Küchenhersteller Noch verschicken Küchenbauer wie Bulthaup vor allem eins: Luft

Küchenaufbau Quelle: Getty Images

Heimische Hölzer, regionale Lieferketten: Deutsche Küchenbauer bemühen sich um klimafreundliche Produktion. Der Transport zum Kunden aber ist wenig nachhaltig – vor allem beim Export.

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Den Nachteil des internationalen Erfolgs seiner und anderer deutschen Küchen bringt Bulthaup-Chef Marc Oliver Eckert knapp auf den Punkt: „Heute verschickt die gesamte Industrie Luft. Es ist überhaupt nicht nachhaltig.“ 

Was der Chef des Edelproduzenten damit meint: Die Küchen, die seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Bulthaup-Stammwerk im niederbayerischen Aich entwerfen, werden auch dort zusammengebaut. Erst danach werden sie als Korpusse verschickt. Das kostet viel Platz. Denn tatsächlich sind Schränke und Schubladen ausschließlich mit Luft gefüllt. 

Bulthaup zählt zu den Marken, die sich auch international einen Ruf erarbeitet haben. Der Exportanteil liegt bei 80 Prozent, vor allem in den USA und Asien möbeln die Küchen des Familienunternehmens Penthäuser, Lofts und Einfamilienhäuser auf.

In Frachtflugzeugen, Schiffscontainern und auch auf Lkw kostet diese Arbeitsweise viel Platz. Mit dem Klimabewusstsein von heute kommt man kaum umhin zu sagen: Er wird verschwendet. So sieht das auch Bulthaup-Inhaber Eckert. Nicht besser wird es, wenn er, im WiWo-Podcast Chefgespräch, ergänzt, dass er das Nussbaumfurnier für die Bulthaup-Küchen in Portland im US-Bundesstaat Oregon einkauft und nach München fliegen lässt. Wenn also beispielsweise ein Kunde in San Francisco eine Bulthaup-Küche mit Nussbaumfurnier bestellt, hat diese in Teilen bereits zweimal den Atlantik überquert, ehe sie bei ihm aufgebaut wird. Nachhaltig ist anders. „Das ist aber die Logik unserer Industrie“, klagt Eckert.



Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Möbelindustrie, mag Eckerts Diagnose in dieser Allgemeinheit nicht stehen lassen: Eine zweifache Atlantik-Überquerung sei eine Ausnahme, relativiert er. Und überhaupt: Bei der Gesamtheit der deutschen Küchenhersteller liegt der Exportanteil im Durchschnitt bei 44 Prozent. Die wichtigsten Ausfuhrländer sind zudem Frankreich, die Niederlande, Österreich, Belgien und die Schweiz. Mit China (Rang 8) und USA (Rang 10) gibt es nur zwei außereuropäische und damit sehr weit entfernte Top-Destinationen.

Exportanteil wächst in sieben Jahren von 37 auf 44 Prozent

Kurth repräsentiert eine mittelständisch geprägte Industrie: Die durchschnittliche Betriebsgröße im Küchenbau liegt bei 352 Beschäftigten. Insgesamt wächst die Branche: Im vergangenen Jahr erwirtschafteten deutsche Küchenmöbelhersteller einen Gesamtumsatz von 5,7 Milliarden Euro. Vor sieben Jahren lag der Umsatz noch bei 4,6 Milliarden Euro. Exportquote damals: unter 37 Prozent.

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Die Corona-Pandemie hätte bei den Mitgliedern des Verbands einen Trend bei der Beschaffung verstärkt: „Die Zuliefererketten sind mittlerweile relativ stark regionalisiert“, sagt Kurth und verweist auf die jüngste verbandsinterne Umfrage von August 2022. Bei dieser gaben etwa 70 Prozent der befragten Küchenmöbelhersteller an, in ihrer Beschaffung künftig stärker diversifizieren zu wollen. Und ebenfalls 70 Prozent wollten noch stärker heimisch oder regional einkaufen. Etwas weniger als die Hälfte, knapp 45 Prozent, gaben zudem an, ihren Rohstoff-Einkauf in EU-Ländern ausbauen zu wollen. Die Folgen sind kürzere Wege – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. 

„Wenn in der Küche Massivholz verarbeitet wird, ist es häufig Eiche“, sagt Kurth. Die komme in den meisten Fällen aus Deutschland. „Und ein weiterer Trend in der Küche ist Buche, die auch oft aus Deutschland kommt, in jedem Fall aber aus Europa.“ Die Verwendung heimischer Hölzer empfiehlt auch Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft beim Umweltbundesamt in Dessau: „Buche, Eiche, Robinie – das sind die langlebigsten Hölzer und die wachsen in Europa. Da kann man nichts falsch machen.“

So weit die Fortschritte bei der Rohstoffwahl. Aber mit der Logistik gebe es derzeit leider keine Alternative zu jener von Eckert kritisierten Luftverschickung: „Der Standard sieht so aus, dass die Küchen fertig montiert verschickt werden“, sagt Jan Kurth. „Das hat natürlich einen höheren CO2-Fußabdruck, weil die Korpusse so deutlich mehr Raum einnehmen als im zerlegten Zustand, aber es funktioniert nicht anders.“ Warum? Der Grund sei der Qualitätsanspruch der Hersteller: „Eine Lackfront-Küche mit zwei- bis dreischichtigem Lack kann man nicht den Kunden selbst montieren lassen – da kommt nichts Hochwertiges bei raus.“ Es gehe da um Spaltmaße, ums Fugenbild und den Schutz der Oberflächen: „Das kann ein Küchenhersteller ganz anders gewährleisten im zusammengebauten Zustand. Zerlegte Ware gibt es nur in einzelnen Fällen.“

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„Die Logistik sollte grundsätzlich minimiert werden“, befindet Fischer. Dass Möbel zur Bearbeitung länderübergreifend hin- und hertransportiert werden, sei der Worst Case. „Bestimmte Einzelteile sollten möglichst nicht im Ausland produziert werden. Das Credo sollte sein: kurze Transportwege und Made in Germany.“

Ikea-Küchen? „Bekanntlich in unaufgebautem Zustand“

Wie handhabt das der Erfinder jener Masche, bei der Kunden ihre Möbel selbst aufzubauen haben: Ikea? Deutschland ist für den schwedischen Möbelkonzern einer der wichtigsten Einzelmärkte der Welt, weshalb die Landesgesellschaft über ein eigenes Zentrallager in Dortmund verfügt. Das Problem langer, internationaler Transportwege hat Ikea mit seinen 43 Landesgesellschaften natürlich nicht in dem Maße, wie es ein einzelnes Unternehmen wie Bulthaup hat: Den größten Teil der Küchen in Deutschland, schreibt Ikea Deutschland auf Anfrage, beziehe das Unternehmen „aus EU-Produktion“; und einen kleineren Anteil der in Deutschland verkauften Küchen von einem litauischen Hersteller. Zudem unterscheiden sich die Ikea-Küchen in Europa ohnehin nur marginal: etwa „durch regional besonders beliebte Farben oder Oberflächenmaterialien“.

Und die innerdeutsche Logistik? „Verpackt werden die Ikea-Möbel bekanntlich in unaufgebautem Zustand“, schreibt das Unternehmen. Da macht das Unternehmen auch bei Küchen keine Kompromisse. Als sogenanntes Flatpack werden sie verschickt oder von Kunden und Kundinnen selbst in den Warenhäusern abgeholt. „Aufgebaut werden unsere Küchen auf Wunsch (...) durch einen Logistikpartner“, mit dem Ikea Deutschland zusammenarbeitet. Ikea hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimapositiv zu werden, das heißt, mehr erneuerbare Energien zu produzieren, als der Konzern selbst verbraucht. Zumindest in der Logistik der Küchenmöbel dürfte das Unternehmen mit dieser platzsparenden Variante einen Vorteil haben.

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Soweit dürfte Bulthaup-Chef Marc Oliver Eckert wohl nicht gehen – gleichwohl er auf Nachfrage sagt, dass er derzeit „alles infrage“ stelle: „Die Lieferkette, die Wertschöpfungskette und auch, dass die Küche heute in Kisten versendet wird.“ Er setzt dabei auf externe Unterstützung: Ein Münchener Beratungs- und Fachplanungsbüro von Umweltingenieuren, das sich auf nachhaltige Bauoptimierung spezialisiert hat, berät Eckert dabei, wie er seinen Stammsitz energieunabhängiger machen kann. Und im sogenannten Maker-Space der TU München in Garching hat Eckert ein paar seiner Mitarbeiter für eine gewisse Zeit einquartiert; dort sollen sie gemeinsam mit den Spezialisten erarbeiten, wie man „neue Materialtechnologien in neue Fertigungstechnologien umwandeln“ kann. Womöglich kommen all die Spezialisten auf bessere Ideen als Luft zu verschicken.

Hören Sie hier im WiWo-Podcast, wie Gründerenkel Marc Eckert den Edelküchenbauer Bulthaup aus der Krise geführt hat.

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