Helden Contra Corona – Erfahrungsbericht #29 „70 Prozent weniger Anzüge, dafür mehr T-Shirts“

Renata DePauli (52) ist Gründerin und Chefin des Mode-Onlineshops Herrenausstatter.de mit Sitz in Garching. Quelle: Presse

Nach dem Coronaschock will Online-Modehändlerin Renata DePauli ihr Unternehmen in die neue Normalität führen. Ihr Ziel: Sich der schon tobenden Rabattschlacht zu entziehen und bisherige Umsatzverluste wieder aufzuholen.

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1997 gründete Renata DePauli, 52, den Mode-Onlineshop Herrenausstatter.de mit Sitz in Garching bei München und heute 200 Mitarbeitern. Sie ist eine von rund 100 Unternehmerinnen und Unternehmern, die die WirtschaftsWoche wegen ihrer kreativen Lösungen im betrieblichen Alltag in den vergangenen zwei Jahren als „Helden des Mittelstands“ beschrieb.

WirtschaftsWoche: Frau DePauli, vor sechs Wochen, Ende März, berichteten Sie von fast halbierten Umsätzen bei Herrenausstatter.de. Wie sieht es jetzt aus?
Renata DePauli: Es ist besser geworden. Ab Mitte März fehlten uns in der Tat 40 bis 50 Prozent gegenüber dem Vorjahresumsatz. Im April und in den ersten zwei Mai-Wochen sind wir noch bei einem Minus von rund 13 Prozent. Damit liegen wir im Durchschnitt des Mode-Onlinehandels.

Wie stabil ist die Aufwärtsentwicklung?
Die Schwankungen sind riesig. Unsere Tagesumsätze liegen im Mai mal null Prozent, mal 30 Prozent unter Vorjahr. Das liegt an der großen Verunsicherung. Die ist extrem. Solche Schwankungen kannten wir früher nicht. Das Kundenverhalten und die Geschäftsentwicklung sind dadurch weniger greifbar. Unsere bisherigen Analysemethoden müssen wir dahingehend nun nachjustieren.

Wann wird sich das ändern?
Ich denke, das wird bis Ende dieses Jahres so bleiben. Jeder – die Kunden und wir selber – haben zu kämpfen mit einer sich täglich ändernden Regelungslage und politischen Einschätzung der Corona-Epidemie.

Ihre Kunden ordern doch online, also unabhängig von variierenden Regelungen in den Bundesländern.
Ja, aber das Kundenverhalten in Bayern ist beispielsweise anders als das in NRW, wenn dort unterschiedliche Öffnungsregelungen im stationären Handel gelten. Das spüren wir auch. Wir reagieren darauf, indem wir die Kunden regional angepasst mit Werbung ansprechen.

Verändert das Homeoffice die Nachfrage nach bestimmten Artikeln?
Und ob! Wir verkaufen verglichen mit 2019 rund 70 Prozent weniger Anzüge. Wer trägt schon ein Sakko im Homeoffice? Auch in einer virtuellen Telko ist man legerer angezogen. Generell hat sich das Einkaufsverhalten sehr geändert und der aktuellen Krisensituation angepasst. Schlendern gibt es nicht mehr – auch in der Onlinewelt. Es wird sehr viel mehr bedarfsorientiert gekauft. Hier ist die Herausforderung für die Unternehmen, mit gezieltem Storytelling die Kunden in ihrem veränderten Umfeld abzuholen.

Die Krawatte ist tot?
Krawatten laufen bei uns immer noch, allerdings in geringen Mengen. Denn anderswo gibt es sie kaum noch, Was läuft, ist Casual-Ware. T-Shirts und Polohemden sind stark nachgefragt. Für uns bedeutet das viele Bestellungen mit geringerem Warenwert.

Konnten Sie die Corona-bedingten Modetrends und den Umsatzeinbruch im Einkauf schnell genug berücksichtigen?
Wir haben uns wie auch der stationäre Handel mit großen Lieferanten darauf verständigt, die Bestellungen um 10 bis 15 Prozent zu reduzieren. Mit vielen Lieferanten gibt es da gerade in der Krise einen sehr kooperativen Umgang. Mit manchen aber auch nicht.

Aber die Lager müssen angesichts der Umsatzverluste voll sein.
Das sind sie – mit unverkaufter Frühjahrsware. Ab Juli kommen dann noch die neuen Herbst- und Winter-Kollektionen.

Sie appellierten deshalb im März an die Branche, sich nicht in einer Rabattschlacht zu ruinieren.
Die Rabattschlacht ist eingetreten. Stationäre Geschäfte, Onlinehändler und die Markenshops versuchen gerade mit großen Preisnachlässen die Kunden zu locken. Die Branche steckt nun in dieser Falle. Das war vorhersehbar. Es ist zu viel Ware im Markt und zu wenig Nachfrage da.

„Diese Krise hat trotz des Abstands etwas Verbindendes“

Machen Sie mit bei dieser Schlacht?
Definitiv nicht! Wir setzen bei herrenausstatter.de mehr auf Service und Qualität. Wir kürzen sogar bestellte Hosen, wenn der Kunde das wünscht. Der Preis ist für unsere Kunden zwar nicht unwichtig, aber auch nicht der ausschlaggebende Kaufimpuls.

Auf der Herrenausstatter-Homepage gibt es allerdings für Schuhe zehn Prozent Nachlass.
Natürlich haben wir auch zeitlich begrenzte Aktionen, aber mit dezenten Reduzierungen – eine Art Happy Hour. Für reduzierte Einzelgrößen gibt es versteckt auf der Seite den eigenen Sales-Bereich. Eine Rabattschlacht sähe anders aus.

Wird die auf 60 Tage verdoppelte Rückgabefrist genutzt?
Das wird sie – aber wir sind auch sonst bei Stammkunden kulant, wenn die mal die 30 Tage nicht einhalten.

Haben Sie staatliche Hilfen, Steuerstundung und Kurzarbeit genutzt?
Wir haben einen KfW-Kredit geprüft, dann aber nicht beantragt. Die Stundung und Reduzierung der Steuervorauszahlung hat das Finanzamt positiv beschieden. Aber wir kehren jetzt zur normalen Zahlung zurück, um da keine großen Nachzahlungsverpflichtungen aufzubauen. Kurzarbeit haben wir im April und Mai genutzt und die Arbeitszeiten dabei um zehn bis 20 Prozent reduziert. Das beenden wir in zwei Wochen.

Kündigungen?
...gab es keine.

Ab Juni arbeiten wieder alle voll?
Ja, in großen Teilen. Damit eine mögliche Infektion nicht das ganze Unternehmen lahmlegte, hatten wir die Belegschaft seit März in zwei Schichten eingeteilt. Im Juni werden wir unter Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandregelungen dieses Schichtmodell wieder aufheben. Dafür haben wir weitere Räume als Büros umgebaut, um die Quadratmeter pro Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu erhöhen.

Was nehmen Sie mit aus der Hardcore-Corona-Zeit?
Als positive Erfahrung möchte ich gerne den konstruktiven Umgang mit Lieferanten und Dienstleistern in die neue Normalität mitnehmen. Sehr interessant und ermutigend war auch die Entwicklung vieler Mitarbeiter, die sich enorm eingesetzt haben. Manche, die in ihren Bereichen zeitweise nicht viel zu tun hatten, haben von sich aus anderswo ausgeholfen und sich von den Kollegen dort einarbeiten lassen. Und zwar aus eigenem Antrieb und nicht, weil die Geschäftsführung das gefordert hat. Diese Krise, die wir alle aus unterschiedlichen Perspektiven erleben, hat auch trotz des Abstands etwas Verbindendes. Auch die Kommunikation untereinander ist im Unternehmen noch besser geworden, obwohl uns die lustigen internen Tischtennis- und Kicker-Turniere fehlen.

Aber bei Umsatz und Gewinn wird im Coronajahr 2020 ein Minus bleiben?
Ich denke als Mensch immer sehr positiv. Deshalb bin ich guter Dinge, dass wir die Verluste aufholen und am Ende auf das Niveau von 2019 kommen.

Mehr zum Thema
In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.

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