Reform des Urheberrechts Darum hat das EU-Parlament richtig entschieden

Urheberrechtsreform: Das EU-Parlament hat richtig entschieden Quelle: dpa

Das EU-Parlament hat sich für die Reform des Urheberrechts ausgesprochen. Gut so!

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Kaum hatte das EU-Parlament an diesem Dienstag das Ergebnis der Abstimmung zur Urheberrechtsreform bekanntgegeben, drückten Tausende auf Tasten und Knöpfe. Los ging sie: Die irre Jagd nach dem absurdesten Kommentar auf Twitter, Facebook oder einem anderen Sozialen Netzwerk. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich gerade – wie originell – Grabsteine, versehen mit der Aufschrift „Hier ruht das freie Internet“. Mancher wähnt sich schon in Nordkorea oder China, andere dauerhaft im Orwell-Jahr 1984. Mal ehrlich Leute: Habt ihr es auch eine Nummer kleiner?

Bei aller Sympathie für eine gepflegte Übertreibung: Weder Abendland noch Internet werden untergehen, weil die Arbeit von Filmemachern, Komponisten, Schriftstellern und Journalisten vor dem massenhaften Ausschlachten ihrer geistigen Arbeit geschützt werden.

Im Gegenteil. Es wurde Zeit, dass das Urheberrecht aktualisiert wird. Es wurde Zeit, dass die EU sich hinter die Urheber stellt und einen Pflock einschlug dafür, dass auch geistiges Eigentum ein Eigentumsrecht begründet. Und es wurde Zeit, ein klares Zeichen zu senden an die Adresse der US-Konzerne wie Google und YouTube, wonach nicht allein das Gesetz der größtmöglichen Lautstärke gilt. Am Ende sind demokratisch gewählte Vertretungen die Instanzen, die Zusammenleben organisieren und Regeln für den Umgang miteinander definieren.

Sich hinzustellen und auf populistische Weise Ressentiments zu schüren und Behauptungen in die Welt zu setzen, zeugt von einem abenteuerlichen Demokratieverständnis. So twitterte der Linken-Chef Bernd Riexinger nur wenige Minuten nach der Abstimmung, das EU-Parlament sei „leider vor den Interessen der Großunternehmen umgefallen“ – als stünden mit Google / YouTube, Facebook und Co. lauter sympathische kleine Mittelständler auf Seiten der Reformgegner und nicht etwa Multi-Milliarden-schwere meinungsmachende Konzerne. Eine atemberaubende Volte in einer an Verdrehungen und Verkürzungen auf beiden Seiten nicht eben armen Auseinandersetzung.

Der Streit um die Urheberrechtsreform ist einer, der sich am Ende immer weiter entfernte von der Sache, um stattdessen einzumünden in einen aufgeblähten Generationenkonflikt, der auf der Seite der Jungen den Eindruck wecken sollte: Ihr müsst gar nicht auf die Argumente der Gegenseite hören, die sind eh alt, analog und ahnungslos. Und der ihnen gleichzeitig die Möglichkeit bot, sich in romantischer Aufwallung zu fühlen wie wahre Rebellen, wie Kämpfer für das einzig wahre Gute.

Öl in dieses Feuer gossen dabei eben Leute wie der Linken-Chef, in durchsichtig opportunistischer Absicht: „Die Meinung der breiten Mehrheit der europäischen Bevölkerung wurde nicht gehört“, behauptete Riexinger gar. Wie kommt er auf dieses schmale Brett? Zu denken geben könnte ihm zum Beispiel der Blick auf die Demo-Karte vom vergangenen Protestwochenende, wie sie die Piraten-Partei auf ihrer Webseite abgebildet hat: Ja, es gab zahlreiche Demonstrationen zwischen Kiel und München. Es gab auch Demos in einigen Städten Polens, in Zürich, Stockholm und Amsterdam. Aber zeigt die Karte auch nur einen einzigen Eintrag in Frankreich, zeigt sie einen in Italien, in Portugal oder Spanien? Nein. Nirgendwo sonst als in Deutschland trieb die Debatte solch teils hysterische Blüten. Welche Anmaßung daher in Kommentaren wie diesen steckt, ist vor allem eins: erschreckend.

Interessant dürfte nun werden, wie sich die Adressaten der neuen Richtlinie verhalten. Wird etwa YouTube in Zukunft wirklich bis zu 35 Millionen meist kleine Kanäle dicht machen, aus Sorge, die dort womöglich begangenen Urheberrechtsverletzungen könnten den Konzern teuer zu stehen kommen? YouTube-Chefin Susan Wojcicki hatte damit gedroht.

Oder wird YouTube weitere Verträge mit den Verwertungsgesellschaften abschließen, die das eingenommene Geld weiterreichen an die eigentlichen Schöpfer vieler Inhalte? Leisten könnten sich das die großen Konzerne allemal.

Tatsächlich lässt sich der Spieß auch herumdrehen: Sollte YouTube auch nur einen einzigen Creator-Kanal mit der Begründung schließen, das Risiko für eine Urheberrechtsverletzung haftbar gemacht zu werden, sei ihnen zu hoch, sollte es YouTube also zu teuer sein Instrumente zu entwickeln, dies zu ermöglichen oder Lizenzvereinbarungen abzuschließen, zeigt das den Nutzern nur, worum es der Google-Tochter eigentlich geht: Liebe Gemeinde, ihr seid YouTube schlicht zu teuer.

Schon zu Beginn des Jahres hat YouTube seine eigenen Werberichtlinien dahin verändert, nur noch solchen „Creators“ einen Teil der erzielten Werbemillionen abzugeben, die schon eine bestimmte Größe erreicht haben. Es ist eben viel leichter, Geld zu verdienen mit einigen wenigen großen Unternehmen und einigen wenigen großen Kanalbetreibern, die zudem die Gewähr dafür bieten, dass die wertvollen Werbespots im passenden Umfeld auftauchen.

Sind die vielen kleinen Kanäle dem großen YouTube nicht vielleicht inzwischen vor allem eins – ganz nett, aber eigentlich lästig? Die große Inszenierung als Retter des freien Internets – war das also nicht bloß Theaterdonner und die eiskalt genutzte Chance, das eigene Image als rebellischer EU-Bürokratenschreck zu schärfen?

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