Neue Provisionsregeln für App Store Das verlogene Angebot von Apple

Täuschen lassen sollte man sich von Apples Zugeständnissen nicht. Die sind, trotz allem, noch eine Ablenkungsshow. Quelle: dpa

Apple verändert die Regeln für den App Store. Künftig sollen Entwickler von Apps die Provision an Apple umgehen können – mit einer Ausnahme. Doch Apples Angebot ist nicht ernst zu nehmen.

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Geschäftlich läuft es für Apple auch im zweiten Corona-Jahr sensationell. Auch im dritten Quartal gab es einen Rekordumsatz.

Nur politisch ist es schwierig. Die Stimmung gegenüber den digitalen Giganten hat sich in fast allen Teilen der Welt gedreht. Statt „Lasst sie doch!“ heißt es jetzt mehr und mehr „Zerschlagt sie!“. Mit der dänischen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager an der Spitze war die Europäische Union Vorreiterin im Kampf gegen „Big Tech“. Aber mittlerweile wappnen sich fast überall Wettbewerbshüter wider die Macht der digitalen Großkonzerne: in Australien, in Indien, in Südkorea, aber auch im Mutterland der Riesen, in den USA.

In Washington hat Präsident Joe Biden mittlerweile eine ganze Phalanx von Anti-Trust-Spezialisten in Top-Positionen befördert, im Weißen Haus oder in Kontrollbehörden. An der Spitze der FTC, der Federal Trade Commission, sitzt mit der jungen Jura-Professorin Lina Khan nun jemand, die keinerlei Bange hat, eine Zerlegung der Konzerne zu fordern. Die liberalen Lehren der Chicago School will sie endgültig in die Geschichtsbücher verbannen. Im Kongress rüstet die Senatorin Amy Klobuchar gegen das Silicon Valley.

Ins Visier genommen hatten die Wettbewerbshüter dabei zunächst vor allem Facebook mit seinen Töchtern WhatsApp und Instagram oder den Online-Händler Amazon, der vor allem mit seinem erfolgreichen Cloud-Dienst AWS ein leichtes Ziel zu sein scheint. Apple-Chef Tim Cook dagegen hat es lange geschafft, den iPhone-Konzern eher unauffällig aus der Schusslinie zu halten.

von Matthias Hohensee, Jörn Petring

Das gelingt ihm aber immer weniger. Auch gegen Apple laufen nun Verfahren, in Kalifornien, in der Europäischen Union, aber auch in Indien und Japan. In Südkorea hat das Parlament in der vergangenen Woche ein Aufsehen erregendes Gesetz beschlossen. Im Kern geht es bei allen darum, dass sich Konkurrenz und Regulatoren gegen Apples monopolistischen Umgang mit seinem App-Store wehren. Apple nimmt bei jedem Verkauf dort eine Provision von 30 Prozent, vor allem bei so genannten In-App-Käufen. Gleichzeitig verbietet Apple es Anbietern, in ihre Apps Links einzubauen, die Nutzer zu Seiten führen, wo sie etwa Abos abschließen oder andere Produkte kaufen können. Die Kunden sind in Apples Pflicht-Zahlsystem eingekerkert.

Apple macht so einen Umsatz von zuletzt geschätzt 20 Milliarden Dollar pro Jahr. Aber die Konkurrenz protestiert, allen voran Spotify und der Spielanbieter Epic Games, der Fortnite betreibt. In Südkorea hat das Parlament nun beschlossen, dass Apple sowie Android-Anbieter Google die Entwickler nicht zwingen dürfen, nur ihre eigenen Bezahlsysteme zu verwenden. Allein das ist schon ein großer Schritt. Und diese Woche hat sich Apple mit der japanischen Wettbewerbsbehörde geeinigt, dass sich Nutzer bestimmter Apps auch außerhalb der App registrieren dürfen.

Offenbar hat Tim Cook verstanden, dass er sich bewegen muss. Und deshalb soll ab 2022 weltweit gelten, dass Entwickler auch externe Links in ihre Apps integrieren dürfen. So können sie ihre Kunden auf Seiten leiten, wo die Nutzer auch außerhalb des Apple-Systems Abos abschließen oder Produkte kaufen können. Immerhin. Auf Twitter hat sogar Spotify-Chef Daniel Ek anerkannt, dass das in die richtige Richtung geht.

Nur: Täuschen lassen sollte man sich von Apples Zugeständnissen nicht. Die sind, trotz allem, noch eine Ablenkungsshow. Den entscheidenden Teil der Cash Cow hat Cook weiterhin eisern verteidigt, nämlich das Geschäft mit den Spielen, konkret mit Fortnite. Für diesen Geschäftszweig gelten diese neuen Regeln nämlich nicht – und gleichzeitig macht Apple damit den Großteil des Geschäfts.

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Freiwillige Zugeständnisse von Apple wird es hier nicht geben, sondern sie werden von Richtern erzwungen werden müssen – oder von Politikern. Demnächst wird in Oakland in Kalifornien eine Bundesrichterin darüber urteilen, ob Apple seine Marktmacht gegenüber Epic Games missbraucht hat – und welche Zugeständnisse der Konzern machen muss, um Konkurrenz und Nutzern ernsthaft entgegen zu kommen. Erst mit diesem Urteil wird es um das Kerngeschäft des Konzerns gehen.

Mehr zum Thema: Andy Yen, Chef des Schweizer E-Mail-Anbieters Proton, kämpft seit Jahren gegen hohe Gebühren im Apple-Store. Die jüngsten Zugeständnisse des Konzerns hält er für eine Falle.

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