Air-Berlin-Pleite Eine Fluglinie, die sich überflüssig gemacht hat

Die Insolvenz von Air Berlin ist die Folge zahlreicher Chef- und Strategiewechsel. Über die Jahre hat die Airline aber ein viel größeres Problem bekommen: Sie ist überflüssig geworden.

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Ryanair schießt scharf gegen geplante Rettungsmaßnahmen
Die arabische Fluggesellschaft Etihad hat das Ende ihrer Unterstützung von Air Berlin mit der schlechten Lage beim deutschen Partner begründet. Das Geschäft von Air Berlin habe sich zuletzt „rapide verschlechtert“, teilte Etihad am Dienstag mit. Deshalb hätten „entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden“ können. „Unter diesen Gegebenheiten kann Etihad als Minderheitsgesellschafter keine weitere Finanzierung leisten, welche unsere Verbindlichkeiten erhöhen“, stellte der Staatskonzern aus Abu Dhabi fest. Man sei „weiterhin bereit dabei zu unterstützen, eine kommerziell gangbare Lösung für alle Beteiligten zu finden“. Quelle: REUTERS
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries Quelle: dpa
Der Berliner Senat hat „mit Bedauern“ auf den Insolvenzantrag der Fluggesellschaft Air Berlin reagiert Quelle: REUTERS
Air-Berlin-Insolvenz Quelle: dpa
VC zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: REUTERS
Verdi zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: REUTERS
Berliner Flughäfen zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: dpa

Am Ende war es doch eine kleine Überraschung: Air Berlin hat Insolvenz beantragt. Seit Jahren balancierte Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft nahe am Konkurs. Zu nahe, fand jetzt Geldgeber Etihad – und ohne weitere Finanzspritzen vom Golf fehlt der klammen Air Berlin schlichtweg die Basis für ein weiteres Fortbestehen.

Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann glaubt trotz Insolvenz einen Großteil der 7200 Arbeitsplätze in Deutschland retten zu können.

Über die betriebswirtschaftlichen Gründe der Insolvenz ist bereits vieles bekannt und es wird auch noch viel darüber geschrieben werden. Klar ist: Die unzähligen Chefwechsel und damit neuen Strategien haben die Airline nicht aus den roten Zahlen gebracht, die Verbindlichkeiten sind in den Milliarden-Bereich gestiegen. Mal war es schlichtweg der Größenwahn des Chefs, der auf allen Hochzeiten tanzen wollte (Achim Hunold), mal eine Reform-Lethargie (Wolfgang Prock-Schauer), mal die Hörigkeit vor den Arabern (Stefan Pichler).

Dem aktuellen Chef Thomas Winkelmann (seit April) und seinem neuen Chefaufseher Gerd Becht (seit Juli) fehlten jetzt schlichtweg Zeit und Geld, um ein tragfähiges Sanierungskonzept zu erarbeiten, mit welchem Air Berlin nachhaltig und aus eigener Kraft Gewinne einfliegen kann.

Zu zerfahren war das Unternehmen, das nach den Zukäufen verschiedenster Airlines unter Hunold sich vom Kerngeschäft des Ferienfliegers zum Lufthansa-Äquivalent für Geschäfts- und Privatreisende auf der Kurz-, Mittel- und Langstrecke entwickeln wollte. Plötzlich gab es zu viele verschiedene Flugzeugtypen in der Flotte, zu viele Flugverbindungen und zu wenige Passagiere, um all diese Flieger voll zu bekommen. Als dann noch Etihad Air Berlin zum Zubringer für sein Drehkreuz am Golf machen wollte, kam ein weiteres Standbein hinzu, das mehr Kapital verlangte als es einbrachte.

Doch all das ist nur ein Teil des Problems, das Air Berlin hat: Die Fluggesellschaft ist über die Jahre schlichtweg überflüssig geworden. Wer braucht noch Air Berlin? Innerdeutsche und -europäische Verbindungen für Geschäftsreisende bedient die Lufthansa oder ihre Allianzpartner von der Star Alliance bequemer und vor allem zuverlässiger – da die Firma zahlt, spielt der letzte Euro meist nicht die entscheidende Rolle. Hauptsache, man kommt rechtzeitig bei dem Geschäftstermin an.

Wie geht es weiter bei Air Berlin?

Und die Ferienflieger, mit denen Air Berlin einst groß geworden ist, bedienen die Billigflieger heute besser (oder zumindest nicht viel schlechter, aber deutlich günstiger). Urlauber achten zunehmend auf den Preis – wer zwei oder drei Stunden der Sonne Richtung Süden entgegenfliegt, nimmt auch mal kleine Komforteinbußen in Kauf, wenn er bei vier Tickets für die Familie mehrere hundert Euro spart. Dazu kommt, dass Ryanair, Easyjet und Co. sich inzwischen nicht mehr nur auf abgelegene Regionalflughäfen konzentrieren, sondern auch an großen Airports wie Frankfurt, München oder Düsseldorf vertreten sind – und eben nicht mehr nur in Weeze oder Hahn.

Die Chronik von Air Berlin

Das Geschäftsmodell der Lufthansa mit der Kernmarke und Eurowings funktioniert, wie die riesigen Gewinne im ersten Halbjahr gezeigt haben. Und auch das Geschäftsmodell der Billigflieger funktioniert. Das Zwischendrin, also Air Berlin, funktioniert aber nicht. Es ist verständlich, dass der Staat in der Urlaubs- und vor allem Wahlkampfzeit mit einem Kredit einspringt. Tausende gestrandete Urlauber hätten nur der Opposition in die Hände gespielt. Der Kredit soll, so die Schätzungen, bis November reichen. Dann ist der nächste Koalitionsvertrag längst unterschrieben, so die Hoffnung im Regierungsviertel.

Und dann kann Air Berlin in Ruhe aufgeteilt werden. Für die Angestellten ist positiv, dass die Diskussion um ihre Zukunft in den Wahlkampf fällt – Zusagen in ihrem Sinne sind in dieser Zeit wahrscheinlicher.

Und für den Rest wird der Markt schon eine Lösung finden.

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