Gen Z und Babyboomer Börlind-Co-CEO: „Alle wollen einen Job, in dem sie gesehen werden“

Alicia Lindner, Co-Chefin des Kosmetikunternehmens Börlind Quelle: Stefanie Hergenröder

Alicia Lindner führt gemeinsam mit ihrem Bruder das Kosmetikunternehmen Börlind. Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer erzählt sie, wie der Generationswechsel verlaufen ist und was sie von Kritik an der GenZ hält.

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WirtschaftsWoche: Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer haben wir in diesem Jahr viel über den Generationenwechsel und darüber, wie Unternehmen „enkeltauglich“ gemacht werden können, gesprochen. Wie hat Ihre Großmutter, die Börlind 1959 gründete, das Unternehmen enkeltauglich gemacht?
Alicia Lindner: Sie hat einfach nach bestem Wissen und Gewissen als ordentliche Kauffrau gehandelt. Sie war sehr offen, hat aber stets nach ihren eigenen Werten und ihrer Produktphilosophie gehandelt. Und die lautete: Was ich nicht essen kann, gebe ich nicht auf meine Haut. Davon war sie überzeugt, obwohl es damals mega uncool war, keine Chemie in der Kosmetik zu verwenden und nicht aus London, Paris oder Rom zu kommen, sondern aus dem Schwarzwald. Die grüne Welle musste erst losgetreten werden, und dabei hat sie geholfen. Außerdem hatte sie diese Einstellung: „Ich mach das jetzt, ich kann das, ich bin zwar eine Frau, aber na und?“ Sie durfte damals ja nicht einmal ein eigenes Konto eröffnen, das hat mein Großvater gemacht. Das war ihr aber völlig egal. Ich glaube, das war eine ganz gute Mischung, die sie vorgelebt hat.

War es für Sie klar, dass Sie ins Unternehmen einsteigen würden – oder hätte es auch Alternativen gegeben?
Es hätte immer Alternativen gegeben. Ich hatte weder von meinen Eltern noch von meiner Großmutter Druck, ins Unternehmen einzusteigen. Ich bin nur relativ früh darauf gekommen, dass die Kombination aus Naturkosmetik und Familienunternehmen das Schönste ist – zumindest für mich. (lacht) Aber natürlich wächst man mit dem Unternehmen auf und es wird ständig darüber gesprochen: Beim Mittagessen, beim Abendessen, an Geburtstagen, an Weihnachten und zwischendurch. Aber es gab nie Druck und nie Verpflichtungen.

Gab es einen Schlüsselmoment, an dem Sie gemerkt haben: „Ja, ich möchte das“?
Einen Schlüsselmoment gab es nicht. Man wächst einfach immer mehr hinein und bekommt immer mehr ein Gefühl dafür, was es heißt, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Was es heißt, Produkte herzustellen, die Frauen glücklich machen.

Zur Person

Sie führen Börlind zusammen mit Ihrem Bruder in einem Co-CEO-Konzept. Wie ist es dazu gekommen?
Mein Vater hat immer gesagt: „Es gibt nur Platz für einen im Unternehmen. Wir sind zu klein für eine Doppelspitze und das Konfliktpotenzial ist zu groß.“ Der Prozess des Generationswechsels dauerte viele Jahre und wurde professionell begleitet. Irgendwann habe ich gesagt: Ich mache es nicht alleine. Und mein Bruder hat, unabgesprochen mit mir, ebenfalls verkündet, dass er es nicht alleine machen will. Also machen wir es nun doch zusammen. (lacht)

Unterscheiden sich Ihre Managementstile?
Wir managen unterschiedliche Bereiche, sind im Stil aber sehr ähnlich. Es hilft sehr, dass wir den gleichen Blick auf die Dinge haben: Was Wertschätzung für gute Leistung bedeutet, zum Beispiel. Wir halten es nicht für selbstverständlich, dass Menschen bei uns arbeiten wollen und diese beidseitige Grundüberzeugung hilft extrem.

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist ja oft mit Schwierigkeiten verbunden – gerade bei mehreren potenziellen Thronfolgern treffen häufig verschiedene Erwartungen aufeinander. Sie haben gerade gesagt, der Generationswechsel bei Ihnen wurde professionell begleitet. Wie können wir uns das vorstellen?
Wir hatten eine Beraterin für Familienunternehmen und mit ihr regelmäßige Termine, um alle abzuholen: Wer steht wo, wo entwickelt man sich hin, wer kann sich welche Position vorstellen, wie lange will die ältere Generation noch bleiben und so weiter. Diese Beratung war für uns der Schlüssel zum Erfolg. Bei Familienunternehmen sind so viele Themen miteinander verwoben, berufliche, aber auch persönliche, zum Beispiel die Stimmungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Wenn man anfängt, das alles zu vermischen, wird es kompliziert. Umso wichtiger ist es, zu lernen, diese verschiedenen Rollen zu unterscheiden: Wann spreche ich als Schwester, wann als Gesellschafterin, wann als Geschäftsführerin? Dann wird es irgendwann einfacher und zumindest ein bisschen weniger komplex.

Wie lange haben Sie diese Beratung in Anspruch genommen?
Begonnen haben wir 2011 – und der Prozess dauert noch immer an. 2013 ist mein Bruder ins Unternehmen eingestiegen, 2014 bin ich eingestiegen, 2020 haben wir die Geschäftsführung übernommen. Wir haben bis heute einmal im Jahr einen Familientag, wo wir genau über die Themen sprechen, die das Unternehmen und die Unternehmerfamilie betreffen.

Ihre Großmutter ist 2016 im Alter von 95 Jahren gestorben. Zu dem Zeitpunkt waren Sie bereits im Unternehmen tätig. Haben Sie mehr von ihr oder von Ihrem Vater gelernt, der ja Ihr direkter Vorgänger ist und das Unternehmen über 40 Jahre lang leitete?
Von meiner Oma habe ich die Begeisterung und die Leidenschaft für die Naturkosmetik übernommen. Ich kann zu jeder Zeit einen Vortrag darüber halten, weil ich es liebe. (lacht) Von meinem Vater habe ich eher Konkretes über das Business gelernt, zum Beispiel über Führung und darüber, wie man nicht führen sollte. Und ich habe viele Faustregeln von ihm übernommen. Wenn eine Situation aussichtslos ist, sagt mein Vater immer: „Freu dich, wenn’s regnet – wenn du dich nicht freust, regnet’s trotzdem“. Dieser Optimismus hilft sehr.

Aber er war auch ein typischer Patriarch, oder?
Total.

Impressionen vom Gipfeltreffen der Weltmarktführer
Auch 2023 lud die WirtschaftsWoche wieder zum großen Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall. Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
Am Vorabend des eigentlichen Gipfeltreffens begrüßte Andrea Wasmuth, Geschäftsführerin der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört, die Gäste zum exklusiven CEO-Abend Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
Im Publikum: etliche hochrangige Inhaber und CEOs mittelständischer Unternehmen Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
Auch Walter Döring, ehemaliger Wirtschaftsminister Baden-Württembergs und Inhaber der Akademie Deutscher Weltmarktführer, begrüßte die Gäste Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
...und den ersten illustren Input-Geber des Abends, Finanzminister Christian Lindner Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
Lindner hielt zunächst einen Impulsvortrag... Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche
...und stellte sich dann den Fragen von Sonja Álvarez, stellvertretende Leiterin Politik der WirtschaftsWoche. Quelle: Stefanie Hergenröder für WirtschaftsWoche

Kommt er trotzdem mit Ihrem jungen Stil und Ihrer Neuausrichtung gut klar?
Ja. Er sagt immer: „Ihr macht es anders, als ich es gemacht hätte. Manches besser, manches vielleicht nicht besser.“ Aber er ist super entspannt und seit drei Jahren aus der operativen Rolle komplett raus. Es hat anfänglich auch keiner gedacht, dass er das nach 40 Jahren an der Spitze hinkriegt. Er reist jetzt sehr viel mit meiner Mutter. (lacht)

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