punkte der Datenschutz-Rubrik Stück für Stück durcharbeiten. Im Zweifel reicht es, einzelne Funktionen probehalber zu deaktivieren und dann zu prüfen, ob irgendwelche relevanten Windows-Funktionen plötzlich den Dienst verweigern. Läuft alles wie bisher, können die Schalter auf „Aus“ stehen bleiben.
Wer aber unter [Spracherkennung, Freihand und Eingabe] das etwas sonderbar formulierte Auswahlfeld [Kennenlernen beenden] auswählt, sollte wissen, dass er damit Cortana und die damit verbundenen Assistenz-Funktionen komplett deaktiviert – einschließlich der Diktier-Möglichkeit.
Wer etwas weniger rabiat zu Werke gehen will, kann auch in den Einstellungen der Cortana-App selbst justieren, welche Quellen der Cyber-Assistent anzapfen und welche Informationen er wohin senden darf.
Ebenfalls außerhalb der oben schon erwähnten primären Datenschutz-Einstellungen findet sich ein weiteres (ebenso nützliches wie neugieriges) Feature, das sich hinter der Bezeichnung „WLAN-Optimierung“ verbirgt und es ermöglicht, den Rechner automatisch mit Funknetzen zu koppeln, die Microsoft als vertrauenswürdig bewertet. Und zudem mit solchen Hotspots, mit denen sich die Kontakte des Nutzers bereits verbunden haben und deren Zugangsdaten sie – via Microsoft – verschlüsselt weiter geben.
Das kann immens praktisch sein, wenn sich Windows-Tablet, -Laptop oder -Smartphone auch dort plötzlich mit dem schnurlosen Internet verbinden können, wo der Nutzer selbst gar nicht die Zugangsdaten des jeweiligen Netzes kennt. Zugleich aber verlangt das einiges an Vertrauen auf die Datentreue von Microsoft, seine Nutzernamen und Passwörter (wohlgemerkt: verschlüsselt) auf den Servern in Redmond abzulegen.
Die Nutznießer dieses Datenaustauschs bekommen die Zugangsdaten zwar selbst nicht zu sehen, aber wem die Vorstellung missfällt, der sollte die entsprechende Funktion unter [Einstellungen], [Netzwerk und Internet], [WLAN-Einstellungen verwalten] deaktivieren.
Ein weiterer Schritt weg von Tastatur und Maus ist Windows Hello. Über den Identifikationsdienst Hello können sich Windows-10-Nutzer mit biometrischen Daten anmelden. Statt ein Passwort einzutippen, macht eine Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung den Weg frei. Mit dem Redstone-Update soll diese Funktion nun zum Beispiel auch in Microsofts neuen Windows-Browser Edge integriert werden. Damit können sich Nutzer auch auf Webseiten passwortfrei anmelden.
Das hat aber einen Haken: Microsoft ist darauf angewiesen, dass Website-Betreiber die Funktion auch anbieten. Und der Nutzer braucht spezielle Hardware wie Fingerabdruck-Scanner oder eine Web-Cam mir 3D-Erkennung, die die biometrische Messung überhaupt erst ermöglichen.
Wie klug sind die Sprachassistenten im Vergleich?
Quiz für Cybersekretäre: Stone Temple Consulting hat untersucht, wie viele Wissensfragen die Assistenzdienste Siri, Cortana und Google Now ausführlich und korrekt beantworten.
Quelle: Stone Temple Consulting; insgesamt 3086 Fragen, Stand 2014
Ausführlich beantwortet: 58 Prozent
Korrekt beantwortet: 51 Prozent
Ausführlich beantwortet: 29 Prozent
Korrekt beantwortet: 16 Prozent
Ausführlich beantwortet: 20 Prozent
Korrekt beantwortet: 8 Prozent
Auch der Virtual-Reality-Trend beschäftigt Microsoft. Die Datenbrille HoloLens lässt allerdings noch immer auf sich warten. Auf der Build wurden einige neue Funktionen vorgestellt. Als praktische Anwendung präsentierte der Konzern in Zusammenarbeit mit der Case Western Reserve University der Cleveland Clinic einen Medizin-Studenten, der mithilfe der Datenbrille holographisch den Aufbau des menschlichen Körpers studieren kann. In der Präsentation schaltete sich ein Professor dazu, der durch ein holographisches Gehirn führte und die Details erklärte. Die Zukunft des Lernens könnte also so aussehen, dass niemand mehr körperlich anwesend sein muss, sondern sich per Datenbrille in den Unterricht zuschalten kann.
Das kann die Microsoft-Datenbrille „Hololens“
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit: Die Nasa hat die App „Destination Mars“ für die HoloLens entwickelt, mit der man virtuell auf dem Roten Planeten spazieren gehen kann. Mit der App Galaxy Explorer, die ebenfalls auf der Build präsentiert wurde, können Hologramme der Planeten betrachtet und mit Gesten gesteuert werden.
Microsoft verkündete, dass das Entwickler-Kit der HoloLens jetzt ausgeliefert werde – es kostet happige 3000 Dollar. Facebook-Ableger Oculus verlangte für die letzte Entwicklerversion seiner VR-Brille „Rift“ mit rund 350 Dollar nur gut ein Zehntel der HoloLens. Entwickler können ab sofort auf die Quellcodes zugreifen und Anwendungen für die HoloLens entwickeln. Wann Endkunden die Brille in der Hand halten können, ist allerdings noch unklar. Als möglicher Verkaufsstart für den Otto-Normal-Verbraucher wird derzeit der Sommer 2016 gehandelt. Wie teuer die Brille im Handel wird, ist ebenfalls noch offen.