Digitalisierung bei der Allianz Die Angst der Vertreter

Vor Oliver Bäte liegt ein großer Brocken: Der neue Vorstandschef muss die Allianz ins digitale Zeitalter führen. Der große Umbruch sorgt vor allem bei den Außendienstlern für Unmut.

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Allianz bei Facebook, Twitter und Co. Quelle: dpa, Montage

Es ist fast immer das gleiche Ritual: Kommt in der Münchner Allianz-Zentrale bei Journalisten- oder Expertenrunden das Gespräch auf die Folgen der Digitalisierung für den Konzern, vergehen meist nur wenige Minuten, und die Allianz-Chefs verweisen mit Stolz auf die „intensive Nutzung“ sozialer Netzwerke durch ihre Vertreter in den gut 8000 Agenturen hierzulande. „Gut 2400 unserer Vertreter sind schon auf Facebook und beantworten dort unter anderem Fragen von Kunden“, sagt etwa Alexander Vollert, der im Vorstand der Allianz Deutschland für die Schaden- und Unfallversicherung zuständig ist.

Weniger stolz dürfte er allerdings auf eine ganz besondere Facebook-Gruppe seiner Vertreter sein. „Ich bin total enttäuscht und gefrustet“, schreibt da einer mit Blick auf die angeblich zu geringe Gewinnbeteiligung für die deutsche Allianz-Vertreterschaft in diesem Jahr. „Ich halte das persönlich für eine Farce“, schreibt ein anderer Außendienstler zum gleichen Thema, „denn es zeigt mir, wie wichtig wir für die verantwortlichen Herren sind.“ Ein dritter Vertreter meint in Anspielung auf die regelmäßigen Streiks der Lokführergewerkschaft: „Wir sollten mal einen auf GdL machen.“

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Mehr als 630 der insgesamt rund 10.000 Vertreter des Münchner Versicherers haben sich in der Facebook-Gruppe der kritischen Allianzer zusammengeschlossen. Viele sind wütend über den wachsenden Druck aus der Zentrale. Fast alle treibt die Angst um, die zunehmende Verlagerung des Versicherungsgeschäfts ins Internet und der wachsende Kostendruck durch die anhaltend niedrigen Zinsen könnten sie schon bald ihre Jobs kosten.

Bäte erbt Diekmanns Probleme

Fast drei Viertel der deutschen Allianz-Vertreter würden ihren Kindern nicht empfehlen, ihre Agentur zu übernehmen, so eine interne Umfrage der Allianz-Vertretervereinigung vom vergangenen Jahr.

Auch mit solchen Sorgen wird sich Oliver Bäte künftig beschäftigen müssen. Wenn an diesem Mittwoch die Anteilseigner von Europas größtem Versicherungskonzern in München ihre Hauptversammlung beenden, tritt der 50-jährige Betriebswirt aus Bensberg bei Köln die Nachfolge von Michael Diekmann als Vorstandsvorsitzender an.

Zwar übergibt Diekmann, der zwölf Jahre lang die Geschicke des Konzerns mit seinen weltweit 147.000 Mitarbeitern lenkte, auf den ersten Blick ein wohlsortiertes Haus an den bisherigen Südeuropa- und vormaligen Finanzvorstand Bäte.

Dennoch warten auf den Neuen große Herausforderungen, womöglich größere, als sie Diekmann in seiner Amtszeit zu bewältigen hatte. Sicher, die Niedrigzinsen, die die Kapitalanlage für die Münchner zu einem immer größeren Problem werden lassen, machten schon Diekmann schwer zu schaffen. Auch dass Investoren bei der Kapitalanlagetochter Pimco in den USA nach dem turbulenten Abgang des Chefs Bill Gross Milliardensummen abzogen, hielt den scheidenden Allianz-Chef in Atem. Bätes größte Herausforderung wird es allerdings sein, den hochkomplexen Konzern mit seiner 125-jährigen Geschichte ins digitale Zeitalter zu führen.

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Die digitale Revolution hat die Medienindustrie durcheinandergewirbelt, hat Einzelhandel und Bankgeschäft auf den Kopf gestellt, verändert in rasender Geschwindigkeit die Fertigungsprozesse in den Fabriken – und erfasst mit Macht jetzt auch die Versicherungswirtschaft. Von „einer der fundamentalsten Veränderungen, die diese Branche seit Langem gesehen hat“, spricht etwa Allianz-Deutschland-Vorstand Vollert, der unter anderem für die Digitalisierungsstrategie mitverantwortlich ist. Diekmann hat hier allenfalls erste Weichen gestellt, den Zug steuern muss nun der neue Konzernchef Bäte.

Der will Tempo machen und die Zeit nutzen, solange die Gewinne des Konzerns noch sprudeln. 2014 wuchs der Umsatz um stolze 10,4 Prozent auf gut 122 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis kletterte um 3,3 Prozent auf den neuen Rekord von 10,4 Milliarden Euro. Doch die Luft wird dünner. Für 2015 erwartet die Allianz nur noch ein stagnierendes Ergebnis mit einer möglichen Abweichung von 400 Millionen Euro nach oben oder unten.

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